Die Vermessung der SAP-Welt

Lizenzmodelle bei SAP

01.08.2012 von Heike Riesterer
Wenn die SAP-Vermesser anklopfen, haben Lizenzverantwortliche meist keine ruhige Minute mehr. Im Vorteil sind die Manager, die hieb- und stichfest belegen können, wie viele User die Business-Software nutzen.

Nicht nur Anwender, die erstmals über den Einsatz von SAP-Software nachdenken, stellt das Thema Lizenz-Management vor große Herausforderungen. Auch Unternehmen, die seit vielen Jahren gute Geschäftsbeziehungen zu dem Softwareanbieter unterhalten, finden sich heute in den SAP-Lizenzmodellen und immer komplexer werdenden Pricing-Strategien kaum noch zurecht. Viele Kunden fühlen sich in den Verhandlungen mit der SAP wie auf einem türkischen Basar. Doch die Unsicherheiten enden meist nicht mit der Unterzeichnung des Lizenzvertrags. Denn dann gilt es, die Inhalte der Verträge auf den eigenen Systemen abzubilden und jährliche Vermessungen vorzunehmen, die zusätzliche Risiken bergen.

Zehn Tipps zum Umgang mit Lizenzen
Alles zum Lizenz-Management
Zu viele Lizenzen kosten unnötig Geld, zu wenige bringen juristischen Ärger. Das ewige Kreuz mit dem Lizenz-Management.
1. Bestimmen Sie einen Verantwortlichen
Der erste Schritt zu einem funktionierenden Lizenz-Management ist nicht der Kauf eines entsprechenden Werkzeugs, gibt Aagon zu bedenken. Viel wichtiger sei es, einen verantwortlichen und verantwortungsbewussten Lizenz-Manager zu berufen, der die notwendigen Prozesse im Unternehmen etabliert, laufend überprüft und - in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung - anpasst.
2. Konsolidieren Sie Ihre Software
Je weniger vielfältig die Softwareprogramme in einem Unternehmen, desto einfacher das Management der jeweiligen Lizenzen. Selbstverständlich dürfe die Konsolidierung nicht zu Lasten der Produktivität gehen, warnt Aagon. Doch allein die Beschränkung beispielsweise auf ein PDF-Tool erspare der Systemadministration und dem Support schon viel Arbeit.
3. Zentralisieren Sie die Beschaffung
Software sollte im Unternehmen grundsätzlich von einer zentralen Stelle aus beschafft werden, empfiehlt Aagon. So könne sie auch nicht über Umwege wie Spesenabrechnungen in das Unternehmen gelangen. Zudem habe nur ein zentraler Software-Beschaffer die Möglichkeit, zu prüfen, ob dafür noch freie Lizenzen im vorhanden sind oder ob eventuell auch eine alternative Software in Frage kommt. Unnötig zu erwähnen, dass Verwaltung und Kontrolle der Lizenznachweise und Datenträger auf diese Weise deutlich vereinfacht werden.
4. Achten Sie auf korrekte Lizenzierung
Die hohe Kunst besteht darin, die für die jeweilige Unternehmenssituation beste Lizenzform zu wählen. Das sei nicht immer die mit dem günstigsten Preis, mahnt Aagon - und nennt dazu ein Beispiel: Bei Microsoft Office- seien manche Unternehmen versucht, statt einer Volumenlizen die günstigeren Home&Business-Lizenzen zu kaufen.
5. Integrieren Sie das Lizenz- in das Client-Management
Zu einem einheitlichen Prozess für die Beschaffung gehört auch ein zentral gesteuerter Prozess für die Installation. Der lässt sich am besten mit einem professionellen Client-Management-System (CMS) umsetzen. Dessen Inventarisierungsfunktion liefert regelmäßig aktuelle Daten über jede im Unternehmen installierte Software, die das Lizenz-Management dann in Form einer Lizenzbilanz oder eines Compliance-Checks mit den hinterlegten Lizenzpaketen abgleichen kann.
6. Weisen Sie Open-Source- und Gebrauchtsoftware gesondert aus
Der Einsatz von Open-Source-Software oder Shareware in Unternehmen kann durchaus kostenpflichtig sein. Unternehmen, die beispielsweise die Datenbank MySQL einsetzen, vergessen häufig, dass hierfür im kommerziellen Umfeld eine Lizenzpflicht besteht. Der Lizenz-Manager muss deshalb auch die Lizenzbedingungen von Open-Source-Software prüfen und ausweisen. Ähnliches gilt für gebrauchte Software: Auch hier empfiehlt es sich, die Lizenzen gesondert auszuweisen - zumal die Rechtslage noch unklar ist. So lässt sich das Risiko einer potentiellen Nachlizenzierung besser bewerten.
7. Bewahren Sie Lizenznachweise und Datenträger sicher auf
Im Büro des Anwenders oder gar in dessen Home Office haben Lizenznachweise und Datenträger nichts verloren, konstatiert Aagon. Alle mit einer Lizenz verbundenen Unterlagen sollten zentral und an einem sicheren, feuergeschützten Ort aufbewahrt werden, zu dem nur autorisierte Personen Zugang haben.
8. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter
Jedem muss klar sein, dass und warum Lizenz-Management für das Unternehmen, also auch für seinen eigenen Job wichtig ist. Eigentlich sollte dieses Wissen per se verhindern, dass Mitarbeiter selbst Software mitbringen und auf ihren Rechnern installieren - wofür das Unternehmen gegebenenfalls haftet. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Unternehmenswert Softwarelizenzen muss aber auch "von oben" gelebt werden.
9. Schließen Sie Betriebs- und Mitarbeitervereinbarung
Aagon rät jedem Unternehmen, eine Betriebsvereinbarung und/oder Mitarbeitervereinbarung für die private Nutzung des Arbeitsplatz-PCs und des Internet abzuschließen. Augrund der aktuellen Rechtslage in Deutschland hält die Unternehmensberatung eine unpopuläre Maßnahme für sinnvoll: Die private Nutzung des PCs und des Internets sollte strikt untersagt sein.
10. Lassen Sie Ihren Lizenzstatus zertifizieren
Wer sein Lizenz-Management allein oder mit Hilfe eines Partners in Ordnung gebracht hat, kann sich dessen Korrektheit von den großen Softwareherstellern zertifizieren lassen. Beispielsweise bestätigt ein Zertifikat von Microsoft, dass aus Sicht des Herstellers das Lizenz-Management des Kunden effektiv aufgestellt und das Unternehmen korrekt lizenziert ist. Mit einem solchen Zertifikat ist der Kunde dann für ein Jahr vor Lizenz-Audits des ausstellenden Anbieters sicher.

