Künstliche Intelligenz kanalisiert die Mail-Flut

28.11.2006 von Albert Denz
E-Mail-Management-Systeme können aus der täglichen Korrespondenz die für die Unternehmenssysteme wichtigen Informationen extrahieren. Gleichzeitig erlauben sie, bei der E-Mail-Kommunikation auf das gesamte Firmenwissen zugreifen.

Der besondere Reiz des Mediums E-Mail liegt in seiner Geschwindigkeit. Der Kunde transportiert seine Anfrage quasi per Knopfdruck zum Hersteller, Händler oder Dienstleister seiner Wahl und erwartet von diesem ebenso schnell eine kompetente Antwort. Um die Bearbeitungszeiten der elektronischen Post auf das Minimum zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Antworten zu steigern, entscheiden sich immer mehr Unternehmen für den Einsatz moderner E-Mail-Management-Systeme. Durch Methoden der Künstlichen Intelligenz und Computerlinguistik bieten derartige Lösungen große Automatisierungspotenziale für die Unternehmenskommunikation.

Zunächst analysiert Software die eingehenden E-Mails und klassifiziert sie nach Themengebieten, Absenderadressen, Wichtigkeit oder auch Tonalität. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Sprache die Anfragen verfasst werden oder ob entsprechende Schlagworte fallen. Denn im Gegensatz zu rein regelbasierten Verfahren, die lediglich die Häufigkeit bestimmter Wörter in den E-Mails erkennen, verstehen die KI-basierten Lösungen die Inhalte aus ihrem Kontext heraus. Kriterien wie Wortart, Wortstamm und Synonyme fließen ebenso in die Analyse ein wie die Bezüge zwischen den einzelnen Wörtern. Möchte beispielsweise ein Bahnreisender wissen, ob seine Bahncard auch im Ausland zählt, genügt die Frage "Wenn ich nicht in Deutschland bin, gilt dann der Kartenrabatt?", damit die Software das Anliegen des Kunden zuverlässig erkennt. Dabei erweitern die Systeme ständig ihr "Wissen", wodurch sie neue Themenfelder adaptieren können.

Hier lesen Sie ...

  • wie E-Mail-Management-Systeme die Kommunikationsprozesse automatisieren;

  • auf welchem Wege das Unternehmenswissen in die Kommunikation einfließen kann;

  • wie die Lösungen für eine systematische Auswertung der Korrespondenz sorgen;

  • welche Vorteile dies für das Kundenbeziehungs-, Qualitäts- und Beschwerdemanagement bringt;

  • wie sich mit Hilfe der Systeme Serviceleistungen per E-Mail refinanzieren lassen

Nach der inhaltlichen Analyse und mehrdimensionalen Kategorisierung, bei der Spam gleich aussortiert wird, sendet die Software die E-Mails mit der entsprechenden Priorisierung an den richtigen Ansprechpartner im Unternehmen. Dank ihrer Intelligenz sind die Systeme zudem in der Lage, dem Mitarbeiter geeignete Antwortbausteine oder vorgefertigte Antworten an die Hand zu geben, die er dann nur noch in seine E-Mail-Antwort übernehmen muss. Handelt es sich um einfache Kundenwünsche, können die Systeme die E-Mails nach vordefinierten Regeln sogar vollautomatisch beantworten.

Darüber hinaus eröffnen E-Mail-Management-Systeme einen eleganten Weg, um bei der Beantwortung der elektronischen Post aus dem System heraus direkt das Unternehmenswissen anzuzapfen. Integrierte Knowledge-Komponenten ermöglichen dem Mitarbeiter einen schnellen Zugriff auf die Kundenhistorie oder auf Informationen, die sich in den verschiedenen Datenbeständen des Unternehmens befinden. Spezielle Suchfunktionen erleichtern hierbei das Auffinden der für die Beantwortung erforderlichen Informationen. Beispielsweise können die Mitarbeiter eine unscharfe Suche (Fuzzy Search) nutzen, die auch Wortvarianten findet, oder mithilfe von assoziativen Suchmechanismen 1.000 oder mehr Fundstellen mit wenigen Mausklicks auf einige wenige Dokumente reduzieren. Inhaltliche Zusammenhänge werden dabei automatisch offen gelegt.Systematische Auswertung der Kommunikationsinhalte

Systematische Auswertung der Kommunikationsinhalte

Technisch gesehen, ist der Zugriff auf das Unternehmenswissen und die Korrespondenz keineswegs trivial, liegt der Großteil der relevanten Informationen doch in Form unstrukturierter Texte vor. Mit der bloßen Archivierung der Dokumente und E-Mails ist es nicht getan. Vielmehr geht es um die systematische Extraktion von Daten und Informationen aus den Texten. Aus einer E-Mail lassen sich beispielsweise qualifizierte Adressdaten gewinnen oder wertvolles Kundenfeedback zu bestimmten Produkten. Diese Informationen haben den Vorteil, dass sie unmittelbar vom Kunden stammen und damit authentisch sind.

KI-Systeme können beim Mail-Management nicht nur eingehende Nachrichten automatisch an den zuständigen Sachbearbeiter weiterleiten, sondern bei einfacheren Anliegen auch Anfragen mit Hilfe von Standardbriefen selbst beantworten.

