Internationaler IT-Betrieb

Make or Buy der IT-Betreuung?

01.12.2009 von Torsten Gründer
Der deutsche Mittelstand ist weltweit aufgestellt. Oft hinkt die IT der internationalen Expansion hinterher.
Foto: ag visuell/fotolia
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Mittelständler beginnen ihre länderübergreifenden Geschäfte typischerweise im kleinen Rahmen und mit Pragmatismus - aber an der IT vorbei. Mit dem Erfolg indes wachsen die Organisation und der Bedarf an effizienter Kommunikation, Datenaustausch und Vernetzung. Eine individuell passende IT-Strategie mit Augenmaß ist von besonderer Bedeutung für den nachhaltigen geschäftlichen Erfolg. Einerseits sollte sie der internationalen Präsenz angemessen sein und die Mitarbeiter an den Standorten stets mit IT-Funktionen bedarfsgerecht versorgen. Andererseits muss sie auch Anforderungen wie Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Umsetzung von Standards in der IT entsprechen.

In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise erwägen viele Unternehmen erstmals oder in deutlich erweiterter Dimension die Auslagerung von IT-Aufgaben, unternehmensweit oder auf der Ebene ihrer Landesgesellschaften.

Eine schnelle IT-Auslagerung kann schlimm enden

Ein IT-Outsourcing ist eine langfristig wirkende Entscheidung und keinesfalls ein Selbstläufer. Eine Auslagerung erwies sich gerade für jene Unternehmen als erfolgreich, die mit Methode und praktischer Erfahrung vorgegangen sind. Ein überhastet gestartetes Projekt mit ambitionierten wirtschaftlichen Ansprüchen verfehlt in der Regel die gewünschten Ziele.

Grundsätzlich lassen sich im global tätigen Mittelstand drei Vorgehensweisen in der IT mit zum Teil sehr unterschiedlichen Ausprägungen beobachten:

Die Merkmale sowie Vor- und Nachteile der Modelle finden Sie auf den folgenden Seiten.

