Kräftiger Dämpfer für die Promovierten

17.10.2003 von Hans Königes
Mit zwei Überraschungen wartet die fünfte IT-Gehaltsstudie auf: Selbst promovierte Informatiker müssen kürzer treten als die Jahre davor, und Absolventen mit einem Abschluss der Berufsakademie überrunden die IT-Spezialisten mit einem Fachhochschuldiplom.

Zurzeit sind Personaler und Bewerber nicht gut aufeinander zu sprechen. Erstere werfen vielen Kandidaten vor, dass sie nicht bereit sind, die stark veränderten Realitäten anzuerkennen und beim Gehalt Abstriche zu machen. So ärgert sich der Verantwortliche eines Softwarehauses, dass einige Quereinsteiger mit einer kurzen Umschulung noch immer ihre 45 000 bis 50 000 Euro Jahresgehalt verlangen.

Auch die Jobsuchenden klagen über das Verhalten der Unternehmen: Unterlagen werden nicht zurückgeschickt, und Anrufe mit dem Zweck, sich ein Feedback zu holen, sind nicht möglich. Eine solche Einstellung gegenüber den Bewerbern zeugt in den Augen eines Professors für Personalwirtschaft gar davon, dass "wir wieder im Feudalismus angekommen sind".

Die aktuelle Vergütungsstudie, die die COMPUTERWOCHE YOUNG PROFESSIONAL mit Professor Christian Scholz von der Uni Saarbrücken mittlerweile zum fünften Mal erhoben hat, spiegelt die schwierige Situation am Arbeitsmarkt wider. Denn die Gehälter sind kaum gestiegen, im Gegenteil: Einige IT-Spezialisten müssen sich auf deutliche Einkommenseinbußen einstellen.

Plus für Wirtschaftsinformatiker

Am stärksten erwischt hat es die promovierten Informatiker, was insofern nicht überrascht, als sie im vergangenen Jahr ihr Jahresgehalt auf 100 000 Euro steigern konnten und damit die Sieger der Gehaltsrunde waren. Nun sind sie auf dem Niveau von vor drei Jahren bei knapp über 70 000 Euro angekommen. Informatiker mit einem MBA-Abschluss bleiben mit einem Jahresverdienst von 90 000 Euro unter der 100 000-Euro-Marke, die sie in der Vergangenheit erreichten.

Von solchen Zahlen können IT-Experten mit anderen Abschlüssen nur träumen: IT-Profis mit FH-Diplom müssen sich mit rund 56 500 Euro pro Jahr zufrieden geben, was ein Minus von fast zehn Prozent gegenüber 2002 ausmacht. Dagegen schaffen die Absolventen der Berufsakademien einen fast zehnprozentigen Sprung auf durchschnittlich 63 500 Euro. Die Fachleute mit einem Uniabschluss verzeichnen gegenüber dem Vorjahr ein leichtes Plus und überschreiten die 70 000-Euro-Jahresmarke.

Insgesamt sind die Gehälter der jungen IT-Spezialisten bis 30 Jahre um rund zwei Prozent gestiegen und bei 49 000 Euro angekommen. Um gleich ein Missverständnis auszuräumen, das in den vergangenen Jahren zu Fehlinterpretationen und vielen Anfragen führte: Wenn nicht ausdrücklich auf etwas anderes hingewiesen wird, handelt es sich bei diesen Zahlen um Durchschnittswerte aller Teilnehmer der Umfrage, die eine Tendenz widerspiegeln.

Wenn zum Beispiel von 100 000-Euro-Einkommen die Rede ist, sind damit keine Einstiegsgehälter gemeint, sondern der Durchschnitt aller Teilnehmer - das bedeutet, Absolvent und Top-Berater sind in einem Auswertungstopf. Eindeutig bestätigt hat sich eine andere Entwicklung: Informatiker verdienen mit durchschnittlich 67 000 Euro besser als Wirtschaftsinformatiker (64 000 Euro). Letztere liegen dennoch voll im Trend liegen, da sie im Vergleich zum Vorjahr um gut zehn Prozent mehr erhalten, während das Plus bei den Informatikern nur zwei Prozent ausmacht.

An der Spitze behaupten sich nach wie vor Ingenieure und Betriebswirte, die sich auf einem durchschnittlichen Niveau von 72 000 Euro pro Jahr bewegen und sich über ein einstelliges Plus gegenüber dem Vorjahr freuen können. Ein für die Gehaltsfindung wesentlicher Faktor ist die Selbsteinschätzung. Zum vierten Mal fragten wir, ob sich die Teilnehmer als "Top"- oder "Well-Performer" einstufen. Die Korrelation zwischen Selbsteinschätzung und Verdienst trat klar zutage: Wer sich gut verkauft, bekommt um einiges mehr. So erreichen selbst ernannte Top-Performer rund 74 000 Euro im Jahr, und Otto Normalbewerber liegt bei 59 500 Euro. Scholz ist überzeugt, dass sich "ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein in der Höhe der Gesamtvergütung niederschlägt".

