Learntech 2015

Lernen mit Videos

16.02.2015 von Ingrid  Weidner
Videotrainings sind noch lange nicht out und bereichern mehr denn je das Weiterbildungsangebot. Professionell gedrehte Clips können selbst komplizierte Programmierzusammenhänge mit bewegten Bildern gut erläutern.
Der Markt für Anbieter von Lernvideos hat sich professionalisiert. Die Filme werden mittlerweile mit hochkarätigen Dozenten gedreht, und auch die Technik lässt nichts zu wünschen übrig.
Foto: Pink University GmbH

Wer seine Krawatte mit einem perfekten Windsor-Knoten binden möchte, schaut einfach bei YouTube nach und lässt es sich erklären. Das ist heute selbstverständlich. Genau so selbstverständlich ist aber auch, Themen für Entwickler via Bewegtbild zu vermitteln. Sie faszinieren, lösen beim Betrachter Emotionen aus und selbst komplizierte Zusammenhänge lassen sich einfach darstellen. Dass sich Videos auch für die berufliche Weiterbildung eignen, wussten Pädagogen schon vor Jahrzehnten, als sie den Fernseher ins Klassenzimmer schoben.

Nun setzen Firmen verstärkt Videos als willkommene Ergänzung ihres E-Learning-Angebots ein. Kleine Lerneinheiten sowie ästhetisch und visuell ansprechende Lernprogramme motivieren Lernende besser, selbst dröge Inhalte wie Sicherheitsunterweisungen verwandeln sich so in einigermaßen erträgliche Pflichtlektionen.

Die 2011 in München gegründete "Pink University" setzt auf diesen Trend und dreht Videos mit professionellen Filmteams. Drehbuch, Kamera, Licht, Tontechnik und Schauspieler gehören ebenso zum Team wie Profis ihres Fachs, beispielsweise plaudert der Heidelberger Professor Lothar Seiwert über Zeit-Management. Zum Angebot zählen Führungs- und Management-Themen, Soft Skills, Software und Gesundheitslektionen. "Unsere Video-Trainings lassen sich vielseitig einsetzen. Kleinere Firmen nutzen sie zur Weiterbildung und sparen sich den Trainer, größere Unternehmen integrieren sie in ihre E-Learning-Bibliotheken", erläutert Wolfgang Hanfstein, Mitglied der Geschäftsführung der Pink University.

Frank Stefan Alì von der Trainingsakademie der E-Plus-Gruppe in Düsseldorf ist ein Anhänger des Lernens via Bewegtbild: "Wir ergänzen regelmäßig unsere klassischen Fach- und Methodentrainings mit Videos." E-Plus setzt seit 2007 E-Learning-Elemente in seinen Produkt- und Vertriebstrainings ein. "Für uns war das Medium Handy und digitale Lernmedien ein neuer Schub, denn damit erreichen wir mehr Mitarbeiter und können kleinere Lerneinheiten anbieten", ergänzt Alì. Der Trainer und Berater bildete sich an der Fernuniversität Hagen zum E-Trainer weiter. Dieses Wissen fließt jetzt in die Konzeption der Weiterbildungen ein.

Lernangebote für mobile Geräte

"Ein Training bei E-Plus muss verschiedene Elemente wie Interaktion, Fragen und Antworten, Videos oder ein Quiz enthalten. Außerdem sollten die Inhalte den Lernenden ansprechen und motivieren", sagt Alì. Viele Lerninhalte erarbeitet die E-Plus-Trainingsakademie, selbst Videos dreht das Team. Als Darsteller engagiert Alì Kollegen aus dem eigenen Unternehmen. "Die Mitarbeiter schätzen unsere selbst erstellten Angebote, denn der Wiedererkennungswert für sie ist hoch, die Inhalte kommen aus ihrem Arbeitsalltag und wir sprechen ihre Sprache." Das Team der Trainingsakademie produziert rund 20 bis 25 Videos pro Jahr und erstellt viele weitere Wissenseinheiten für das interne Lernportal.

E-Learning: Darauf sollte man achten
E-Mails, Fernseher und ...
... andere Aufmerksamkeitsfresser lenken ab. Am besten alle Störer ausschalten.
Lernort und -zeit ...
... sollten möglichst immer gleich sein. Eine Ritualisierung verkürzt und erleichtert die Eingewöhnung. Der Lerner ist schneller produktiv.
Prüfungsangst...
... schwächt sich ab, wenn Lerner glauben, den Stoff gut bewältigen zu können.
Kurztests ...
... innerhalb eines Lernmoduls erhöhen die Aufmerksamkeit und steigern die Merkfähigkeit.

Die Neuausrichtung des Angebots habe sich gelohnt, freut sich der Bildungs-Manager, denn die Lerninhalte stoßen auf mehr Akzeptanz unter den Mitarbeitern: "Innerhalb der ersten 48 Stunden, nachdem die Pflichttrainings online verfügbar sind, rufen zehn Prozent der Mitarbeiter die Inhalte ab." Mit den aktuellen E-Learning-Angeboten erreichen die Trainer auch mehr freiwillige Lerner. Seit eineinhalb Jahren nutzt E-Plus auch interaktive Lernformate. Dann sitzen 20 bis 30 Mitarbeiter gleichzeitig an unterschiedlichen Standorten vor ihrem PC oder mit dem Smartphone in der Hand, tauschen sich aus und absolvieren die Lektionen gemeinsam. "Wir wollen noch mehr interaktive Schulungen anbieten", erklärt Alì.

