Kühne & Nagel

Kühne & Nagel: Mit dem Chip Warenströme lenken

03.05.2001 von Holger Eriksdotter
Ob Hamburg, New York oder Hongkong - das Traditionsunternehmen Kühne & Nagel ist in Sachen Logistik und Transport weltweit verankert. Nun hat der Spediteur die Vorzüge der globalen Vernetzung entdeckt, die äußerst erfolgversprechend ist: Denn die Informationstechnologie avanciert zur Schlüsseltechnologie der Transportbranche.

Kühne & Nagel (K & N) gehört zu den international führenden Speditionsunternehmen. Im weltweiten Netz von 500 Niederlassungen in 90 Ländern sorgen mehr als 13 000 Mitarbeiter für die reibungslose Beförderung von jährlich 850 000 Container-Einheiten per Binnenschiff-, Land-, Luft- und Seefracht. In Zeiten von E-Commerce und globaler Vernetzung fällt der Datenverarbeitung eine zentrale Rolle zu: Der Weg vom Spediteur alten Zuschnitts zum Transport- und Logistikdienstleister führt vor allem über eine maßgeschneiderte Datenverarbeitung, die den Informationsfluss zwischen allen Beteiligten steuert und die immer schneller zirkulierenden Warenströme lenkt.

Dabei stellen die Vernetzung und die unterschiedlichen Gegebenheiten an den international verteilten Standorten ganz besondere Ansprüche an die IT-Experten: Fehlende Standardsoftware für das komplexe Speditionsgeschäft, mangelhafte lokale Netzwerkzugänge in abgelegenen Regionen der Welt und Zeitverschiebungen gehören zu den vielen Handicaps, mit denen die IT-Spezialisten täglich rechnen müssen.

Auch unterschiedlichste gesetzliche Bestimmungen, Konventionen und nationale Besonderheiten erschweren die Beförderung, so dass sich die Liste der Herausforderungen im IT-Bereich fast beliebig fortsetzen ließe.

Trotzdem oder gerade deswegen sind die weltweite IT-Integration sowie der Einsatz leistungsfähiger Anwendungsprogramme für die Speditionsabwicklung in der Transportbranche immer wichtiger geworden: „Wir haben diesen Trend schon vor Jahren vorausgesehen; der Ausbau der IT-Infrastruktur und die Personalakquise und -entwicklung in diesem Bereich sind deshalb Bestandteil unserer Unternehmensstrategie“, erklärt Jens Steffen, Personaldirektor bei K & N in Hamburg. Mehr als 240 Mitarbeiter sind bei K & N weltweit in der Konzern-IT beschäftigt, Tendenz steigend. In Hamburg sind etwa 60 der zirka 100 IT-Spezialisten im Bereich Corporate-IT, also der Entwicklung von operativen Unternehmensanwendungen für den weltweiten Einsatz, tätig. Weitere 15 bis 20 sollen in den nächsten Monaten hinzukommen.

Die Aufgaben in den verschiedenen IT-Abteilungen des Unternehmens sind vielfältig: So erarbeitet beispielsweise die Gruppe IT-Consulting Konzepte und nimmt sich bei Kundenausschreibungen IT-relevanter Themen an. Die Abteilung EDI ( Electronic Data Interchange) ist für die Schnittstellenkommunikation mit Verladern, Umschlagunternehmen und Frachtführern zuständig. Besonders innovativ geht es im Bereich Supply-Chain-Management zu, der für die optimale Gestaltung der unternehmensübergreifenden Prozesskette sorgen soll. Hier setzt K & N auf eine strategische Partnerschaft mit dem US-Softwareanbieter I 2, der beim Supply-Chain-Management zu den internationalen Markführern gehört.

Oliver Rennert

Oliver Rennert ist seit Juli 1998 in der Abteilung EDI beschäftigt. Der 33-jährige Physiker hat sich nach seinem Diplom an der Freien Universität Berlin gegen Promotion und wissenschaftliche Laufbahn und für die Transportbranche entschieden, weil er die Logistik als besonders spannend empfand. Den Ausschlag für K&N haben zum einen der Standort Hamburg gegeben, wo er auch familiäre Bindungen hat, zum anderen die Option, auch im Ausland Erfahrungen sammeln zu können. Programmierkenntnisse hat der Physiker mit Nebenfach Informatik weit über den Rahmen des Studiums hinaus mitgebracht: „Computer, Datenverarbeitung und Programmieren gehörten schon immer zu meinen Hobbys, auch meine Studentenjobs konnte ich im IT-Bereich wahrnehmen“, berichtet Rennert.

