Outsourcing/Nach Neuanschaffung wurde externes Know-how erforderlich

Krankenhaus Dresden lagert Applikationen aus

03.10.2003
Das Application-Management ist eine Sonderform des Outsourcing. Dem Dienstleister wird die Verantwortung für Betreuung und Betrieb übergeben, Eigentümer der Software bleibt das Anwenderunternehmen. Einen solchen Service nutzt das Krankenhaus Dresden-Neustadt, seit es im Zuge der Gesundsheitsreform neue Abrechnungsapplikationen anschaffen musste.Von Konstantin Knopp*

Mit überraschenden Zahlen rief das Marktforschungsinstitut PAC kürzlich eine bessere IT-Epoche ins Gedächtnis zurück: In den kommenden vier Jahren wird sich das Marktvolumen im Bereich Application-Management um fast 28 Prozent mehr als verdoppeln. Damit skizzieren die französischen Analysten in ihrer Studie "Application-Management 2003 Germany" ein fast schon vergessenes IT-Bild. Diese im Vergleich zu den derzeit üblichen Branchenwerten fast schon nostalgisch anmutenden Zuwachszahlen kommen nicht von ungefähr: Gerade in wirtschaftlichen Dürreperioden gilt die volle Konzentration der Unternehmen dem operativen Kerngeschäft. Gleichzeitig aber treiben zunehmend komplexe Systemlandschaften mit mehr oder weniger unüberschaubaren Einzellösungen Anwender zu einem finanziellen und personellen Kraftakt, der mit traditionellen Mitteln kaum mehr zu bewältigen ist. Meistens ist das Expertenwissen der eigenen IT-Mitarbeiter lediglich bei spezifischen und sporadischen Problemen gefragt - im Alltagsgeschäft jedoch liegt das Know-how zumeist brach, während die Kosten konstant bleiben.

Die von PAC eruierte hohe Nachfrage nach IT-Dienstleistern im Application-Management passt denn auch perfekt in dieses Szenario: garantierte Verfügbarkeit von Experten-Know-how, individuelle Service Level Agreements (SLAs), wie etwa fest zugesicherte Reaktionszeiten, transparente IT-Kosten dank monatlicher Pauschalen und regelmäßigem Reporting der erbrachten Leistungen sowie nicht zuletzt reduzierte Kosten durch gebündelte und flexible Ressourcen - die Argumente der Dienstleister treffen den Nerv IT-geplagter wie profitorientierter Anwender gleichermaßen. Letzteres Argument erfüllen Application-Management-Serviceunternehmen klassischerweise mit Spezialisten, die ihr jederzeit aktuelles Know-how, je nach Anforderung und Problem des Kunden, zur erforderlichen Zeit und vor allem dosiert zur Verfügung stellen.

Für die Applikations-Management-Anbieter besteht das Gros der Arbeit in der Anwenderbetreuung. Im First-Level-Support beantworten Experten Fragen wie "Kann die Krankenversichertenkarte auch nach dem Aufnahmetag noch eingelesen werden?" oder "Warum sind offene Posten nicht im Zahllauf enthalten?". Erst im so genannten Second-Level-Support werden komplexere Anliegen durch Spezialisten bearbeitet, während im Third-Level-Support produktabhängige Probleme unter Einbindung des Herstellers gelöst werden.

Professionelles Application-Management umfasst neben der Betreuung auch die Fehlerbehebung der Software sowie deren Optimierung. Um den reibungslosen Betrieb der IT-Anwendungen zu gewährleisten, ist es wichtig, die Schnittstellen und Workflows zu überwachen. Zu guter Letzt gehören die Perfomance-Analyse und die Schulung der Anwender zu den Aufgaben der Service-Provider. Unabdingbar für diese Tätigigkeiten ist ein tiefes Branchenverständnis.

