IT-Wirtschaftlichkeitsrechnung

Kosten und Nutzen kalkulieren

16.03.2004 von Andreas Zilch
Investitionen müssen sich rechnen - so lautet die Forderung an die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen. Doch das ist Theorie, in der Praxis sind Wirtschaftlichkeitsprüfungen selten. Dabei lassen sich Kosten und Nutzen von Hardware und Software durchaus plausibel darstellen.

VOR DEM HINTERGRUND der intensiven Kostendiskussion und allgemeiner Budgetkürzungen in den Unternehmen stehen auch IT-Leiter immer mehr unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie Investitionsanträge stellen. Wer nachweisen kann, welche wirtschaftlichen Vorteile ein Projekt bewirkt, hat bessere Chancen, die notwendigen Gelder zu bekommen. Ein Hilfsmittel dazu sind Wirtschaftlichkeitsanalysen zu den geplanten Investitionen. Daher wird auch im Mittelstand das Thema Wirtschaftlichkeitsrechnung zunehmend diskutiert. Eine wichtige Rolle spielen dabei zumeist Schlagworte wie Total Cost of Ownership (TCO) und Return on Investment (ROI). Mit der konkreten Anwendung dieser Modelle haben die meisten Unternehmen jedoch Probleme.

Mehr Wunsch als Wirklichkeit

Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zeigt sich auch in einer Untersuchung, für die Techconsult im Jahr 2003 mehr als 800 Anwender befragte: Auf die Frage nach der Bedeutung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen antworteten 41 Prozent mit „sehr wichtig“ und 44 Prozent mit „wichtig“; nur für zwei Prozent der Zielgruppe ist das Thema unwichtig. Erstaunlich ist aber die Antwort auf die sich anschließende Frage: „Führen Sie in Ihrem Unternehmen Wirtschaftlichkeitsrechnungen für IT-Projekte durch?“ Mehr als 40 Prozent gaben an, dass sie selbst nur „selten“ oder „nie“ entsprechende Analysen durchführen. Dieser krasse Widerspruch wirft Fragen nach den Ursachen auf.
Die Gründe für das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit beim Thema Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind sicher vielfältig. Geht man der Sache jedoch tiefer auf den Grund, zeigen sich einige primäre Ursachen für die aktuelle Zurückhaltung. Ein ganz wesentlicher Punkt: Die ITAnwender im Mittelstand haben wenig Erfahrung mit komplexen Wirtschaftlichkeitsanalysen. Sie scheuen daher den Aufwand. Zwar sind in bestimmten Bereichen - etwa in der Produktion - die Investitionsrechnung und entsprechende Analysen schon seit Jahrzehnten ein Standardverfahren. Doch auf dem Gebiet der Informationstechnologie sieht es anders aus. Dieser Bereich wurde zunächst als notwendiger Kostenfaktor angesehen, ähnlich wie eine Finanzbuchhaltung. Später erhielten Ausgaben für die IT vielerorts den Nimbus der strategischen Investition. In beiden Fällen war eine vergleichende Investitionsrechnung nicht gefragt. Daher liegen auch kaum Erfahrungen hierzu in den Unternehmen vor.

