Fluktuation verdoppelt

Konzernchefs unter Druck

12.06.2012 von Marie-Sophie Bergauer
Durchschnittlich bleiben deutsche CEOs siebeneinhalb Jahre im Amt. Seit 2010 hat sich die Fluktuationsrate auf den Chefsesseln allerdings verdoppelt.
Der CEO-Stuhl wird immer mehr zum Schleudersitz: In deutschen Chefetagen hat sich die Fluktation verdoppelt.
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Die Fluktuation in deutschsprachigen Vorstandsetagen liegt über dem europäischen und globalen Durchschnitt. Seit 2012 hat sich die Fluktuationsquote jedoch verdoppelt. Konzernchefs in der Industrie und Health-Care-Branche stehen unter Druck. CEOs, die aus den eigenen Reihen aufsteigen, erzielen bessere Ergebnisse als solche, die vorher bei einem anderen Unternehmen gearbeitet haben. Das sind die Ergebnisse der "Global CEO-Succession 2011"-Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company. Diese hat die Veränderungen in den Positionen der 2.500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen bereits zum elften Mal untersucht. Dabei werden langfristige Trends und Entwicklungen durch den Vergleich der Daten aus mittlerweile zwölf aufeinander folgenden Jahren analysiert.

Nach einem Rekordtief in 2010 kam im vergangenen Jahr wieder Bewegung in die Führung deutscher Konzerne. Gab 2010 nur jeder elfte Vorstandsvorsitzende seinen Posten freiwillig oder unfreiwillig ab, besetzten die größten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2011 jede sechste Spitzenposition neu. Mit einer annähernden Verdopplung der Fluktuationsquote von 8,7 Prozent auf 16,7 Prozent verzeichnet der deutschsprachige Raum im internationalen Vergleich den stärksten Anstieg. Global wuchs hingegen die CEO-Wechselquote wesentlich moderater auf knapp drei Prozent europaweit von 10,2 Prozent auf 14,8 Prozent. Damit liegt Deutschland ungefähr gleichauf mit Japan, jedoch deutlich hinter Schwellenländern wie Brasilien, Russland und Indien. Diese weisen nicht nur erstaunliche volkswirtschaftliche Wachstumsraten, sondern auch die höchsten CEO-Wechselquoten mit 22 Prozent auf. Insgesamt können sich die deutschsprachigen CEOs mit einer durchschnittlichen Amtszeit von 7,6 Jahren etwas länger im Amt halten als das europäische Mittel mit 6,9 Jahren und geben ihren Top-Job im Alter von 56,8 Jahren ab.

Deutsche Chefetagen sind die Schleudersitze Europas

Mit der deutschen Konjunktur sprang 2011 auch das Wechselspiel in den Chefetagen wieder an. Deutschland befindet sich wieder in sehr guter konjunktureller Verfassung, im Gegensatz zum Rest Europas. "Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die CEO-Wechselquote hier um 3,8 Prozent höher liegt als im übrigen Westeuropa beziehungsweise in den USA. Eine neue Generation stellt nun nach einem meist gut geplanten und geordneten Übergang an der Konzernspitze die strategischen Hebel auf weiteres Wachstum, " sagte Klaus-Peter Gushurst, Sprecher der Geschäftsführung im deutschsprachigen Raum von Booz & Company.

Diesen Trend belegt auch die Studie: So halbierte sich der Anteil der unfreiwilligen Personalrochaden annähernd von 20 Prozent in 2010 auf knapp zwölf Prozent im Jahr darauf. Beispiele für geplante und erfolgreiche Führungsnachfolgen sind BASF, Bilfinger Berger, Puma oder ThyssenKrupp. Im restlichen Westeuropa passierten immerhin 17 Prozent der Top-Personalien unfreiwillig sowie vor Ablauf der eigentlichen Vertragslaufzeit.

