DSAG-Vorstand Waldemar Metz kommentiert

Kollaboratives CRM - "der" Trend

18.11.2009 von Waldemar  Metz (DSAG)
Bei Customer-Relationship-Management-(CRM)-Systemen stehen Branchenlösungen hoch im Kurs. Künftige Entwicklungen werden das kollaborative CRM mit Web 2.0 stärker berücksichtigen müssen.
Waldemar Metz, Vorstand Ressort Prozesse und Applikationen in der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) e.V.

Der Trend hin zu CRM-Branchenlösungen zeigt, dass Unternehmen die Vorteile standardisierter Geschäftsprozesse erkannt haben. Denn solche Standardlösungen lassen sich in der Regel kostengünstig einführen, und sie sorgen für optimierte und vollständig abgebildete Geschäftsprozesse. Je nachdem, ob das Unternehmen im Business-to-Consumer-(B2C)- oder im Business-to-Business-(B2B)-Markt tätig ist, gibt es jedoch auch innerhalb der Branchen Unterschiede.

Im B2C-Markt, beispielsweise im Handel oder in der Telekommunikation, ist das Geschäft primär gekennzeichnet durch einen großen Käufermarkt und damit durch große Datenmengen, umfassende Marketingaktivitäten, kurze und einfache Vertriebsprozesse und häufig durch ein Call-Center mit Service- und Reklamationsmanagement. Die Vertriebsstruktur ist flach, Service-prozesse sind weniger komplex ausgeprägt und beschränken sich oft auf Rücknahme und Austausch. B2B-Unternehmen, beispielsweise aus der Maschinenbau- oder Konsumgüterindustrie, haben in der Regel eine mehrstufige Vertriebsstruktur und lange Durchlaufzeiten. Hinzu kommen komplexe und meist individuelle Produkt- und Leistungsangebote für einen begrenzten Nachfrage- und Käufermarkt.

Die Märkte stellen die Anforderungen

Für eine optimale langjährige Betreuung ist im B2B-Bereich die Sicht auf die gesamte Historie mit allen Marketing-, Verkaufs- und Serviceaktivitäten und -vorgängen besonders wichtig. Auch die Prozesse im Kundenservice sind im Vergleich zum B2C-Markt gänzlich unterschiedlich und haben eine wesentlich größere Relevanz. Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch die notwendige Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter mit umfassenden mobilen CRM-Lösungen. Neben der aktuellen Bereitstellung aller Kundeninformationen wünscht sich dieser Nutzerkreis eine schnelle, einfache und intuitive Bedienung des CRM-Systems. Diese markt- und branchenbedingten Unterschiede werden von Branchenlösungen in der Regel bereits im Standard abgedeckt. Optimierungspotenzial bei künftigen Entwicklungen gibt es jedoch in den Bereichen kollaboratives und kommunikatives CRM.

Unter kollaborativem CRM sind Prozesse zu verstehen, die in der Kommunikation Mitarbeiter, Lieferanten, Partner und Kunden einbinden. Es geht damit über den Vertrieb hinaus. Anschauliche Beispiele aus dem operativen Bereich liefern uns Energieversorger, Versicherungsunternehmen und Telekommunikationsdienstleister. Über deren Kundenportale lassen sich nicht nur Rechnungen einsehen, sondern auch Verträge abschließen. Diese gelangen automatisch ins ERP-System, wo ein entsprechender Kundenauftrag angelegt wird. Was für Kunden gilt, gilt auf der anderen Seite für Lieferanten. Sie können ohne Weiteres bei Auftragsänderungen oder Reklamationen hinzugezogen werden.

Mehr Einfluss für die Kunden

Kollaboratives CRM verlässt heutzutage in einigen Fällen bereits den operativen Bereich und findet sich unter anderem in der Produktentwicklung wieder. So können Kunden im Internet präsentierte Produkte nach ihren Vorstellungen ändern. Sie haben Einfluss auf die Farb- oder Formgebung, sogar funktionale Verbesserungen sind möglich. Ein solcher Prozess wird gerade auch in der IT-Industrie angestoßen. Mitglieder der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) e. V. können im Rahmen der sogenannten Customer-Engagement-Initiative ihre Anregungen und Verbesserungsvorschläge noch in der Entwicklungsphase an SAP geben. In der Regel geschieht dies in Form von Web-Konferenzen mit entsprechenden SAP-Entwicklungsteams.