Allerdings ersetzt das E-Learning-Angebot bei E-Plus keineswegs das Präsenz-Training. "E-Learning kann nie einen Trainer überflüssig machen", stellt der E-Plus-Mann klar. Das Unternehmen beschäftigt rund 40 Vertriebstrainer und Coaches, die in regelmäßigen Seminaren mit ihren Mitarbeitern ein breites Themenspektrum bearbeiten. "Die Zahl unserer Präsenztrainings bleibt trotz E-Learning-Angeboten gleich hoch", weiß Alì. Dagegen pauken die Mitarbeiter Produktinformationen und Tarife im Selbststudium mit elektronischen Medien. "Selbst in Sicherheitstrainings lassen sich Anekdoten und lustige Elemente einbauen. Das hilft, die Inhalte schneller zu lernen und sie sich besser zu merken", gibt Alì ein Beispiel.

Wolfgang Hanfstein, Pink University
Foto: Pink University GmbH

Neben Standardthemen dreht Pink University auch individuell auf die Wünsche der Auftraggeber zugeschnittene Videos. Das können Trainingsfilme sein oder von Schauspielern dargestellte Szenen aus dem Arbeitsalltag. Auch IT-Trainings zählen zum Repertoire. Doch inzwischen beobachtet Wolfgang Hanfstein einen weiteren Trend: Softwarefirmen wenden sich an Pink University und geben Videos in Auftrag. Denn mit der sogenannten "Screencast"-Methode lassen sich auch komplizierte Themen visuell umsetzen. Bei einem Screencast zeigt ein Moderator direkt am Bildschirm, was auch der Nutzer sieht, navigiert, erläutert die Funktionalität der Software. "Softwarehäuser wünschen sich, dass wir ihre umfangreichen Handbücher, beispielsweise zur Erklärung neuer IT-Architekturen, ersetzen oder ergänzen sollen. Denn mit einem Screencast lassen sich komplexe Themen schneller und anschaulicher erläutern", weiß Hanfstein.

Die Learntec in Karlsruhe bleibt auf Erfolgskurs

Knapp 7000 Fachbesucher reisten zum jährlichen Branchentreff "Learntec" nach Karlsruhe, um von 225 Ausstellern Neuigkeiten rund um das elektronische Lernen zu erfahren. Lutz Goertz, Bildungsforscher vom MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung in Essen, erläutert im CW-Gespräch die aktuellen Trends im elektronischen Bildungsmarkt.

Lutz Goertz, MMB-Institut: "Für das gemeinsame Lernen im Unternehmen ist Facebook nicht unbedingt das Mittel der Wahl."
Foto: MMB

CW: Braucht es noch professionelle Weiterbildungsangebote, wenn das Netz kostenlose Lerninhalte liefert, ich mich über Facebook mit Kollegen austauschen und in der Firma auf ein Wiki zugreifen kann?

GOERTZ: Das informelle Lernen nimmt zu, YouTube ist die zweitgrößte Suchmaschine nach Google. Dort finde ich zum Beispiel für die berufliche Weiterbildung erklärende Videos, wie ich Blutdruck messe oder eine LKW-Ladung sichere. Allerdings eignen sich diese Videos nur bedingt für die Nutzung im Unternehmen, denn den Lernern fällt es schwer, gute von schlechten Inhalten zu unterscheiden. Dagegen versprechen E-Learning-Hersteller qualitativ hochwertige Inhalte und eine werbefreie Präsentation. Qualität ist für Unternehmen wichtig, deshalb sind sie bereit, dafür Geld auszugeben.

CW: Was wurde aus dem Hype Social Media und Lernen?

GOERTZ: Viele merken mittlerweile: Für das gemeinsame Lernen im Unternehmen ist Facebook nicht unbedingt das Mittel der Wahl, die Euphoriebremse ist spürbar. Die Betriebe scheuen sich, dort Themen zu diskutieren, die auch Betriebsinterna beinhalten. Andererseits reicht es nicht, sich nur mit Gleichgesinnten auszutauschen. Hier nutzen viele Firmen lieber virtuelle Klassenräume, denn diese Software erlaubt es, kleinere und größere Lerngruppen zu bilden und verschiedene Lernformen einzusetzen.

CW: E-Learning veränderte sich in den vergangenen Jahren stark. Welche neuen Trends entdeckten Sie auf der Learntec?

GOERTZ: In unserer Trendstudie "MMB Learning Delphi 2014" war das Thema "Adaptive Learning" wichtig, ebenso auf der Messe. Die Vorteile liegen auf der Hand: Lerninhalte passen sich dem Lerntempo und Vorwissen des Lerners an, die Kurse werden so individueller. Manche Anbieter stellen den Lernenden einen virtuellen Assistenten zur Seite, der sie durch die Lektionen begleitet und Lernfortschritte dokumentiert.

CW: Was passiert mit den gesammelten Daten? Kontrolliert der Chef wie schnell und gut Mitarbeiter lernen?

GOERTZ: Genau das ist die Frage: Wer kontrolliert die Lernerdaten? Den Nutzern selbst helfen diese Informationen, doch wie gehen Vorgesetzte damit um? Hierzulande sehen das viele zu Recht kritisch und es gibt noch viel Diskussionsbedarf.