Named User bleiben gesetzt

Die bekannteste Lizenzierungsstrategie der SAP im ERP-Umfeld basiert auf einem Named-User-Konzept und zusätzlichen, volumenabhängigen Lizenzen, den sogenannten Engines oder auch Enterprise Extensions. Darüber hinaus sind zusätzlich zur ERP-Lizenzierung in den vergangenen Jahren viele weitere Lizenzkategorien hinzugekommen. Dies hängt nicht zuletzt mit Zukäufen wie von Business Objects oder Sybase zusammen. Zudem nehmen auch die aktuellen Trends zu Cloud Computing und Mobility starken Einfluss auf die Entwicklung der Preisliste und die Lizenzformen.

Foto: April Cat, Fotolia.de

Nach wie vor existieren immer noch die alten Bekannten unter den User-Kategorien mit ihren mehr oder weniger konkreten Beschreibungen. Und nach wie vor bildet die Verwaltung der User die große Herausforderung für die Unternehmen. Denn deren Zahl stellt meist die maßgebliche Kenngröße dar, die auch bei den Vermessungen überprüft wird.

Die Preisliste beschreibt beispielsweise folgende Lizenztypen:

Neue Funktion - neue Lizenz

Foto: SAP

Im Bereich der volumenabhängigen ERP-Lizenzierung stehen die SAP-Anwender vor nicht geringeren Herausforderungen. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Funktionen eingekauften Produkte sind ständigen Veränderungen unterworfen und wurden im Lauf der Jahre häufig sogar in verschiedene weitere Produkte unterteilt.

Das hat wiederum zur Folge, dass plötzlich andere Namensgebungen existieren und man das im Kaufvertrag definierte Produkt in der Preisliste nicht wiederfindet. Nicht selten kommt es in diesem Bereich vor, dass der SAP-Kunde aufgefordert wird, weitere Lizenzen zu erwerben, da die genutzte Funktionalität nun nicht mehr in der alten Lizenz enthalten ist. Bei den volumenabhängigen Lizenzen finden sich unter anderem diese Metriken:

Effiziente SAP-Infrastruktur

Schaut man bei Unternehmen verschiedener Branchen in die Lizenzverträge, so liegt gerade in der Industrie und im Handel ein großer Anteil der Kosten im Bereich der Named-User-Lizenzen. Allerdings liefern die Verträge nur die kaufmännische Sicht. Viel wichtiger ist der technische Blick auf die Systeme. Nur durch diese Sichtweise erhält ein Unternehmen das elementar wichtige Wissen, was von den gekauften Lizenzen tatsächlich genutzt wird. Denn SAP-Kunden räumen ihrem Softwarelieferanten mit Abschluss des Lizenzvertrags das Recht ein, die Systeme regelmäßig zu vermessen.