Konsequent genutzt, ergeben sich aus einer solchen Kundenbeteiligung Vorteile für beide Seiten. Die Hersteller können ihre Kosten senken, da der Kunde schlicht einen Teil der Aufgaben übernimmt, der bisher bei ihnen lag. Beispiele hierfür sind Auftragserfassung oder Adressänderungen, die selbstständig im Kundenportal durchgeführt werden, oder das Online-Banking, bei dem der Kunde eine Banküberweisung in Form eines Customer-Self Service selbst vornimmt. Der Vorteil: Der Kunde ist fortan weder orts- noch zeitgebunden. Das Gleiche gilt für das Online-Shopping. Durch automatisierte Bestellungen via Internet kann täglich 24 Stunden eingekauft werden. Bei aller Selbstständigkeit darf nur nicht das Gefühl entstehen, dem Unternehmen lediglich lästige Arbeit abzunehmen. Jeder Self-Service muss einen Nutzen bringen. Dann trägt er mitunter zur Kundenzufriedenheit und damit auch zur Kundenbindung bei.

Das kommunikative CRM, welches das gesamte Multichannel-Management umfasst, erhält durch technische Ansätze wie Web 2.0 neue Formen der Kundenansprache. Web-2.0-Anwendungen wie Communities mit Blogs, Foren, Wikis, Webinaren, Web-Konferenzen und virtuellen Messen verändern die Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen wesentlich. Über unternehmenseigene Communities, so genannte Brand Communities, ergibt sich für die Unternehmen die Möglichkeit des direkten Dialogs mit dem Kunden: vom zielgruppengerichteten und individuell personalisierten Marketing mit Feedback-Aktionen über die interaktive Einbeziehung des Kunden in die Produktentwicklung bis hin zu öffentlich zugänglichen Erfahrungsberichten. Immenses Potenzial haben die offenen Social Communities mit "User Generated Content". Diese nutzen die Communities, die eine Unmenge an Informationen und Millionen von Profildaten enthalten, beispielsweise für virales Marketing.

Unbestelltes Feld: Social Networks

Eines der jüngsten Mitglieder in dieser Riege ist Twitter: Heiß diskutiert, vielfach noch ignoriert, aber auf jeden Fall eine Betrachtung wert. Die einen sehen in Twitter einen einfachen Weg, um herauszufinden, was Kunden über Unternehmen und deren Produkte denken. Auf der anderen Seite ist diese sehr direkte Form der Kommunikation, wenn überhaupt, kaum zu steuern. Sie kann das Image von Unternehmen und Produkten genauso schnell in Misskredit bringen, wie sie diese überschwänglich preisen kann. Twitter ist ein noch unbestelltes Feld. Kaum einer weiß, welche Entwicklung ansteht oder welche kommunikative Rolle der Kanal spielen wird. Bisher scheint nur klar - das zeigen Beispiele der jüngeren Vergangenheit - dass Unternehmen Twitter nicht zu Werbezwecken gebrauchen sollten. Das lehnen die Nutzer ab. Sie wollen Informationen, sie wollen Meinung, sie wollen Einschätzung und Authentizität.

Das Web 2.0 wird die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden verändern und sich mittelfristig im B2B-Bereich etablieren. Dies gilt sicherlich in noch stärkerem Maße für die CRM-Lösungen im B2C-Bereich. Die Einbindung von Web 2.0 ist daher eine große Herausforderung, der sich die Unternehmen stärker als bisher stellen sollten. Hier müssen neue Kooperationsmodelle greifen, die zu einem Mehrwert für die Unternehmen und Kunden führen. Beiträge in Foren, Blogs, Chats oder aber Twitter können Kaufentscheidungen beeinflussen und üben damit direkten Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen, Produkten und Marken aus.

Mehr Zusammenarbeit

Künftige Wertschöpfungspotenziale liegen neben dem Web 2.0 auch im Auf- und Ausbau des kollaborativen CRM. Hier geht es einerseits darum, den Kunden interaktiv in die Prozesse mit einzubeziehen. Kollaboratives CRM greift aber andererseits über die Unternehmensgrenzen hinaus und integriert beispielsweise externe Lieferanten, Vertriebskanäle oder Dienstleister in die Zusammenarbeit. Dadurch können die Prozesskosten gesenkt, Medienbrüche vermieden und die Prozesse selbst beschleunigt werden.

Neue Anforderungen an CRM-Lösungen ergeben sich zudem durch den ständigen und raschen Markt-Kunden-Wandel. Für die künftige Generation der CRM-Systeme wird daher eine offene und flexible IT-Architektur immer wichtiger, die mittels Web-Services eine schnelle und unkomplizierte Anpassung der Prozesse erlaubt. Nur so können Unternehmen den Bedürfnissen ihrer Kunden auch in Zukunft gerecht werden.