Diese Erwartungen hegte auch das Städtische Krankenhaus Dresden-Neustadt Anfang 2002. Mit 1000 Mitarbeitern, 719 vollstationären und 36 teilstationären Betten befindet sich das Krankenhaus in der sächsischen Landeshauptstadt seit der Einführung einer Branchensoftware für sämtliche betriebswirtschaftliche und medizinische Geschäftsabläufe auch in IT-technischer Hinsicht am Puls der Zeit: "Das Gesundheitsreformgesetz stellte uns vor ganz neue Herausforderungen", erinnert sich Heidemarie von Nessen, Leiterin Finanz- und Rechnungswesen, an die Problemstellung, die vom Gesetzgeber verabschiedeten Finanzierungsregeln im Gesundheitswesen in das Bestandssystem umzusetzen. Es galt nach den Worten der Managerin, das Optionsmodell zu nutzen, um so früh wie möglich in das neue Entgeltsystem einsteigen zu können. Von Nessen: "Wir brauchten eine Software, die eine Abrechnung über Fallpauschalen ermöglicht, indem sie klinikweit durchgängige und transparente Geschäftsprozesse realisiert."

Fünf-Jahres-Vertrag vereinbart

Rund sechs Monate später schlug das Herz der IT bereits in Form der Branchensoftware mySAP Healthcare, wenngleich die "lebenserhaltenden Maßnahmen" der SAP-Lösung in den Räumlichkeiten des ebenfalls in Dresden anässigen IT-Dienstleisters SAP SI durchgeführt werden: "Es fehlte nach der Migration an einem spezialisierten Support, der Probleme mit den Anwendungen schnell in den Griff bekommen konnte", begründet Manfred Kühne, EDV-Leiter des Krankenhauses, den Schritt zum Outsourcing der IT.

Dabei handelte es sich laut Kühne nicht nur um die Unterstützung für SAP-Standardanwendungen, wie Personal- oder Rechnungswesen. Auch den Support für die Branchensoftware "IS-H", die das Krankenhaus für das Patienten-Management und die Patientenabrechnung nutzt, sowie für das Dokumentations- und Kommunikationssystem für alle klinischen Abläufe "IS-H*MED" übergaben die Techniker aus Dresden in die Hände des Outsourcing-Partners. Ebenso überließen IT-Profis um Kühne die Anpassung der Schnittstellen mit vorhandenen Systemen für Radiologie und Labor, das Pflegen und Weiterentwickeln der Anwendungen sowie die Schulungen des Krankenhauspersonals ihrem Dienstleister - zunächst vertraglich geregelt für die kommenden fünf Jahre.

Der Clou: Sämtliche Anwender an den vier Standorten der Klinik greifen nun über eine Standleitung auf ein Paket aus integrierten Applikationsmodulen zu, die der IT-Dienstleister in seinem Dresdner Rechenzentrum auf eigenem Equipment betreibt: "Wir haben uns für das Outsourcing der IT-Dienstleistungen Hosting und Application-Management entschieden, weil es uns einerseits hausintern an Know-how und Fachpersonal fehlte, um eine solch komplexe Lösung einzuführen und zu betreuen, und weil andererseits die Kosten überschaubar wurden", erklärt der EDV-Chef. Dazu die mit diesen Belangen vertraute Finanzverantwortliche von Nessen: "Das Outsourcing-Modell ist nicht nur einfach ökonomisch, sondern eröffnet uns auch die Chance, uns auf unsere Kernkompetenzen und die für das neue Entgeltsystem notwendige Neuorganisation zu konzentrieren. Hausintern hätten wir weder das Personal noch die Budgets, um den hochwertigen Betrieb der neuen Software zu realisieren." (jha)

*Konstantin Knopp ist freier Journalist aus München.

Angeklickt

Im Zuge der Gesundheitsreform standen beim Städtischen Krankenhaus Dresden-Neustadt Anschaffungen im Abrechnungs- und Finanzwesen sowie für Branchensoftware an. Weil das Expertenwissen für den Betrieb der neuen Umgebung im Hause fehlte, entschlossen sich die Verantwortlichen, die Applikationen an einen externen Dienstleister auszulagern.