Dezentral: Flexible Selbstversorger vor Ort

Das dezentrale Modell ist gekennzeichnet durch eine weitgehende Autonomie der Landesgesellschaften in IT-Angelegenheiten, die zum Teil bis in einzelne Standorte reicht. Typisch ist das Prinzip der IT-Selbstversorgung. IT-Budgets sind konsequent lokal zugewiesen. Der wichtigste Vorteil des dezentralen Modells ist eine hohe Flexibilität, denn IT-relevante Entscheidungen können schnell und bedarfsnah getroffen sowie umgesetzt werden. Die Standorte verfügen selten über eigenes IT-Fachwissen. Sie werden von kleinen, regionalen IT-Dienstleistern beliefert, zu denen meistens ein lockeres Vertrags-, aber auch ein starkes Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Das raten CIOs Outsourcing-Anwendern
Reinhard Eschbach, Thomas Cook: Transparenz ist das A und O
„Jeder Dienstleister ist nur so gut, wie ihn der Auftraggeber steuert. Outsourcing darf keine Black Box sein: Ich will verstehen, was der Provider macht, und kontrollieren, ob dies in Einklang mit meinen Zielen steht. Die Transparenz der Kosten – sowohl meiner eigenen als auch derjenigen des Providers – halte ich für wichtig. Eine Open- Book-Policy schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch effizienter, weil beide Seiten wissen, welche Hebel sie ansetzen können.“
Ralf Stalinski, Cognis: Akzeptanz beim User schaffen
„Wer auslagert, sollte im Vorfeld eine Art Inventur machen, um einen Überblick darüber zu haben, welche Services in den einzelnen Ländern erbracht werden. Erschwert wird Outsourcing vor allem durch die Kluft zwischen der User-Akzeptanz und der Erwartung des Managements. Es ist ja kein Geheimnis, dass Endanwender eine Standardisierung zunächst als Einschränkung empfinden. Hier ist die interne Kommunikation gefordert, die Belegschaft muss die Vorteile der Maßnahmen nachvollziehen können. “
Walter Friedl, Vistec: Know-how auf Augenhöhe
„Meine goldene Regel lautet: Auf Kundenseite muss es eine Instanz mit mindestens gleichem Know-how geben wie auf der Provider-Seite. Ich habe dafür einen IT-Service-Delivery-Manager für alle Infrastrukturthemen und eine SAP-Managerin für die Applikationen abgestellt. Beide sind dafür zuständig, dass der eingekaufte Service bei unseren Anwendern verlässlich und in guter Qualität ankommt.“
Dirk Ostermann, RAG: Prozesse zerschlagen
„Ganz wichtig: Sie müssen Prozesse zerschlagen. Sowohl im Eigenbetrieb als auch bei einer internen Auslagerung in eine Tochtergesellschaft schwingen sich Abläufe und Kommunikationswege zwischen Nutzer und IT ein, die nicht immer effizient sind. Die Lethargie und die Das-habenwir- schon-immer-so-gemacht-Einstellung müssen Sie durchbrechen. In dieser Phase ist Führung durch Kommunikation gefragt, denn für alle Betroffenen ändert sich viel.“
Carsten Stockmann, Mayflower: Beziehung weiterentwickeln
„Outsourcing ist ein Prozess, den man permanent weiterentwickeln sollte. Das Mühsame und Qualvolle besteht dann darin, die Beziehung so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich Vorteile bringt. Das heißt, es geht nicht mehr um die Technik – die hat man ja ausgelagert –, sondern darum, Verbesserungen auf der Geschäftsprozess-Ebene zu erreichen.“
Udo Haarhaus, Dynamit Nobel: Ziele müssen klar sein
„Man muss sich als Auftraggeber über seine Outsourcing-Ziele im Klaren sein. Der Anbieter will das Projekt natürlich unbedingt an Land ziehen. Der Anwender will in der Regel seine Kosten senken. Da herrscht auf beiden Seiten eine gewisse Gier. Aber wenn der Auftraggeber nicht exakt hinterfragt, wie und wo sein Provider die Einsparungen erzielen will, gehen die Partner leicht von unterschiedlichen Annahmen aus.“
Martin Limpert, Preh GmbH: Hoheit über Prozesswissen sichern
„Die wichtigste Motivation für unsere Outsourcing- Aktivitäten war die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Hohe Anforderungen etwa an die 7x24- Stunden-Verfügbarkeit der SAP-Systeme können wir intern nicht gewährleisten. Damit wir den reibungslosen IT-Betrieb für unsere Fachabteilungen sicherstellen können, haben wir die Hoheit über das Prozesswissen und das SAP-Wissen im Hause behalten.“

Der Autonomie der Landesgesellschaften steht häufig eine personell und finanziell sparsam ausgestattete und schwache zentrale IT-Organisation gegenüber. Eine unternehmensweite effiziente IT mit Prozess- und Technologiestandards, Sicherheit sowie Transparenz lässt sich so kaum umsetzen. Kennzeichnend für das dezentrale Modell sind gewachsene, stark heterogene und tendenziell riskante IT-Strukturen. Die Kostenbetrachtung fällt ambivalent aus. In Niedriglohnländern sind beispielsweise Netzservices und Entwicklungsleistungen vor Ort günstig verfügbar. Allerdings können die Organisationen beispielsweise keine Mengenrabatte beim Einkauf ausschöpfen.

Die Praxis zeigt einen Trend zum zentralen Modell (siehe nächste Seite).

Zentral: Einheitlich, transparent und günstig

Hauptkennzeichen des zentralen Modells ist eine unternehmensweit verantwortete und gesteuerte IT, in der wichtige Services konsequent global betrieben werden. Beispiele dafür sind der User Helpdesk, ERP- und Mail-Dienste, Datensicherung und Backup. Das Firmen-WAN bietet einen zentralen Zugang ins Internet inklusive Security-Services. Diese Dienste lagern Unternehmen heute immer häufiger aus. Andere Aufgaben wie IT-Einkauf, Asset- und Lizenz-Management, IT-Security sowie IT-Strategie und -Controlling bleiben aus guten Gründen intern.