Nicht nur Kosten betrachten

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung des Mittelstands bei der IT-Wirtschaftlichkeitrechnung liegt in den Methoden und Tools, die dafür verfügbar sind: Sie sind für deutsche Verhältnisse nicht mittelstandsgeeignet, weil sie oft sehr auf die Verhältnisse in den USA ausgerichtet sind. Zudem sind sie wenig transparent, komplex und teuer. Der Markt wird von internationalen Research-Unternehmen oder IT-Anbietern beherrscht. Den ersten Schritt in Richtung Wirtschaftlichkeitsrechnung unternahm die Gartner Group Anfang der 90er- Jahre. Sie präsentierte die TCOMethode, die mittlerweile von sehr vielen Beratern und IT-Anbietern adaptiert wurde.
Obwohl diese Methode ständig weiterentwickelt wurde - und damit leider auch immer komplexer und schwieriger in der Anwendung -, ist sie immer noch sehr einseitig auf die Kostenbetrachtung ausgerichtet.
Der Nutzen, der den eigentlichen „Wert“ einer IT-Investition ausmacht, fällt dabei unter den Tisch. In den USA gibt es deshalb mindestens 30 kleinere Research- Unternehmen, die sich mit dem Thema beschäftigen, mit teilweise interessanten Ansätzen. Diese Methoden sind für den deutschen Markt allerdings nur sehr begrenzt einsetzbar, da sie an die hiesigen Rahmenbdingungen nicht angepasst sind.
Ein weiteres Problem bei der TCO-Analyse sind ihre hohen Kosten: Diese bewegen sich oft in der Größenordnung von über 20 000 Dollar für die reinen Lizenzen und stellen damit schon zu Beginn die Wirtschaftlichkeit des Tool-Einsatzes in Frage.

Kooperation erforderlich

Eine Alternative bieten manche IT-Anbieter. Sie stellen eigene Verfahren zur Verfügung, die in einigen Bereichen durchaus hilfreich sind - etwa wenn es um Drucker oder Speicher geht.
Die Objektivität der Ergebnisse ist jedoch fraglich; zudem werden diese Tools kaum kontinuierlich weiterentwickelt. Es herrscht im Mittelstand also derzeit ein klarer Bedarf, der unzureichend adressiert wird. Wirtschaftlichkeitsrechnung lässt sich nicht durch Eingabe von ein paar Zahlen in ein Berechnungs- Tool allein erledigen. Vielmehr ist eine enge Zusammenarbeit von IT-Abteilungen, Fachabteilungen und IT-Anbietern erforderlich. Viel mehr als in den letzten Jahren sind „harte Fakten“ und Überzeugungsarbeit bei der Planung von notwendigen IT-Projekten gefragt. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei auf die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen gelegt werden, denn sie kennen ihre Prozesse und Optimierungspotenziale am besten. Letztlich können und müssen sie den Nutzen der meisten IT Projekte begründen und verantworten. Die Leiter der IT-Abteilungen sollten in diesem Prozess eine zentrale Rolle zwischen den Lieferanten (IT-Anbietern) und Nutzern (Fachabteilungen im Unternehmen) einnehmen.
Die Anbieter von Hardware, Software und Dienstleistungen sind aufgefordert, die Analysen durch realistische Angaben zu unterstützen und möglichst transparente und praktikable Modelle zur Verfügung zu stellen. Die Fachabteilungen wiederum werden aus Eigeninteresse sehr eng mit der IT-Abteilung zusammenarbeiten, insbesondere um den Nutzen des Projektes zu definieren und zu quantifizieren.
Überzeugungsarbeit ist gegenüber der Unternehmensführung/Geschäftsleitung und der Finanzabteilung/ Controlling zu leisten. Der Unternehmensleitung muss der positive Einfluss der Investition auf das Unternehmensergebnis dargestellt werden - hier bietet sich ein gemeinsames Vorgehen von Fachabteilung und IT-Abteilung an. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Verwendung von bekannten betriebswirtschaftlichen Begriffen (zum Beispiel ROI), eine Verwendung von US-Kunstbegriffen ist auch in diesem Fall kontraproduktiv. Das Hauptinteresse des Controlling besteht darin, die Analysen und Berechnungen nachzuvollziehen, um sich ein eigenes Urteil erlauben zu können. Deshalb müssen Methode, Modelle und Berechnungen transparent angelegt sein. Unabhängig von der eingesetzten Methode gilt: Die quantitativen Kennzahlen sind wichtige Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeitsanalyse. Noch wichtiger aber ist der Prozess der Wirtschaftlichkeitsrechnung selbst, bei dem die Teilnehmer sich intensiv mit dem Wert von IT für das Unternehmen beschäftigen - und diesen vielleicht sogar erstmals verstehen.