Die Fluktuation in deutschsprachigen Vorstandsetagen liegt über dem europäischen und globalen Durchschnitt. Seit 2012 hat sich die Fluktuationsquote jedoch verdoppelt. Konzernchefs in der Industrie und Health-Care-Branche stehen unter Druck. CEOs, die aus den eigenen Reihen aufsteigen, erzielen bessere Ergebnisse als solche, die vorher bei einem anderen Unternehmen gearbeitet haben. Das sind die Ergebnisse der "Global CEO-Succession 2011"-Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company. Diese hat die Veränderungen in den Positionen der 2.500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen bereits zum elften Mal untersucht. Dabei werden langfristige Trends und Entwicklungen durch den Vergleich der Daten aus mittlerweile zwölf aufeinander folgenden Jahren analysiert.
Nach einem Rekordtief in 2010 kam im vergangenen Jahr wieder Bewegung in die Führung deutscher Konzerne. Gab 2010 nur jeder elfte Vorstandsvorsitzende seinen Posten freiwillig oder unfreiwillig ab, besetzten die größten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2011 jede sechste Spitzenposition neu. Mit einer annähernden Verdopplung der Fluktuationsquote von 8,7 Prozent auf 16,7 Prozent verzeichnet der deutschsprachige Raum im internationalen Vergleich den stärksten Anstieg. Global wuchs hingegen die CEO-Wechselquote wesentlich moderater auf knapp drei Prozent europaweit von 10,2 Prozent auf 14,8 Prozent. Damit liegt Deutschland ungefähr gleichauf mit Japan, jedoch deutlich hinter Schwellenländern wie Brasilien, Russland und Indien. Diese weisen nicht nur erstaunliche volkswirtschaftliche Wachstumsraten, sondern auch die höchsten CEO-Wechselquoten mit 22 Prozent auf. Insgesamt können sich die deutschsprachigen CEOs mit einer durchschnittlichen Amtszeit von 7,6 Jahren etwas länger im Amt halten als das europäische Mittel mit 6,9 Jahren und geben ihren Top-Job im Alter von 56,8 Jahren ab.
Deutsche Chefetagen sind die Schleudersitze Europas
Mit der deutschen Konjunktur sprang 2011 auch das Wechselspiel in den Chefetagen wieder an. Deutschland befindet sich wieder in sehr guter konjunktureller Verfassung, im Gegensatz zum Rest Europas. "Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die CEO-Wechselquote hier um 3,8 Prozent höher liegt als im übrigen Westeuropa beziehungsweise in den USA. Eine neue Generation stellt nun nach einem meist gut geplanten und geordneten Übergang an der Konzernspitze die strategischen Hebel auf weiteres Wachstum, " sagte Klaus-Peter Gushurst, Sprecher der Geschäftsführung im deutschsprachigen Raum von Booz & Company.
Diesen Trend belegt auch die Studie: So halbierte sich der Anteil der unfreiwilligen Personalrochaden annähernd von 20 Prozent in 2010 auf knapp zwölf Prozent im Jahr darauf. Beispiele für geplante und erfolgreiche Führungsnachfolgen sind BASF, Bilfinger Berger, Puma oder ThyssenKrupp. Im restlichen Westeuropa passierten immerhin 17 Prozent der Top-Personalien unfreiwillig sowie vor Ablauf der eigentlichen Vertragslaufzeit.
Es sorgten in deutschsprachigen Unternehmen über vier Jahre hinweg rekrutierte Vorstandsvorsitzende ("Outsider") für bessere Ergebnisse als CEOs aus den eigenen Reihen ("Insider"). Dieses Verhältnis kehrte 2011 radikal um. So erwirtschafteten die Eigengewächse eine durchschnittliche Aktienrendite von 5,1 Prozent, während sich die von Outsidern geführten Unternehmen im Schnitt mit 7,7 Prozentpunkten im Minus befanden.
Chef-Fluktuation in IT-Branche sinkt
Die mit Abstand höchste CEO-Fluktuation verzeichnete mit 33,3 Prozent wieder der Health-Care-Sektor. Bereits 2010 wies dieses Marktsegment den höchsten Wert aller untersuchten Industrien aus. "Das deutsche Gesundheitssystem und die damit verbundenen marktbestimmenden Faktoren wie die Gesundheitspolitik, das Patentrecht oder die Zulassungsbestimmungen durchlaufen aktuell einen fundamentalen Veränderungsprozess. Diese strategische wie strukturelle Neuausrichtung der Branche erfordert unbelastete Topmanager", so Gushurst. Eine ähnlicheEntwicklung prognostizieren wir nach der Energiewende 2011 in den kommenden Jahren auch für den Utility-Sektor. Dieser zählte im vergangenen Jahr mit 12,5 Prozent noch zu den vergleichsweise sicheren CEO-Häfen. In dieser Industrie werden eher kurz- als mittelfristig neue Köpfe die notwendigen Restrukturierungsprogramme erarbeiten und umsetzen.
Trotz der noch immer schwelenden Finanzkrise wurde in der Bank- und Versicherungswirtschaft nur ungefähr jeder zehnte Unternehmenslenker ausgetauscht. In der eigentlich schnelllebigen IT-Branche sank die Quote sogar von 20 auf 15 Prozent.