Personaldirektor Steffen kann sich noch an das Bewerbungsgespräch mit Rennert erinnern. Mit dessen Einstiegsalter von 30 Jahren hatte er ebenso wenig Probleme wie mit dem Studienfach Physik. Vor allem Rennerts sicheres Auftreten und seine gute Kommunikationsfähigkeit haben den Personalchef beeindruckt - Eigenschaften, nach denen Steffen auch die künftigen Mitarbeiter auswählt. Denn gerade im Bereich IT, der auch beim Support und dem Roll-out neuer Applikationen die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den Fachabteilungen erfordert, besteht ein guter Teil der Aufgabe darin, für Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu werben. Dafür, so Personalexperte Steffen, seien soziale Kompetenz und Überzeugungskraft absolut unerlässlich.

Das Einstiegsgehalt für Hochschulabsolventen liegt normalerweise zwischen 65 000 und 85 000 Mark und richtet sich im Wesentlichen nach den praktischen Erfahrungen. Gut geeignet sind nach Steffens Beobachtung Wirtschaftsinformatiker und Betriebswirtschaftler mit Nebenfach Informatik. Branchenkenntnisse aus dem Bereich Logistik, See- und Hafenwirtschaft - ob aus dem Studium oder durch praktische Erfahrungen - sind von Vorteil. Aber auch Bewerber anderer Fachrichtungen, wie etwa Elektroingenieure, Naturwissenschaftler oder auch Umschüler sind bei K & N willkommen, wenn sie Lernwillen und Eigeninitiative mitbringen. „Wichtiger als Examensnote und Studienschwerpunkt ist jedoch der persönliche Eindruck, den der Bewerber im Vorstellungsgespräch vermittelt“, stellt Steffen klar.

Gearbeitet wird im IT-Bereich meist in Projektteams, die aus drei bis fünf IT-Spezialisten bestehen. „Das kann aber auch so aussehen, dass hier in Hamburg ein einzelner Kollege mit anderen in New York, Hongkong oder irgendwo sonst auf der Welt zusammen ein Konzept erarbeitet“, erläutert Serge Marx, Leiter des Bereichs Corporate IT in Hamburg. Das Programmieren selbst gehört dabei nicht unbedingt zum täglichen Geschäft. „Wir legen natürlich Wert darauf, die IT-Kompetenz und Planungshoheit im Hause zu behalten; deswegen müssen wir aber nicht jede Programmzeile selber schreiben“, erläutert der IT-Experte. Meist steht dabei das Erarbeiten von Konzepten und Pflichtenheften im Vordergrund.

Dass Rennert etwa 30 Prozent seiner Zeit mit Programmierung zubringt - Shell-Scripts, C, JAVA und PHP - ist eher die Ausnahme als die Regel. „Weitere 30 Prozent verbringe ich mit Telefonieren und Abstimmung, den Rest der Zeit mit Recherche und konzeptioneller Arbeit“, erklärt der Physiker, der auch schon kleinere internationale Projekte geleitet hat. Mit dem Teamleiter und den Kollegen versteht er sich ausgezeichnet - hier hat er nach eigener Einschätzung „viel Glück gehabt“.

Serge Marx

Gelegentliche Auslandsreisen, die ihn schon nach New York, San Francisco, Barcelona und Paris geführt haben, empfindet er als angenehme Abwechslung. Bisher konnte er es meist so einrichten, dass er vor oder nach den Geschäftsterminen einen freien Tag hatte, so dass er vom Reiseziel mehr als nur Geschäftspartner und Hotelzimmer zu Gesicht bekam.

Physiker Rennert kann sich einen längeren Aufenthalt im Ausland gut vorstellen. Nachdem sich eine anvisierte Position in Südamerika erst mal zerschlagen hat, blickt er der nächsten Gelegenheit entgegen. Für die fernere Zukunft wünscht er sich mehr Möglichkeiten der Mitsprache im IT-Bereich und größeren Einfluss auf Standards. Dafür, so Steffen, stehen die Chancen ausgesprochen gut. „Es ist unsere Politik, Führungspositionen möglichst aus dem eigenen Haus zu besetzen“, meint der Personaldirektor.