So finden Sie den idealen SAP-Hosting-Provider
So finden Sie den idealen SAP-Hosting-Provider
SAP-Hosting-Provider gibt es im deutschen Markt viele. Wie lässt sich der richtige Partner finden? Eine Checkliste kann bei der Auswahl helfen.
Offene Fragen im Vorfeld mit dem Provider klären
Karsten Leclerque, Principal Consultant Outsourcing & Cloud bei PAC empfiehlt, im Vorfeld des Vertrags mit den Anbietern folgende Fragen zu klären:
Know-how
Hat der Provider ausreichende Kenntnisse, Erfahrung und Ressourcen vorzuweisen - sowohl für das Infrastruktur- als auch speziell das SAP-System-Management und den Support?
Portfolio
Deckt das Portfolio des Providers wirklich alle für Sie als Kunden relevanten Services ab, oder ist der Anbieter seinerseits auf Partner angewiesen?
Zertifizierungen
Verfügt das Unternehmen über die grundlegenden Zertifizierungen, etwa zu Service- und Qualitäts-Management, Sicherheit und Compliance-Standards? Ist es durch SAP selbst zertifiziert?
Ressourcen und Skills
Hat der Provider die notwendigen Ressourcen und Skills für Projekte oder das Application- Management an der Hand - und zwar auch für den Fall, dass zu einem späteren Zeitpunkt neben dem reinen Hosting weitere Teile der SAP-Betreuung ausgelagert werden sollen?
Branchenkenntnisse
Besitzt der Provider die notwendigen Branchen- und Prozesskenntnisse, die für das Kundenunternehmen wichtig sind?
Referenzen
Kann der Provider dem Kunden ähnliche Referenzen nachweisen, etwa in Bezug auf die eigene Branche oder Größe? Wie nachhaltig sind diese Kundenbeziehungen des Anbieters?
Kunde-Anbieter-Beziehung
Wie wichtig sind Sie als Kunde für den Provider? Können Sie sich darauf verlassen, dass er sich auf Sie einstellt und Ihnen den Service, die Qualität, aber auch die Flexibilität bietet, die Sie erwarten? Die "Augenhöhe" zwischen Kunde und Provider ist ein entscheidender Faktor.
Internationalität
Kann der Dienstleister auch Ihre geografische und gegegebenenfalls internationale Präsenz in seinen Delivery-Strukturen und seinem Support abbilden - inklusive der notwendigen Sprachen?
Personalübernahme
Falls das relevant sein sollte: Ist der Provider bereit, möglicherweise Mitarbeiter zu übernehmen und zu integrieren?
Individuell oder Standard
Wie spezifisch sind Ihre Anforderungen eigentlich? Sind Sie bereit, eine Standardarchitektur zu akzeptieren, um Kosten zu sparen? Oder benötigen Sie auf jeden Fall eine individuelle Lösung? Und falls Letzteres: Bietet der Provider diese Option?
Kosteneffizienz
Kann der Dienstleister kosteneffiziente Produktionsstrukturen vorweisen, etwa Shared Services, eine standardisierte Hosting-Plattform, gegebenenfalls auch Servicemitarbeiter in preisgünstigen Regionen, beispielsweise in Osteuropa?
Skalierbarkeit
Bietet der Provider flexible Preis- und Abrechnungsmodelle sowie Skalierbarkeit der Ressourcen für den Fall kurzfristiger Nachfragespitzen (Stichwort "Cloud”)?
Innovationskraft
Bringt der Provider generell die notwendige Innovationskraft auf, um auch künftig Ihren Anforderungen zu genügen?
Beständigkeit
Können Sie sich auf Beständigkeit während der Vertragslaufzeit verlassen? Wie ist die finanzielle Situation des Providers? Ist er abhängig von einigen wenigen Großkunden? Ist eine Übernahme wahrscheinlich? Wie strategisch ist das Geschäftsfeld "SAP-Hosting" für ihn, wie wichtig der deutsche Markt? Und nicht zuletzt: Müssen Sie angesichts einer hohen Personalfluktuation mit häufig wechselnden Ansprechpartnern rechnen?

