Laut dem "Social Media-Atlas 2015/2016" von Faktenkontor sind in Deutschland rund 80 Prozent der Internetnutzer in sozialen Netzwerken aktiv. Somit zählen Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Snapchat und Instagram mehr als 42 Millionen Bundesbürger über 14 Jahre zu ihren Nutzern. Hinzu kommen die Mitglieder von Foren und Communities sowie User von Bewertungsportalen und Weblogs. Angesichts dieser Zahlen ist es nachvollziehbar, dass soziale Medien für das Marketing von Unternehmen immer wichtiger werden. Das gilt insbesondere für kleine und mittelständische Firmen (KMU). Denn Social-Media-Plattformen und Communities eröffnen ihnen die Möglichkeit, große oder kleine Zielgruppen direkt anzusprechen.
Solche Kunden-Rückmeldungen lassen sich dazu nutzen, um das Produktportfolio zu optimieren und neue, auf den Nutzer zugeschnittene Angebote zu entwickeln. Das wiederum ist vor dem Hintergrund des digitalen Wandels ein "Muss". Denn ein wesentlicher Aspekt dieses Transformationsprozesses ist, dass Kunden höhere Ansprüche an die Reaktionsschnelligkeit und Kundenorientierung von Unternehmen stellen. Sie wollen, dass ihre Wünsche erfüllt werden - schnell, umfassend und punktgenau.
Am Kunden vorbei
Unternehmen, die eine wirkungsvolle Marketingstrategie im Bereich Social Media umsetzen möchten, sehen sich jedoch mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Das gilt vor allem für KMU. Ein Punkt ist die personelle Ausstattung und die interne Einschätzung der Prioritäten. So ergab eine Studie des finnischen Social-Media-Dienstleisters M-Brain, dass sich in europäischen Unternehmen im Schnitt ganze zwei Mitarbeiter schwerpunktmäßig um Social-Media- und digitale Marketingaktivitäten kümmern. In Start-Ups und KMU dürfte oft eine einzige Position verantwortlich sein, auf der die Kompetenzen gebündelt werden.
So ist es nicht verwunderlich, dass digitale Marketing-Aktivitäten häufig am Kunden vorbeigehen. Problematisch ist, dass dies der Mehrzahl der Marketing-Fachleute nicht bewusst ist. So schätzen 66 Prozent der Unternehmen den Erfolg entsprechender Aktivitäten als gut oder gar exzellent ein. Dagegen ist dies nur aus Sicht von 31 Prozent der Adressaten der Fall. Das ergab eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Forrester. An die 40 Prozent der Befragten monierten, dass für sie die meisten Informationen irrelevant seien, die sie von Unternehmen über digitale Kanäle erhalten.
Ein "Zoo" voller Tools und Datenbeständen
Ein weiterer Grund, dass digitale Marketingkampagnen ihr Ziel verfehlen, ist die Vielzahl der Kanäle, über die Unternehmen Kunden und Interessenten ansprechen können. Analog dazu kommen in Marketing- und PR-Abteilungen von größeren Mittelständlern häufig unterschiedliche Tools zum Einsatz. Viele davon nutzen separate Datenbanken und Datenformate.
So dient ein Teil der Tools beispielsweise dazu, nutzungsbasierte Informationen auszuwerten. Dazu zählt, wie lange der Besucher einer Unternehmens-Website auf bestimmten Seiten verweilt. Andere Programme erfassen, auf welche Blog-Posts und Social-Media-Inhalte Interessenten zugreifen. Wieder andere Tools dienen dazu, die Kaufhistorie von Kunden zu analysieren und die Öffnungsrate von E-Mail-Newslettern zu überprüfen. Die Folge ist, dass sich "Silos" bilden.
Kunden werden überfordert oder verärgert
Aus Sicht von Kunden hat das den Nachteil, dass sie vom selben Unternehmen auf inkonsistente Weise angesprochen werden. Dies kann wiederum dazu führen, dass sich Adressaten von der Informationsflut überfordert fühlen und schlimmstenfalls negative Assoziationen mit dem Absender verbinden.
Ein weiterer Nachteil konventioneller digitaler Marketing-Ansätze: Interne Daten, etwa die Bestellhistorie eines Kunden, und externe Informationsquellen wie Social-Media-Daten, werden nur unzureichend miteinander kombiniert. So lässt sich zwar ermitteln, welche Produkte ein Kunde wann und über welchen Vertriebskanal erworben hat. Doch warum er sich für ein bestimmtes Produkt oder für den betreffenden Anbieter entschieden hat, bleibt intransparent.
Empfehlungen für Unternehmen
Damit digitales Marketing den erhofften Erfolg bringt, ist daher ein anderer Ansatz erforderlich. Empfehlenswert ist ein kontextbezogenes Marketing. Es minimiert die Reibungsverluste, die bei herkömmlichen personalisierten Angeboten entstehen. Ein kontextbezogenes Marketing kombiniert Kundeninformationen aus mehreren Kanälen und Quellen:
Interaktionen mit Kunden, die bereits stattgefunden haben: Einkäufe, Kampagnen und Kontakte zwischen Kunde und Vertrieb oder Service-Abteilung.
Neigungswerte für die Zukunft: Up- und Cross-Selling, Kundenbindungsmaßnahmen.
Informationen darüber, welche Vorlieben und Einstellungen bei einem Kunden derzeit dominieren. Aufschluss darüber gibt beispielsweise die Interaktion mit dem Kunden über Social-Media-Kanäle.