Zufriedenheit mit dem Outsourcing
Ein Dutzend mal Begeisterung
An der Kundenzufriedenheitsstudie der Hochschule Aschaffenburg nahmen 70 IT-Manager teil. Darunter zeigten sich zwölf Teilnehmer sehr zufrieden mit ihrem Partner. Bei den Anwendern vermuten sie allerdings eine geringere Zustimmung.
Die wichtigsten Zufriedenheitsmerkmale
Das sind die elf Merkmale, die den größten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit haben.
Kaum veränderte Zufriedenheitswerte
Der Mittelwert von 2,2 liegt in etwa auf Höhe der Studie von 2007.
Was den IT-Chefs gefällt
Den IT-Verantwortlichen gefallen Einhaltung der SLAs und Zuverlässigkeit - Dinge also, die ihnen das Leben leichter machen.
Innovation - nicht so wichtig!
Beratungs- und Innovationsleistungen der Dienstleister lassen zu wünschen übrig - aber CIOs erwarten hier auch nicht viel von Outsourcing-Providern.
Zuverlässigkeit und SLAs - sehr wichtig!
Zuverlässigkeit, SLAs und Kosten haben für IT-Entscheider Vorrang.
Die Kosten sind nie optimal
Auffällig: Die Kosten sind den CIOs am drittwichtigsten, in der Zufriedenheit liegen sie aber nur auf dem 5. Rang.
Immer Ärger mit dem externen Helpdesk
Die Auslagerung des Helpdesks macht IT-Verantwortlichen den meisten Kummer. Wer alles auslagert, ist am zufriedensten - scheinbar, denn die Basis der Befragten reicht für solche Rückschlüsse eigentlich nicht aus.
Zufriedenheit in Abhängigkeit von der Outsourcing-Leistung.
Die Zahlen in den Balken entsprechen den CIOs, die mitgemacht haben. Mit anderen Worten: Für Komplett-Outsourcing und BPO reichen die Teilnehmer nicht aus. Die Hochschule wird die Studie deshalb bis zum Jahresende fortführen, um auch hier valide Aussagen treffen zu können.
Gute Partnerschaft hat Vorrang
Von zwölf CIOs, die angaben "sehr zufrieden" zu sein, sagten elf, sie pflegten ein gutes partnerschaftliches Verhältnis. Acht sind mit der Flexibilität des Partners bei Veränderungswünschen hochzufrieden etc.
Anwender wollen Gesprächspartner
Bei den so genannten "Soft Facts" liegen das partnerschaftliche Verhältnis und die offene Kommunikation weit oben in der Gunst der CIOs.
Welche Vorteile sich de facto einstellten
Kostentransparenz und Besinnung auf das Kerngeschäft sind die beiden echten Vorteile, die CIOs ausmachen. Die Grafik zeigt eine Gegenüberstellung der Bedeutung einzelner Aspekte und des vom Dienstleister realisierten Erfüllungsgrads.
Ein Drittel ist rundum glücklich
Knapp ein Drittel der Befragten sehen ihre Ziele zu 100 Prozent erreicht, rund 56 Prozent immer noch zu 75 Prozent.

Aufgaben wie File-, Print- und Field-Services (Desktops, Notebooks, Peripherie) werden in der Regel an den Standorten betrieben, um die sich - sofern es keinen weltweiten Dienstleistungsvertrag gibt - kleinere Anbieter vor Ort kümmern. Das zentrale Modell basiert auf einheitlichen Strukturen und Prozessen. Die IT ist transparent, steuerbar und wirtschaftlich günstig. Das zentrale Modell ist Basis für ein erfolgreiches Outsourcing-Vorhaben.

Der Weg vom dezentrale zum zentralen Modell geht über das Mix-Modell (siehe nächste Seite).

Mix-Modell: Die Übergangsphase

Das Mix-Modell entsteht typischerweise in der Übergangsphase vom dezentralen zum zentralen Modell. Je nach Ausprägungsschwerpunkt überwiegen dann bestimmte Vor- beziehungsweise Nachteile. Den Unternehmen, mittelständischen ebenso wie großen, fällt der Übergang nicht leicht. Die Transformation bedarf eines klugen Konzepts sowie eines erfahrenen Projekt-Managements. Sie ist oft schwierig, teuer und riskant. Zudem sind Änderungen in der Organisation sowie in der Arbeitsweise betroffener Mitarbeiter unausweichlich. Die Entscheidung "Make or Buy?" muss sich an der Frage orientieren: Können die nachweislichen Anforderungen durch passende Outsourcing-Services kostengünstiger und hochwertiger erfüllt werden? Eine Bedarfsdefinition, die sich allein an den im Markt verfügbaren paketierten Services orientiert, ist selten zielführend. (jha)