Knowledge-Management mit Topic Maps

24.01.2003
Von Carsten Rossi . Carsten Rossi ist Managing Partner bei der NetFederation Interactive Media GmbH in Köln. MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Problem des Web von heute besteht darin, dass Inhalte semantisch und syntaktisch noch nicht standardisiert und erschlossen sind. Doch die Lösung scheint nicht fern: So genannte Topic Maps verlinken die Inhalte der Themen so miteinander, dass erstmals eine wirklich präzise Suche möglich ist.

"Die Route wird berechnet" - was mit dem Global Positioning System (GPS) zum Kinderspiel geworden ist, stellt in der digitalen Welt noch immer eine große Herausforderung dar. Einfach Ziel eingeben, los fahren und ankommen ist gerade im Web eine Wunschvorstellung, die auch ein modernes Content-Management-System nicht leisten kann.

Die in XML-Syntax ausgedrückte Topic Map wird durch den Navigator "Omnigator" des Softwareherstellers Ontopia im Browser sichtbar und navigierbar. Dabei werden alle Assoziationen und Informationen eines Topics in der Webdarstellung visualisiert.

Ziel der digitalen Kommunikation muss es sein, Inhalte so aufzubereiten, dass die Informationseinheiten einfach erstellt und verwaltet werden können. Zudem müssen Nutzer in die Lage versetzt werden, Inhalte ohne große Mühe schnell zu finden. Die Information muss dabei in einem verständlichen Kontext stehen, damit aus reinen Fakten die gewünschte Wissensvermittlung wird - das entscheidende Kriterium für die erfolgreiche technische Kommunikation und Grundlage der Topic Maps.

XML als Grundlage des Knowledge-Management

Grundlage für Knowledge-Management im Web sind XML-basierende Metasprachen wie der XTM-Topicmap-Standard. Mit dieser Technologie lassen sich Inhalte so strukturieren, dass sie in ihrer Bedeutung erschlossen und somit zu wiederverwendbaren und verwaltbaren Informationseinheiten werden. Außerdem entsteht damit eine syntaktische Struktur, auf die das Knowledge-Management aufbaut.

Content-Management-Systeme kontrollieren die Ablage, Verwaltung und Zugriffssteuerung für einzelne elektronische Informationseinheiten. In Verbindung mit einem Workflow-Management-System kann zusätzlich bestimmt werden, welche Personen zu welchem Zeitpunkt welchen Zugriff darauf erhalten sollen. Die Tendenz weg von einer Gesamtdokumentation hin zu der Erstellung einzelner geordneter Einheiten und deren flexibler Komposition ebnet den Weg für das Knowledge-Management, reicht aber noch nicht aus.

Mit Xlink steht ein Mechanismus für XML zur Verfügung, mit dem die zahlreichen Informationseinheiten zu elektronischen Publikationen zusammengeführt werden können. Dafür müssen sie in einem sinnvollen Bezug zur aktuell angezeigten Einheit stehen. Diese Verweise sind aber nur ein Zwischenschritt vom Informations- zum Wissensmanagement. Ein Problem bei XLink besteht nämlich darin, dass dieser Standard kaum Möglichkeiten bietet, die Vielzahl an Links zu organisieren.

Abhilfe schafft dafür seit Anfang 2000 der Standard ISO/IEC 13250:2000 Topic Maps. Er hat folgendes Ziel: Einfache Navigation und zielgerichtete Suche in großen, ständig wachsenden Informationsmengen. Der Standard definiert grundlegende Konzepte für Wissensrepräsentation und bildet die Grundlage für den XTM-Topicmap-Standard, der diese Konzepte in XML-Syntax ausdrückt. Bei diesem Ansatz werden alle Dinge und Konzepte, die uns umgeben, als potenzielle Topics wahrgenommen und in einer übergeordneten Ebene der Topic Map definiert.

Ein Vorteil von Topics ist, dass sie sich als Instanzen anderer Topics definieren lassen: Zum Beispiel "Produkt" als Topic vom Typ "Unternehmen". Es werden also für den Menschen verständliche und für den Computer interpretierbare Relationen zwischen Dingen abgebildet.

Zur präzisen semantischen Verknüpfung werden Assoziationen genutzt, die eine komplexe Vernetzung der Topics ermöglichen. Dabei werden Relationen zwischen unterschiedlichen Typen von Topics dargestellt. Vorteil der Associations ist außerdem, dass sich aus ihnen bidirektionale Links erstellen lassen, was zur automatischen Erzeugung von Kontext und Semantik führt. Beispiel: Die Topics "Unternehmen" und "Produkt" sind mit der Assoziation "verkaufen" verknüpft. Betrachtet der Nutzer die Verknüpfung nun vom Topic "Unternehmen" aus, so trägt sie den Namen "verkauft", betrachtet er sie vom Topic "Produkt" aus so lautet sie "wird verkauft von". Eine Verknüpfung spiegelt also den Standpunkt des Betrachters im Informationsgefüge wieder und bildet so einen gemeinsamen Kontext für beide Topics.