Daraus leiten sich folgende Handlungsempfehlungen für Unternehmen und deren Marketingabteilungen ab:
Kundenbezogene Daten in einer Datenbank zusammenfassen: Eine moderne digitale Marketing-Strategie erfordert es, alle Daten, die sich auf die Interaktion eines Kunden mit dem Unternehmen beziehen, in einer Datenbank zusammenzufassen. Dazu zählen beispielsweise die Adressdaten, Informationen über die Kontakt- und Kaufhistorie des Kunden sowie dessen Kommunikation mit dem Unternehmen. Außerdem sollten in diesem zentralen Datenbestand die Rückmeldungen von Kunden zu Produkten, der Servicequalität und den Marketingaktivitäten auf Social-Media-Plattformen enthalten sein.
Nicht Kundensegmente, sondern Individuen ansprechen: Von den Kunden, die laut der Studie von Forrester mit den Marketing-Maßnahmen von Unternehmen unzufrieden waren, wollten mehr als 60 Prozent keine weiteren Produkte des Anbieters erwerben. Das heißt: Entweder gelingt es den Marketing- und Vertriebsabteilungen, auf die individuellen Anforderungen von Kunden einzugehen, oder sie verlieren Kunden und Umsatz. Um mehr Zeit für eine individuelle Kundenansprache zu gewinnen, ist etwa der Einsatz von In-Memory-Datenbanken hilfreich, außerdem von integrierten Datenbeständen.
Technologien einsetzen, die Datenmanagement mit Analysefunktionen verbinden: Bei der Auswahl von Plattformen und Tools ist darauf zu achten, diese Kunden jederzeit und auf allen Kanälen mit für sie relevanten Informationen zu versorgen. Das ist bei einem Großteil der eingesetzten Systeme nicht der Fall. Wichtig ist, dass eine solche digitale Marketingplattform die Anforderungen und Aktivitäten von Kunden in Echtzeit erfasst und eine umgehende Reaktion durch das Unternehmen ermöglicht. Speziell jüngere, Internet-affine Kunden tolerieren keine Antwortzeiten von einem Tag oder länger.
Kunden einen echten Mehrwert bieten: Für Kunden muss es sich lohnen, wenn sie persönliche Informationen an ein Unternehmen herausgeben. Sie erwarten beispielsweise eine optimierte Nutzererfahrung oder Zugang zu Communities, die ihnen Hilfestellung bei der Nutzung von Produkten geben. Außerdem sollten Unternehmen den Wunsch der Kunden respektieren, die Kontrolle über ihre persönlichen Daten zu behalten.
Start-Ups: kleinere Auswahl von Tools, mehr Know-How
Da Start-Ups und kleine Unternehmen mit 15 oder weniger Mitarbeitern ihre Social-Media-Expertise oft in einer Person bündeln, ist in diesen Fällen eine effiziente Priorisierung und regelmäßige Fort- und Weiterbildung wichtig. Anders ist es unmöglich, eine effiziente Bespielung der sozialen Kanäle neben dem Tagesgeschäft zu realisieren. In solchen Unternehmensstrukturen empfiehlt es sich, täglich ein festes Zeitpensum zwischen 30 und 60 Minuten für Social Media einzuplanen. Für den Content gilt: Qualität geht stets vor Quantität.
Digitales Marketing aus der Cloud
In der Praxis stehen KMU oftmals vor der Frage, wie sie ein kontextbezogenes, digitales Marketing auch technisch umsetzen sollen. Die hausinterne IT-Umgebung entsprechend "aufzubohren", können sich Unternehmen dieser Größenordnung kaum leisten.
Eine Option besteht darin, Marketing-Plattformen "as a Service" bei einem Cloud-Service-Provider zu buchen. Die Vorbehalte gegenüber diesem Modell haben erheblich abgenommen. So haben laut Forrester im vergangenen Jahr 47 Prozent der KMU der Implementierung von Software-as-a-Service-Angeboten (SaaS) hohe Priorität eingeräumt. Führende Anbieter von (Social-Media-)Marketing-Tools haben diesen Trend aufgegriffen und bieten ihre Lösungen als Cloud-Service an.
In eine ähnliche Richtung geht ein weiteres Angebot: Lösungen für das digitale Marketing, die als Managed Service bereitgestellt werden. In diesem Fall übernimmt ein Managed Services Provider (MSP) die Implementierung und Verwaltung der Plattform, gegebenenfalls auch der dazugehörigen IT-Komponenten wie In-Memory-Datenbanken. Solche Angebote sind für Anwender interessant, die keine IT-Fachleute für diese Aufgaben abstellen können.
Trend "Data as a Service"
Noch einen Schritt weiter gehen "Data-as-a-Service"-Angebote. Sie werten anonymisierte Mobilfunkdaten von Besuchern von Ladengeschäften und Veranstaltungen aus. Unternehmen erhalten dadurch Aufschluss darüber, welcher Altersgruppe und welchem Geschlecht die Besucher angehören und welche Mobilsysteme sie verwenden.
Solche Services ermöglichen es einem Unternehmen, Informationen über das Kundenverhalten an physischen Orten zu erhalten. Das macht es einfacher, geeignete Standorte für neue Filialen zu finden oder das Produktangebot an vorhandenen Standorten besser auf die Zielgruppe abzustimmen. Mithilfe von Diensten wie "Data as a Service" lassen sich somit beide Welten verbinden: das digitale Marketing und das "physische" vor Ort in einem Ladengeschäft. (sh)