Datev

Managerin in Teilzeit - ein Positivbeispiel

20.07.2013 von Andrea König
Chefs in Teilzeit gibt es in Deutschland kaum. Die IT-Firma Datev fördert das Modell seit einigen Jahren. Eine Managerin verrät, wie sie 50 Leute führt und trotzdem nicht mehr als 35 Stunden in der Woche arbeitet.

"Nur wenige Chefs und Chefinnen in Europa reduzieren ihre Arbeitszeit", lautet die Kernaussage einer im Mai veröffentlichten Studie über Management und Teilzeitarbeit vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). In Deutschland, so das Ergebnis der Auswertung, arbeiten nur fünf Prozent der Manager in Teilzeit. Nach Geschlechtern unterteilt sind es 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 1,2 Prozent der Männer. Die Forscher werteten für ihre Studie Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2009 aus. Die Gründe für die geringe Verteilung sehen die Studienautoren Lena Hipp und Stefan Stuth in der Arbeitskultur und in den Erwartungen an die Führungskräfte. Wenn mehr Chefs bereit wären, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, würde die Teilzeitarbeit aufgewertet, machen die Studienautoren deutlich.

Im Home Office besser erreichbar als im Büro

Ein Arbeitgeber, der sich diesem Thema angenommen hat, ist das IT-Unternehmen Datev. Dort startete 2011 die Initiative "Führen in Teilzeit", um Führungskräften eine Chance zu geben, ihre Arbeitszeit den privaten Bedürfnissen anzupassen. Aktuell beschäftigt Datev 21 Führungskräfte in Teilzeit, davon fünf Männer und 16 Frauen. Bei den meisten liegt der Teilzeitsatz bei 30 Stunden, er geht aber auch hinunter bis auf 15 Stunden. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Anteil rund vervierfacht, wobei das Geschlechterverhältnis in etwa stabil geblieben ist.

Claudia Puchta leitet bei der Datev als Teilzeitchefin ein Team von knapp 50 Mitarbeitern.
Foto: Privat

Eine der Teilzeitführungskräfte der Datev ist Claudia Puchta. Im Jahr 2005 ist die Diplom-Mathematikerin zur Führungskraft aufgestiegen, seit 2006 arbeitet die heute 40-Jährige als Teilzeitchefin. Die wöchentliche Arbeitszeit der zweifachen Mutter beträgt 80 Prozent, das entspricht 35 Wochenstunden. Puchta leitet eine Abteilung mit knapp 50 Mitarbeitern, die sich mit der Entwicklung eines PC-Programms zur Lohn- und Gehaltsabrechnung beschäftigen.

"Die Akzeptanz für meine Teilzeittätigkeit ist sehr hoch", erzählt sie. Zwei Tage in der Woche arbeitet sie von zuhause aus: "Ich bemühe mich, sehr gut erreichbar zu sein. So bin ich an meinen beiden Home-Office-Tagen oft besser erreichbar als an den Bürotagen, an denen ich meist viel Zeit in Terminen verbringe." Abends liest Puchta noch ihre Mails, um den Tag am nächsten Morgen stressfreier zu beginnen. "Dann gerate ich nicht in Hektik, wenn morgens gleich die ersten Termine anstehen und viele Nachrichten noch ungelesen sind."

Sie organisiert ihre Arbeitstage so, dass sie sich mit der verringerten Wochenarbeitszeit vereinbaren lassen. "Natürlich habe ich weniger Zeit als eine Vollzeitkraft und bin dadurch gezwungen, Dinge stärker zu priorisieren. Ich sehe mir Aufgaben genau an und entscheide dann, was Vorrang hat und was liegenbleiben kann", erläutert Puchta. Genauso sei sie gezwungen, Aufgaben zu delegieren und damit Verantwortung an ihre Teamleiter und Mitarbeiter abzugeben. "Ich hatte mir von Anfang an vorgenommen, dass ich als Führungskraft meinen Mitarbeitern Verantwortung übertrage, wenn sie das möchten. Das tut auch meinen Mitarbeitern gut", sagt die Abteilungsleiterin.