Komplexe Systeme erschweren das Lizenz-Management

Lizenz-Management lohnt sich für jedes Unternehmen. Denn jeder Euro Investition in eine SAP-Lizenz zieht letztendlich auch Wartungsgebühren nach sich. Gerade deshalb ist bei der Inventarisierung und Verwaltung der bestehenden Lizenzen besonders darauf zu achten, Nachkäufe so gut wie möglich zu vermeiden. Ob für das Lizenz-Management ein komplexes Projekt mit externer Software oder großer Eigenentwicklung notwendig ist, hängt von der Komplexität der Systemlandschaft und der Zahl der Lizenzen ab.

• Wer beispielsweise nur ein SAP-System mit einer kleinen Zahl von Anwendern im Einsatz hat, kennt diese meist namentlich und kann sich mit Hilfe eigenen Wissens oder in Excel geführter Übersichten über die fehlende Funktionalität der im SAP-Standard angebotenen Vermessungstransaktionen hinweghelfen.

• Für mehrere SAP-Systeme mit einigen hundert Nutzern reicht dies jedoch nicht aus. In solchen Umgebungen wird der Bestand an Lizenzen schnell unübersichtlich. Eine vollständig fehlerfreie Klassifizierung und Konsolidierung der Lizenzen ist fast unmöglich. Dies wieder- um kann ungewollte und teilweise sehr hohe Kosten sowie steigende Wartungsgebühren nach sich ziehen. An dieser Stelle helfen Tools verschiedener Anbieter.

Und wird erst im Rahmen einer solchen Systemvermessung festgestellt, dass die ermittelte Zahl an Lizenztypen nicht mit dem SAP-Vertrag übereinstimmt und beispielsweise mehr Benutzer als geplant Zugriff auf SAP-Systeme haben, können böse Überraschungen die Folge sein. SAP-Kunden, die auf Knopfdruck genau ermitteln und belegen können, was in welchem Umfang im Unternehmen genutzt wird, vermeiden wesentlich mehr Nachkäufe oder unnötige Wartungszahlungen: Sie sind in einer deutlich besseren Verhandlungsposition gegenüber der SAP.

Die Tücken der SAP-Lizenzierung

Nicht immer stimmen die Vermessungsergebnisse mit den vertraglich vereinbarten Bedingungen des SAP-Kunden überein. Ein Grund hierfür ist, dass die Funktionalitäten der Vermessungstransaktionen, die im SAP-Standard angeboten werden, nicht ausreichen, um sämtliche Vereinbarungen auf den Systemen abzubilden. Deshalb ist es nötig, sie manuell, mit eigenen Reports oder mit Hilfe von externen Tools zu verwalten.

Gerade im Bereich der Konsolidierung über mehrere Systeme hinweg bedeutet dies im Rahmen der Vorbereitung der SAP-Vermessung für den Lizenz-Manager viele Wochen und bei komplexeren Landschaften sogar monatelangen Aufwand und birgt große Fehlerquellen.

Achten Sie auf eine richtige Systemvermessung:

Fazit

Gerade bei SAP-Produkten entsteht eine gewisse Abhängigkeit vom Hersteller. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine komplexe Anwendung wie ein Warenwirtschaftssystem nicht einfach mal eben ausgetauscht wird.

Ist der Vertrag erst einmal abgeschlossen, sind die Lizenzen im Bestand, und die Wartungszahlungen laufen auf viele Jahre. Anders als bei anderen Herstellern wird diese Basis nicht alle drei Jahre neu verhandelt. SAPLizenzen und -Wartung stellen meist einen großen Kostenblock dar. Aufgrund fehlender Alternativen gehen die Anwender ein erhebliches Risiko ein. Dessen sind sich auch die Walldorfer bewusst. Mit neuen Produkten und hohen Rabatten werden die Kunden gelockt, sich schon lange vor der Implementierung die vermeintlich besten Konditionen zu sichern und die Lizenzen vorab zu erwerben.

Allerdings besteht dabei das Risiko, dass diese Lizenzen oft erst viel später als geplant oder eventuell gar nicht zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sind die neuen Produkte in später veröffentlichten Preis-listen manchmal sogar günstiger. Wer seine SAP-Lizenzen und die damit verbundenen Kosten im Griff haben möchte, sollte sich intensiv mit dem Lizenz-Management beschäftigen. Er ist gut beraten, Software erst dann zu erwerben, wenn er sie wirklich benötigt, und nur das zu lizenzieren, was tatsächlich genutzt wird. (mhr)