Beratungshäuser wieder vorn

Die Teilnehmer wurden zudem gebeten, sich als Junior, Senior oder Leiter einzustufen. Der Junior musste nun zum zweiten Mal Einbußen im einstelligen Prozentbereich hinnehmen und kommt auf 44 500 Euro, beim Senior (67 000 Euro) und beim Leiter (76 000 Euro) hat sich gegenüber dem Vorjahr nichts verändert. Branche und Ort beeinflussen das Salär ebenfalls. Keine Überraschung dürfte sein, dass in den Softwareunternehmen mit 72 000 Euro und in den Beratungshäusern mit 78 000 Euro am besten gezahlt wird, was einem leichten Plus gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Auf dem Boden der Tatsachen sind die Finanzdienstleister und die Konsumgüterindustrie angekommen, wo die Gehälter die 60000-Euro-Marke unterschritten haben, was einem Minus im zweistelligen Bereich gleichkommt. Das Schlusslicht bildet der öffentliche Dienst mit 45 000 Euro. Allerdings dürfte gerade wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage das Thema Sicherheit ein nicht zu unterschätzendes Argument sein, das für eine Beschäftigung bei Vater Staat spricht.

Auch der Handel und in diesem Jahr die TK-Industrie mit 51 000 Euro zeigen sich im Vergleich zu den anderen Branchen eher knausrig. Wie auch in 2002 gelten München und Frankfurt am Main als die Hochburgen der Programmierer. Die Einkommen in diesen Städten bewegen sich zwischen 70 000 und und 75 000 Euro, was einem Plus von fast zehn Prozent gegenüber 2002 entspricht. Ansonsten sind die Regionen Hannover und Nürnberg aus Arbeitgebersicht mit 54 000 Euro beziehungsweise 55 000 Euro am günstigsten.

Schlusslicht Multimedia-Profis

Unter den Berufsgruppen schneiden wie gehabt die Berater am besten ab, sie erzielten sogar einen kleinen Gehaltszuwachs. Consultants erreichen im Schnitt 80 000 Euro vor den SAP-Spezialisten, die 70 000 Euro nach Hause nehmen. Unter den technischen Mitarbeitern haben die Datenbankexperten am meisten verloren, nachdem sie im vergangenen Jahr zu den Siegern mit einem Plus von über zehn Prozent auf 70 000 Euro gehörten. Nun reihen sie sich in das Gefüge der anderen Profis wie der Software- und Systementwickler ein, die zwischen 55 000 und 60 000 Euro im Jahr erzielen. Vergleichsweise weniger gut bezahlt sind Jobs wie Anwendungsbetreuer (45 000 Euro) und der Netzadministrator (47000 Euro) - das ist immer so gewesen. Schlusslicht bilden Multimedia-Mitarbeiter mit 41 000 Euro, ein Trend, den auch die aktuelle Studie des Deutschen Multimedia-Verbandes bestätigt.

Sortiert nach Einsatzbereichen, verdienen IT-Spezialisten im Vertrieb mit rund 82 000 Euro am meisten, was einem fast zehnprozentigen Plus gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dagegen gingen die Gehälter der Logistiker, die im Vorjahr noch die Nummer eins waren, auf 71 000 Euro zurück. Die IT-Marketiers liegen bei 64 500 Euro, womit sie sich unwesentlich verschlechterten. Scholz hat auch eruiert, wie viel ein IT-Spezialist mit einem bestimmten Schwerpunktwissen verdient. Dabei wird zunächst nicht berücksichtigt, welche weiteren Kenntnisse der Profi mitbringt. Bei den Programmiersprachen fällt auf, dass zurzeit Smalltalk-Kenner gut im Rennen liegen und durchschnittlich 80 000 Euro verdienen.

C++-Leute dagegen haben im Schnitt 63 000 Euro in der Tasche. Bei den Datenbanken liegen die DB2-Profis mit 70 000 Euro vorn, und bei den Betriebssystemen haben die Großrechnerprofis nach wie vor gute Karten, denn sie erzielen 75 000 Euro im Jahr. Linux-Anhänger dagegen müssen sich mit 60 500 Euro zufrieden geben.

Information zur Studie

Im Frühjahr und Sommer 2003 organisierte die COMPUTERWOCHE YOUNG PROFESSIONAL mit Christian Scholz, Professor für Organisation, Personal- und Informations-Management an der Universität Saarbrücken, ihre fünfte Vergütungsstudie. Es beteiligten sich 928 Einzelpersonen und 19 Unternehmen. Damit es zu keinen statistischen Verzerrungen kommt, wurden Firmenfragebögen, die für mehrere Mitarbeiter der gleichen Gehaltslage galten, als nur einer gewertet. Wenn von Jahresgehältern die Rede ist, sind alle Zusatz- und Nebenleistungen von Urlaubsgeld bis zum Dienstwagen berücksichtigt. Die Teilnehmer erhalten im Oktober die Ergebnisse. Andere Interessenten können gegen eine Gebühr (50 Euro für Einzelpersonen, 500 Euro für Unternehmen) den Band bei Maria Scholz, Am Hüttenwald 10, 66894 Rosenkopf, E-Mail: Maria.Scholz@internetbefragung.de, anfordern.