home office ma
Nach Feierabend abschalten
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Eignung prüfen
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Selbstbewusstsein entwickeln
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Verantwortung übernehmen
Der Mitarbeiter übernimmt mehr unternehmerisches Denken und sollte sich seiner Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber bewusst sein.
Klare Ziele setzen
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen und Präsenz, um sich weiter zu entwickeln.
Richtig kommunizieren
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Arbeitsrhythmus neu definieren
Den eigenen Rhythmus finden: Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Mit Kollegen austauschen
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Sorgfältig arbeiten
Gerade bei virtuellen Teams ist professionelles Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Sich selbst managen
Flexible Arbeitszeit und Arbeitsplatzmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation, das nicht jeder aufbringt.

Nachteile für Teilzeitchefs

Natürlich gibt es auch Kehrseiten, wenn man nicht jeden Tag im Büro vor Ort ist und die volle Stundenzahl arbeitet. "Es bleibt weniger Zeit für einen Plausch mit den Mitarbeitern. Dabei finde ich es sehr wichtig, auch mal über Privates zu reden und zu wissen, was die Menschen gerade bewegt", räumt Puchta ein. Sie versucht auch hier, immer eine Lösung zu finden: "Alle Mitarbeiter wissen, dass sie sich trotz vollem Terminkalender mit ihren Anliegen immer an mich wenden können und ich mir dann auch Zeit für sie nehme."

Damit das Führen in Teilzeit klappt, rät Puchta zu einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander: "Mitarbeiter müssen sagen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu kurz kommen", weiß sie. Zudem empfiehlt sie, die ganz persönlichen Stressmomente abzuschalten: "Man sollte sich überlegen, was einem Stress bereitet und diese Dinge ändern. Bei mir waren das die festen Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel. Seit ich mit dem Auto zur Arbeit fahre, stehe ich unter deutlich weniger Zeitdruck", so Puchta. Eine große Hilfe ist darüber hinaus, dass auch ihr Mann zwei Tage pro Woche im Home-Office arbeitet und die beiden sich abwechseln können, falls eines ihrer beiden Kinder erkrankt und zuhause bleiben muss.

"Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass mein Team oder meine Familie darunter leiden, dass ich als Führungskraft in Teilzeit arbeite, hätte ich es wieder sein lassen", sagt Claudia Puchta. Aber das sei glücklicherweise nicht passiert.

home office unternehmen
Klare Vereinbarungen treffen
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Nutzung freistellen
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Mitarbeitern vertrauen
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und "loslassen" können.
Mitarbeiterleistung messen
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Führung nicht vernachlässigen
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Fürsorgepflicht ernst nehmen
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern. Diese gelten auch und insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Neue Meetingkulturen schaffen
Bei aller Flexibilität: Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente und effektive Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Gemeinschaftsgefühl stärken
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen - und so die Zusammenarbeit und das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Mitarbeiter willkommen heißen
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Unternehmenskultur überprüfen
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur, der Philosophie und den Unternehmenszielen vereinbar sind.

Männlicher Teilzeitchef gesucht

Sie sind männlich und arbeiten als Teilzeitchef? Wir würden uns über einen Kontakt zu Ihnen freuen!
Foto: fotolia.com/styleuneed

In der eingangs erwähnten Studie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) lag Deutschland im Ländervergleich auf Rang fünf von 18. Höhere Teilzeitquoten erreichten die Niederlande, Irland, Großbritannien und Belgien. Gern hätten wir auch einen IT-Teilzeitmanager aus einem dieser Länder zu seinen Erfahrungen befragt, konnten aber leider niemanden finden, der sich für ein Interview zur Verfügung stellen wollte. Falls dies ein Teilzeitchef aus einem dieser Länder liest und zu einem Interview bereit ist, freuen wir uns über eine Nachricht.

Dieser Artikel stammt von unserer Schwesterpublikation CIO.de.