Occurrences schließlich verbinden Topics mit unstrukturierten Ressourcen (wie Websites, Bilder oder Dokumente), die Informationen zum jeweiligen Topic beinhalten. Jedes Topic lässt sich zu unbegrenzt vielen derartiger Vorkommnisse in Beziehung setzen, es ist also kein Problem, einem Topic mehrere Websites oder Bilder zuzuordnen.

Diese Links definieren letztendlich Netzwerke, die die einzelnen Informationseinheiten verknüpfen, um sie in einen möglichst übersichtlichen Kontext zu stellen. Die Verwaltung der zahlreichen Links kann durch entsprechende Management-Systeme erfolgen, da die Verknüpfungen durch ihre Einbettung in die Topicmap für den Computer verarbeitbar geworden sind. Letztendlich haben alle Elemente einer Topic Map - Topics, Associations und Occurrences - einen Typ, der sie in einem semantischen Netz näher klassifiziert und bei der Suche oder Navigation sehr hilfreich ist. Ein Topic hat zusätzlich noch Scopes: Sie schränken die Gültigkeit von Beziehungen ein, definieren den Kontext eines Begriffes und dienen der Herstellung unterschiedlicher Sichten. Scopes steuern beispielsweise Anfänger-Sicht oder Experten-Sicht, Sprache oder User- und Rechte-Management.

Vorteile von Topic Maps

Ausbaufähigkeit einmal definierter Sachverhalte: Neue Topics lassen sich in bereits existierende Topics, ihre Assoziationen und deren vorhandene Vernetzungen einfach und schnell einbauen. Jedes neue Topic wird sofort in den richtigen Kontext integriert und verlinkt. Gerade bei großen Informationsmengen stellt dies eine große Arbeitsersparnis für Web-Designer und Informations-Manager dar.

Zufriedenheit der Nutzer: Topic Maps geben dem Nutzer eine klare Orientierung und ermöglichen ihm einen wesentlich schnelleren und präziseren Zugriff auf das Informationsangebot.

Nebenprodukt Selbstanalyse: Für die Erstellung einer Topic Map ist eine gründliche Analyse der eigenen Organisation und des vorhandenen Informationsangebotes nötig. Die Ergebnisse dieser Analyse können sich auch in anderen Zusammenhängen des Unternehmens als sehr wertvoll erweisen.

Nutzung in anderen Kontexten: Eine Topic Map kann auch als Grundlage für weitergehende Anwendungen dienen, wie etwa ein automatisiertes Issue-Management.

Durch die Festlegung von Topics in Zusammenhang mit Associations und Occurrences - also Topic („Unternehmen“) mit Occurence (www.unternehmen.de) sowie Association („produziert“) und Topic („Produkt“) mit Occurence (www.produkt.de) - entsteht bei Topic Maps somit eine für den Anwender natürlich erscheinende Informationsdarstellung.

Große Bedeutung kommt der Bestimmung eindeutiger Identitäten zu: In geschlossenen Entitäten (etwa Firmen-Intranet) ist dies einfacher durchzuführen, als in der Interaktion mit mehreren externen Organisationen. Denn dies erfordert den Konsens aller Teilnehmer, was besonders in verschiedenen Kulturkreisen intensiver Kommunikation bedarf.

Visualisierung des semantischen Netzes

Die Umsetzung der Struktur der Topic Map auf eine Benutzeroberfläche erfolgt mittels verschiedener Tools. Es gibt prinzipiell unbeschränkt viele Möglichkeiten, da die Maps nur die reine Information beinhalten und die Darstellung somit den Applikationen überlassen ist. Probleme können allerdings bei 3D-Visualisierungen autreten. Große Topic Maps werden bei 3D sehr schnell sehr komplex. Die Übersichtlichkeit und Navigierbarkeit geht dann verloren.

Zusammenfassung

Eine Topic Map beinhaltet Topics unterschiedlicher Art, die sich teilweise untereinander definieren. Die semantische Verknüpfung erfolgt mittels Assoziationen, die eine komplexe Vernetzung der Topics ermöglichen. Die Zuordnung verschiedener Informationsquellen (Websites, Bilder, Dokumente) zum jeweiligen Topic wird durch Occurrences ermöglicht. Damit werden in Knowledge-Management-Systemen durch die Link-Netzwerke der Topic-Map Wissensstrukturen der Informationseinheiten repräsentiert. Topic Maps stellen damit Informationen und Wissen in einer für den Computer interpretierbaren Syntax zur Verfügung und ermöglichen dem Nutzer eine Recherche nach menschlichen Denkstrukturen mit präzisen Suchergebnissen.