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Neue Besen kehren ...
Vorgesetzte, die sich in ihre neue Position vorsichtig einarbeiten, erleichtern die Integration. Tipps für den Übergang.
Never change a running system
Viele Manager kommen mit neuen frischen Ideen ins Unternehmen und setzen sich das Ziel, diese so schnell als möglich umzusetzen. Aber die Abteilung hat bisher funktioniert, extreme neue Ideen könnten das zerstören.
Fähigkeiten der Mitarbeiter entwickeln
Ein Manager führt eine Abteilung, er macht nicht die Arbeit seiner Mitarbeiter. Viele Bereichsleiter lassen sich durch ihre eigenen Fachkenntnisse dazu verleiten, selbst tätig zu werden, wo Sachbearbeiter zuständig sind. Das wirkt demotivierend auf das gesamte Team.
Externe Netzwerke bilden
Erstes Ziel eines Abteilungsleiters sollte es sein, seine Geschäftspartner wie Kunden oder Lieferanten kennenzulernen. Dabei macht es Sinn, diese Besuche zusammen mit Mitarbeitern aus dem eigenen Team durchzuführen.
Interne Beziehungen aufbauen
Abteilungen sind immer Teile eines Gesamtunternehmens. Zusammen bilden sie den Erfolg, auch wenn jede Abteilung davon überzeugt ist, dass sie besonders viel dazu beiträgt.
Verantwortung delegieren
Mitarbeiter brauchen Freiräume und müssen durch Ziele geführt werden, die individuell vereinbart werden. Untergebene sollten dazu eigene Ziele vorschlagen oder entwickeln.
Ziele aufstellen
Mehrere Ziele wie neue Kunden, Lieferanten, Produkte, Umsatzziele, Einkaufsziele, Effizienzziele, Teamziele, Weiterbildungsziele, Karriereziele sind immer sinnvoll, weil so Mitarbeiter auch motiviert bleiben, wenn sich mal ein einzelnes Ziel nicht erfüllt.
Verantwortungsbereiche festlegen
Stellenbeschreibungen, Ablaufbeschreibungen und Unterschriftenregelungen legen fest, welche Endscheidungen Mitarbeiter treffen können. Das klappt häufig nicht zu Beginn einer neuen Tätigkeit, aber dann können man gemeinsam Entscheidungsspielräume entwickelt werden.
Vertrauen bilden
Regelmäßige Gespräche mit Mitarbeitern im -Team wie in Einzelgesprächen- lassen erkennen, wie die Abteilung funktioniert und inwieweit die Ziele erfüllt werden. Dabei gehört Kritik ins Einzelgespräch, Lob ins Team.
Teamarbeit fördern
Manager und Mitarbeiter bilden sich in funktionierenden Unternehmensstrukturen regelmäßig weiter. Der Chef, der schon alles weiß, ist und wird kein Teammitglied. Außerdem wird die Bedeutung von Training durch die Teilnahme von Führungskräften erhöht.
Time is money?
Unternehmensleitungen sollten ein wenig Geduld mit ihren neuen Managern haben, damit diese die Chance haben, sich ins Unternehmen einzugliedern. Wer schnell Erfolge fordert, wird Flüchtigkeit und Fehlentscheidungen ernten. Das Sprichwort "Neue Besen kehren gut" hat eine Ergänzung, die viel zu oft vergessen wird. Sie lautet "Aber alte kennen die Ecken besser" Nur die Kombination von Alt und Neu schafft also den kontinuierlichen Unternehmenserfolg.

Es sorgten in deutschsprachigen Unternehmen über vier Jahre hinweg rekrutierte Vorstandsvorsitzende ("Outsider") für bessere Ergebnisse als CEOs aus den eigenen Reihen ("Insider"). Dieses Verhältnis kehrte 2011 radikal um. So erwirtschafteten die Eigengewächse eine durchschnittliche Aktienrendite von 5,1 Prozent, während sich die von Outsidern geführten Unternehmen im Schnitt mit 7,7 Prozentpunkten im Minus befanden.

Chef-Fluktuation in IT-Branche sinkt

Die mit Abstand höchste CEO-Fluktuation verzeichnete mit 33,3 Prozent wieder der Health-Care-Sektor. Bereits 2010 wies dieses Marktsegment den höchsten Wert aller untersuchten Industrien aus. "Das deutsche Gesundheitssystem und die damit verbundenen marktbestimmenden Faktoren wie die Gesundheitspolitik, das Patentrecht oder die Zulassungsbestimmungen durchlaufen aktuell einen fundamentalen Veränderungsprozess. Diese strategische wie strukturelle Neuausrichtung der Branche erfordert unbelastete Topmanager", so Gushurst. Eine ähnlicheEntwicklung prognostizieren wir nach der Energiewende 2011 in den kommenden Jahren auch für den Utility-Sektor. Dieser zählte im vergangenen Jahr mit 12,5 Prozent noch zu den vergleichsweise sicheren CEO-Häfen. In dieser Industrie werden eher kurz- als mittelfristig neue Köpfe die notwendigen Restrukturierungsprogramme erarbeiten und umsetzen.

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Mehr Gehalt
Studien beweisen: Ein Jobwechsel ermöglicht oftmals bis zu 20 Prozent mehr Einkommen.
Karrieresprung
Besteht im eigenen Unternehmen nicht die Möglichkeit, die Karriereleiter emporzuklettern, hilft nur ein neuer Arbeitgeber.
Neue Aufgaben
Entfliehen Sie der Routine und haben Sie Spaß an neuen Aufgaben.
Herausforderungen nutzen
Nur wenn der Job fordert, bleibt er interessant. Sind Sie auf Dauer unterfordert, werden Sie unglücklich.
Eigeninitiative ist besser als eine Kündigung
Warten Sie nicht auf Ihre Entlassung, sondern handeln Sie initiativ - das kommt bei Personalchefs gut an.
Flexibilität und Engagement zeigen
Flexibilität und Engagement zeigen. Jede moderne Biografie sollte selbst initiierte Jobwechsel enthalten.
Persönliche Weiterbildung
Am besten weiterentwickeln kann man sich, wenn man Neues kennen lernt.
Den Schritt wagen
Finden Sie, dass Ihre Karriere in die falsche Richtung läuft? Dann korrigieren Sie Ihren Weg mit einem Wechsel.
Gefunden werden
Stellen Sie Ihr Profil in eine Jobdatenbank ein und lassen Sie sich finden!
Die Zeit ist reif
Der Zeitpunkt zum Wechsel ist günstig, denn gut ausgebildete Arbeitnehmer werden gesucht.

Trotz der noch immer schwelenden Finanzkrise wurde in der Bank- und Versicherungswirtschaft nur ungefähr jeder zehnte Unternehmenslenker ausgetauscht. In der eigentlich schnelllebigen IT-Branche sank die Quote sogar von 20 auf 15 Prozent.