Nicht nur Anwender, die erstmals über den Einsatz von SAP-Software nachdenken, stellt das Thema Lizenz-Management vor große Herausforderungen. Auch Unternehmen, die seit vielen Jahren gute Geschäftsbeziehungen zu dem Softwareanbieter unterhalten, finden sich heute in den SAP-Lizenzmodellen und immer komplexer werdenden Pricing-Strategien kaum noch zurecht. Viele Kunden fühlen sich in den Verhandlungen mit der SAP wie auf einem türkischen Basar. Doch die Unsicherheiten enden meist nicht mit der Unterzeichnung des Lizenzvertrags. Denn dann gilt es, die Inhalte der Verträge auf den eigenen Systemen abzubilden und jährliche Vermessungen vorzunehmen, die zusätzliche Risiken bergen.
Named User bleiben gesetzt
Die bekannteste Lizenzierungsstrategie der SAP im ERP-Umfeld basiert auf einem Named-User-Konzept und zusätzlichen, volumenabhängigen Lizenzen, den sogenannten Engines oder auch Enterprise Extensions. Darüber hinaus sind zusätzlich zur ERP-Lizenzierung in den vergangenen Jahren viele weitere Lizenzkategorien hinzugekommen. Dies hängt nicht zuletzt mit Zukäufen wie von Business Objects oder Sybase zusammen. Zudem nehmen auch die aktuellen Trends zu Cloud Computing und Mobility starken Einfluss auf die Entwicklung der Preisliste und die Lizenzformen.
Nach wie vor existieren immer noch die alten Bekannten unter den User-Kategorien mit ihren mehr oder weniger konkreten Beschreibungen. Und nach wie vor bildet die Verwaltung der User die große Herausforderung für die Unternehmen. Denn deren Zahl stellt meist die maßgebliche Kenngröße dar, die auch bei den Vermessungen überprüft wird.
Die Preisliste beschreibt beispielsweise folgende Lizenztypen:
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Developer: Ist berechtigt, die bereitgestellten Entwicklungswerkzeuge zur Modifizierung der Software zu nutzen.
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Professional: Ist berechtigt, unterstützte operative und Systemverwaltungs- oder Management-Rollen auszuführen.
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Limited Professional: Ist berechtigt, unterstützte, eingeschränkte operative Rollen auszuführen.
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Employee: Ist berechtigt, zu eigenen Zwecken einzelne unterstützte Rollen auszuführen. Dazu gehören das Verwenden von Berichten oder Self-Services im Bereich der Reiseplanung oder des Procurements.
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Employee Self-Service (ESS): Ist berechtigt, im Bereich HR eine Self-Services-Rolle für Zeit- und Anwesenheitserfassung auszuführen.
Neue Funktion - neue Lizenz
Im Bereich der volumenabhängigen ERP-Lizenzierung stehen die SAP-Anwender vor nicht geringeren Herausforderungen. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Funktionen eingekauften Produkte sind ständigen Veränderungen unterworfen und wurden im Lauf der Jahre häufig sogar in verschiedene weitere Produkte unterteilt.
Das hat wiederum zur Folge, dass plötzlich andere Namensgebungen existieren und man das im Kaufvertrag definierte Produkt in der Preisliste nicht wiederfindet. Nicht selten kommt es in diesem Bereich vor, dass der SAP-Kunde aufgefordert wird, weitere Lizenzen zu erwerben, da die genutzte Funktionalität nun nicht mehr in der alten Lizenz enthalten ist. Bei den volumenabhängigen Lizenzen finden sich unter anderem diese Metriken:
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Master Records (Stammsätze) stellen ein Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmen und einem Mitarbeiter dar, dessen Lohn oder Gehalt berechnet wird.
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Orders per Year (Aufträge pro Jahr) ist die Gesamtzahl der extern angelegten Kundenaufträge und Serviceaufträge oder Bestellungen, die pro Jahr verarbeitet werden.
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Active Customers/Vendors (aktive Kunden/Lieferanten) sind aktive Geschäftspartner-Stammsätze mit Finanztransaktionsdaten innerhalb der letzten zwei Jahre.
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Service Transactions (Servicevorgänge) sind die Gesamtzahl der jährlichen Tickets/Fälle, Beschwerden, Vorfälle, Serviceverträge, Garantieansprüche und Serviceaufträge pro Fachbereich zur Unterstützung der Geschäftsprozesse.
Effiziente SAP-Infrastruktur
Schaut man bei Unternehmen verschiedener Branchen in die Lizenzverträge, so liegt gerade in der Industrie und im Handel ein großer Anteil der Kosten im Bereich der Named-User-Lizenzen. Allerdings liefern die Verträge nur die kaufmännische Sicht. Viel wichtiger ist der technische Blick auf die Systeme. Nur durch diese Sichtweise erhält ein Unternehmen das elementar wichtige Wissen, was von den gekauften Lizenzen tatsächlich genutzt wird. Denn SAP-Kunden räumen ihrem Softwarelieferanten mit Abschluss des Lizenzvertrags das Recht ein, die Systeme regelmäßig zu vermessen.
