Die Computerclub-Wolfgangs

Löten gegen den Fachkräftemangel

30.10.2008 von Simon Hülsbömer
Wolfgang Rudolph und Wolfgang Back sind waschechte IT-Pioniere. Gemeinsam moderierten sie jahrzehntelang den WDR Computerclub, der jetzt als "CCzwei" im Web seine Wiederauferstehung feiert.

CW: Graue Panther und komplexe Technik - wie passt das zusammen?

RUDOLPH: Wir haben viele Zuschauer und Zuhörer, die 50, 60, 70 Jahre alt sind. Die sagen sich: Jetzt gehe ich in Rente, jetzt kaufe ich mir einen Computer und fange wieder an zu basteln, jetzt packe ich den Lötkolben aus. Die Gruppe dieser Grauen Panther wird immer größer. Ich finde es super, dass es immer mehr ältere Mitmenschen gibt, die ihre eigene Website machen, sich mit Computern beschäftigen und die Technik selbst wieder in die Hand nehmen - Männer wie Frauen. Der "Technik-Opa", der keine Berührungsängste hat, ist auch ein Weg gegen das ständige Wehklagen über den Fachkräftemangel. Wir müssen wieder dahinkommen, dass der Großvater seinen Enkeln die Technik erklärt und sein wertvolles Wissen weitergibt, nicht umgekehrt.

BACK: Das klingt so, als würde unsere Zuhörerschaft nur aus älteren Semestern bestehen. Die gibt es natürlich in großer Zahl. Doch wir konnten mit der Sendung im Internet den Spagat schaffen und neue junge Zuhörer gewinnen. Wir bekamen schon E-Mails von 13-Jährigen, die unsere Sendung ganz toll finden. Mein alter Arbeitgeben WDR wäre froh, wenn er eine solche demographische Entwicklung hätte.

CW: Wie kam es zum Comeback, nachdem der WDR Sie 2003 abgesetzt hatte?

RUDOLPH: In den folgenden Jahren sind wir von Sender zu Sender gereist, um unser Format woanders unterzubringen. Alle hatten Interesse, aber alle wollten nur Schickimicki oder Klickibunti - schön verpackte Sendungen ohne Informationsgehalt. Im Juli 2006 sind Wolfgang Back und Manfred Kloiber, unser Mann im Hintergrund, dann von einem Termin bei der Telekom zurückgekommen und haben mich noch vom Auto aus angerufen und gefragt, ob wir das Ganze nicht einfach selbst in die Hand nehmen wollten. Das war mittwochs; am nächsten Montag haben wir schon den ersten Audiocast fürs Web produziert. Ohne große Ankündigung hatten wir damit gleich 115 000 Downloads am nächsten Tag. Ein Jahr später sind wir dann zu NRW.TV gekommen, wo wir nun jeden vorletzten Donnerstag im Monat um 20.30 Uhr eine Stunde zusätzlich zu den wöchentlichen Audioproduktionen Fernsehen machen.

BACK: Diese 115.000 Downloads auf Anhieb waren nur möglich, weil wir über 22 Jahre hinweg unsere Stammzuschauer angesammelt hatten. Dann kam die Meldung bei "Heise online", dass die Wolfgangs wieder aktiv sind und es sprach sich rund wie ein Lauffeuer. Wir hatten noch keine eigene E-Mailadresse und keinen Internetauftritt, weil alles so schnell umgesetzt wurde. Dennoch meldeten sich viele Zuhörer auf unseren eigenen privaten Homepages und gratulierten uns spontan zu unserem Comeback. Da saß ich über mancher Mail und musste mir die Tränen wegwischen.

Der Druck ist weg

CW: Was ist heute anders als früher?

RUDOLPH: Wir sind spontaner und freier geworden. Die Quoten müssen nicht mehr stimmen, wie es noch beim WDR der Fall war. Der Witz ist: Wir haben jeden Monat allein über unseren Web-Livestream bis zu 30.000 Zuschauer, mit allen späteren On-Demand-Abrufen erreichen wir knapp 150.000 Interessenten monatlich - das ist das Doppelte bis Dreifache dessen, was wir beim WDR an Zuschauern hatten. Unsere wöchentlichen halbstündigen Audiocasts wollen pro Monat insgesamt 1,4 Millionen Menschen hören.

CW: Wer zahlt das?

RUDOLPH: Wir tragen die Produktionskosten selbst. Keiner hat einen finanziellen Gewinn dadurch, aber es macht uns unheimlich Spaß.

BACK: Na, ganz so mager ist die Ausbeute nun doch nicht. Von Zeit zu Zeit ist Werbung vor den Audiocast geschaltet. Das bringt ein wenig Geld ein. Dann sind die Spenden nicht zu vergessen. Zwei Zuhörer überweisen uns sogar monatlich eine Spende in der Höhe der GEZ-Gebühren.

CW: Trägt Ihre Fanpost zum Spaß bei?

BACK: Die ist nach wie vor ein Phänomen. Im Jahre 1985 gründeten wir einen Club mit persönlicher Mitgliedskarte. Da stand der Name drauf und eine Mitgliedsnummer. Wenn wir heute über die CeBIT schlendern, dann kommen immer wieder gestandene Mannsbilder vom Stand auf uns zu gelaufen, öffnen ihr Portemonnaie und zeigen voller Stolz ihre alte Mitgliedskarte. Und sie deuten auf die kleine Mitgliedsnummer hin: "Ich war einer der ersten!"

RUDOLPH: Ich erhalte pro Woche um die 100 Zuschauer-Mails, vom wissbegierigen zwölfjährigen Schüler bis zum 80-jährigen Rentner. Viele unserer Zuschauer im "mittleren Alter" haben wir in den Beruf hineinbegleitet. Ab und zu lesen wir sogar den Satz: "Heute bin ich Professor für Informatik und Ihr seid schuld".

Rock and Roll

CW: Was treibt Sie nach all den Jahren noch an?

BACK: Vor allem habe ich erkannt, dass es eine solche "Ware", wie wir sie anbieten, auf dem Medienmarkt nicht gibt. Meistens versucht man es allen recht zu machen und kommt damit in der Sache keinen Schritt weiter. Man muss auch den Mut aufbringen, etwas auszuarbeiten, das andere niemals angehen würden. Das macht Spaß, und wenn sich der Erfolg einstellt, hat man doppelt gewonnen.

RUDOLPH: Wir wollen den Leuten Technik und Computer auf eine Art erklären, die jeder verstehen kann - ohne großes Fachgeschwätz. Die Information ist wichtiger als die Verpackung.

CW: Haben Sie nie daran gedacht, eine Band namens "Wolfgang und Wolfgang" zu gründen?

RUDOLPH: Ich würde mich viel lieber irgendwo in die Natur an einen plätschernden Bach setzen als Wolfgang Back singen hören.

BACK: Lieber Kollege Rudolph, auch wenn ich nicht singen kann, so bin ich nicht ganz unmusikalisch. Immerhin habe ich 1 Terabyte an MP3-Musik. Das sind über 150.000 Titel, die ununterbrochen 1,28 Jahre hintereinander und ohne Moderation Tag und Nacht dudeln würden…