Dabei können Unternehmen von diesem Wissen "aus erster Hand" vor allem beim CRM profitieren, die Informationen aber auch für die Produktentwicklung und das Qualitätsmanagement nutzen oder für Gewinn bringende Up- und Cross-Selling-Aktivitäten. KI-basierte Software extrahiert die relevanten Daten und speichert sie über standardisierte Schnittstellen in Data Warehouses oder direkt in CRM- oder ERP-Systeme. Mit Hilfe integrierter Reporting-Komponenten lassen sich die entsprechenden Daten dann auswerten und die generierten Berichte als PDF, XLS oder HTML-Dateien exportieren. So können die Unternehmen aus der ganz alltäglichen Kommunikation höchst authentische Trend- und Zufriedenheitsanalysen erstellen, Marketing-Aktionen gezielt auf die Bedürfnisse der Kunden abstimmen und Änderungen im Kaufverhalten direkt identifizieren.

Effizientes Beschwerdemanagement

Zudem führt der Einsatz von E-Mail-Management-Systemen zu einer nachhaltigen Verbesserung des Beschwerde-Managements. Und das lohnt sich: Denn nach neuesten Erkenntnissen ist es für Unternehmen etwa fünf Mal teurer, einen Neukunden zu akquirieren, als einen Stammkunden zu halten. Durch die Automatisierung und die Unterstützung bei der Antwort-Formulierung verkürzen die Systeme die Durchlaufzeiten und sorgen für mehr Produktivität im Contact Center. Der Beschwerdesteller wird zügig bedient und erhält dennoch eine sachkundige Antwort auf seine Reklamation. Die systematische Darstellung aller Beschwerden versetzt die Unternehmen zudem in die Lage, Problemfelder frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu treffen.

Der Einsatz eines E-Mail-Management-Systems verhindert überdies, dass die Mitarbeiter im Contact Center eingehende Kundenanfragen übersehen, löschen, nicht oder doppelt beantworten. Die Lösungen kontrollieren und protokollieren den kompletten Workflow vom Eingang über die Bearbeitung bis hin zum Abschluss. Damit ist jederzeit nachvollziehbar, wer eine Anfrage oder Reklamation wann und in welcher Form bearbeitet hat. Registriert das System, dass die Agenten des Contact Centers auf einen Kundenwunsch nicht im festgelegten Zeitrahmen reagiert haben, löst es automatisch eine Benachrichtigung aus. Für eine optimale Auslastung des Service-Teams sorgen unterschiedliche Verteilungs- und Queuingmechanismen.

Refinanzierung von Supportleistungen

Während sich Beratungen am Telefon über kostenpflichtige Servicenummern abrechnen lassen, ist eine Refinanzierung von elektronischen Serviceleistungen bislang meist nicht möglich gewesen. Selbst hier können moderne E-Mail-Managementsysteme Abhilfe schaffen.

Richtet sich ein Kunde beispielsweise ohne Wartungsvertrag oder Garantieanspruch mit einer Anfrage an das Unternehmen, schickt das System automatisch eine Rückantwort mit dem Hinweis, dass dieser Support kostenpflichtig ist. Gleichzeitig erhält der Kunde mit der E-Mail eine 0900 Servicenummer, über die er die gewünschte Dienstleistung bezahlen kann. Mit seinem Anruf schaltet der Kunde den Service frei und bekommt dann innerhalb kurzer Zeit per E-Mail die Antwort auf seine Anfrage mit allen erforderlichen Informationen und Dokumenten. Die tatsächliche Bezahlung des Service erfolgt am Monatsende über die Telefonrechnung des entsprechenden Telekommunikationsanbieters. Voraussetzung für derartige Serviceleistungen ist lediglich ein zusätzliches Plug-In, das die E-Mail-Management-Systeme mit der Infrastruktur des Telekommunikationsanbieters integriert.

Gegenüber telefonischen Beratungen hat der Service per E-Mail den Vorteil, dass der Kunde sämtliche Informationen Schwarz auf Weiß vorliegen hat und bei Bedarf noch einmal nachlesen kann. Außerdem laufen für ihn keine weiteren Kosten auf, wenn er zu einem Sachverhalt noch Rückfragen haben sollte. Denn die E-Mail-Management-Systeme können erkennen, dass die Anfrage noch zu dem vorangegangenen Problemfall gehört und leiten die E-Mail dann direkt an den zuständigen Servicemitarbeiter weiter. Die Unternehmen ihrerseits können ihren Kunden mit kostenpflichtigen Mehrwert-Mails einen individuellen Premium-Service bieten und sich damit neue Geschäftsfelder eröffnen.

Fazit

In den letzten Jahren hat die elektronische Korrespondenz insbesondere im Kunden-Service stark an Bedeutung gewonnen. E-Mail-Management-Systeme auf Basis von Künstlicher Intelligenz und linguistischen Verfahren helfen Unternehmen, das Potenzial des Kontaktkanals E-Mail vollständig auszuschöpfen. Sofern Briefe und Faxe digitalisiert werden, können die Lösungen auch diese verarbeiten und eröffnen damit als zentrale Kommunikationsplattform ein durchgehendes Multichannel-Management im Unternehmen.