Komplexe Systeme erschweren das Lizenz-Management
Lizenz-Management lohnt sich für jedes Unternehmen. Denn jeder Euro Investition in eine SAP-Lizenz zieht letztendlich auch Wartungsgebühren nach sich. Gerade deshalb ist bei der Inventarisierung und Verwaltung der bestehenden Lizenzen besonders darauf zu achten, Nachkäufe so gut wie möglich zu vermeiden. Ob für das Lizenz-Management ein komplexes Projekt mit externer Software oder großer Eigenentwicklung notwendig ist, hängt von der Komplexität der Systemlandschaft und der Zahl der Lizenzen ab.
• Wer beispielsweise nur ein SAP-System mit einer kleinen Zahl von Anwendern im Einsatz hat, kennt diese meist namentlich und kann sich mit Hilfe eigenen Wissens oder in Excel geführter Übersichten über die fehlende Funktionalität der im SAP-Standard angebotenen Vermessungstransaktionen hinweghelfen.
• Für mehrere SAP-Systeme mit einigen hundert Nutzern reicht dies jedoch nicht aus. In solchen Umgebungen wird der Bestand an Lizenzen schnell unübersichtlich. Eine vollständig fehlerfreie Klassifizierung und Konsolidierung der Lizenzen ist fast unmöglich. Dies wieder- um kann ungewollte und teilweise sehr hohe Kosten sowie steigende Wartungsgebühren nach sich ziehen. An dieser Stelle helfen Tools verschiedener Anbieter.
Und wird erst im Rahmen einer solchen Systemvermessung festgestellt, dass die ermittelte Zahl an Lizenztypen nicht mit dem SAP-Vertrag übereinstimmt und beispielsweise mehr Benutzer als geplant Zugriff auf SAP-Systeme haben, können böse Überraschungen die Folge sein. SAP-Kunden, die auf Knopfdruck genau ermitteln und belegen können, was in welchem Umfang im Unternehmen genutzt wird, vermeiden wesentlich mehr Nachkäufe oder unnötige Wartungszahlungen: Sie sind in einer deutlich besseren Verhandlungsposition gegenüber der SAP.
Die Tücken der SAP-Lizenzierung
Nicht immer stimmen die Vermessungsergebnisse mit den vertraglich vereinbarten Bedingungen des SAP-Kunden überein. Ein Grund hierfür ist, dass die Funktionalitäten der Vermessungstransaktionen, die im SAP-Standard angeboten werden, nicht ausreichen, um sämtliche Vereinbarungen auf den Systemen abzubilden. Deshalb ist es nötig, sie manuell, mit eigenen Reports oder mit Hilfe von externen Tools zu verwalten.
Gerade im Bereich der Konsolidierung über mehrere Systeme hinweg bedeutet dies im Rahmen der Vorbereitung der SAP-Vermessung für den Lizenz-Manager viele Wochen und bei komplexeren Landschaften sogar monatelangen Aufwand und birgt große Fehlerquellen.
Achten Sie auf eine richtige Systemvermessung:
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Steuerung der Anzahl der zu zahlenden Lizenzen durch User-Konsolidierung sowie Überprüfung der User-Gültigkeit.
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Durchgängige Klassifizierung: Ist der richtige Lizenztyp zugeordnet, oder würde auch eine niedrigere Kategorie passen? Haben die User überhaupt einen Lizenztyp zugeordnet bekommen? Sind technische Standard- oder Test-User berücksichtigt? Keine Zuordnung bedeutet bei der Vermessung automatisch die teure Kategorie.
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Es wird nicht erkannt, welche Engines/Applications tatsächlich in welchem Umfang genutzt werden. Vertraglich ist eine andere Metrik definiert, wie am System vermessen wird, oder die Engine wird gar nicht vermessen.
Fazit
Gerade bei SAP-Produkten entsteht eine gewisse Abhängigkeit vom Hersteller. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine komplexe Anwendung wie ein Warenwirtschaftssystem nicht einfach mal eben ausgetauscht wird.
Ist der Vertrag erst einmal abgeschlossen, sind die Lizenzen im Bestand, und die Wartungszahlungen laufen auf viele Jahre. Anders als bei anderen Herstellern wird diese Basis nicht alle drei Jahre neu verhandelt. SAPLizenzen und -Wartung stellen meist einen großen Kostenblock dar. Aufgrund fehlender Alternativen gehen die Anwender ein erhebliches Risiko ein. Dessen sind sich auch die Walldorfer bewusst. Mit neuen Produkten und hohen Rabatten werden die Kunden gelockt, sich schon lange vor der Implementierung die vermeintlich besten Konditionen zu sichern und die Lizenzen vorab zu erwerben.
Allerdings besteht dabei das Risiko, dass diese Lizenzen oft erst viel später als geplant oder eventuell gar nicht zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sind die neuen Produkte in später veröffentlichten Preis-listen manchmal sogar günstiger. Wer seine SAP-Lizenzen und die damit verbundenen Kosten im Griff haben möchte, sollte sich intensiv mit dem Lizenz-Management beschäftigen. Er ist gut beraten, Software erst dann zu erwerben, wenn er sie wirklich benötigt, und nur das zu lizenzieren, was tatsächlich genutzt wird. (mhr)