Kneipptour mit BPM

Kneipp automatisiert Business-Prozesse

15.03.2011 von Susanne Franke
Das Traditionsunternehmen hat sich auf den Weg zur Geschäftsprozess-gesteuerten Organisation gemacht.
Foto: Kneipp Group

Die naturheilkundlichen Studien des Gesundheitspioniers Sebastian Kneipp legten 1891 den Grundstein für die Kneipp-Werke. Heute ist das in Würzburg ansässige Unternehmen ein eigenständiger Betrieb innerhalb der weltweit operierenden Hartmann-Gruppe. Es beschäftigt weltweit zirka 350 Mitarbeiter.

Kneipp vermarktet Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel sowie Körperpflege- und Badeprodukte vor allem über Drogeriemärkte und den Lebensmitteleinzelhandel, aber auch über klassische Apotheken. Es operiert seit langem in Benelux und der Schweiz sowie in 18 weiteren Ländern mit Hilfe von Vertriebspartnern. Der Ausbau bestehender Märkte, zum Beispiel Frankreich, Tschechien, Japan oder USA, steht dabei genauso im Blickpunkt wie die Eroberung neuer Märkte in Asien und Osteuropa.

Immer mehr immer schneller

Die Expansionsvorhaben gepaart mit der raschen Entwicklung stellten Kneipp vor Herausforderungen. Immer mehr neue Produkte müssen in immer kürzeren Intervallen auf den Markt kommen, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Das heißt, der Produkteinführungsprozess muss möglichst stark verkürzt und mit der Lieferkette integriert werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Kneipp neben Kosmetik- und Gesundheitsartikeln auch Arzneimittel herstellt; das bedeutet hohe Anforderungen hinsichtlich der Qualität und durchgängigen Rückverfolgbarkeit der Produkte. Die gesamte Qualitätssicherung und -kontrolle muss nicht nur dokumentiert werden, sondern zudem weitestgehend automatisiert ablaufen.

Schließlich gilt es, auch die Verbindung zu den mehr als 40 Geschäftspartnern schnell und unkompliziert zu gestalten. Die Einzelhändler hat mittlerweile nur noch minimale Beständen vor und verlangen von den Anbietern immer häufiger Lieferungen im Just-in-Time-Verfahren - und das in Ländern mit unterschiedlichen Regularien.

Projektsteckbrief

  • Projektname: Automatisierung von Kerngeschäftsprozessen.

  • Branche: Naturheilmittel und Kosmetik.

  • Systemumgebung: SAP, Aris-Plattform, WebMethods.

  • Herausforderungen: Ausrichtung des Unternehmens an drei Kernprozessen.

  • Ergebnis: Ein Vielfaches an Produktänderungen lässt sich in kürzere Zeit einführen.

  • Stand des Projekts: Der Online-Shop ist live, erste Teilabläufe des Hauptgeschäftsprozesses für die Produkteinführung sind automatisiert.

  • Involvierter Anbieter/Dienstleister: Software AG.

  • Ansprechpartner: Christian Schulze, CIO Kneipp.

Die drei Kernprozesse

Christian Schulze, CIO und Mitglied der Geschäftsleitung bei Kneipp.
Foto: Schulze/Kneip

"Die Komplexität der Anforderungen an unser Geschäft ist vergleichbar mit der in großen Unternehmen, doch steht uns dafür lediglich das Budget eines Mittelständlers zur Verfügung", erläutert Christian Schulze, Chief Information Officer (CIO) und Mitglied der Geschäftsleitung bei Kneipp. "Um diese Herausforderungen meistern zu können, haben wir vor gut vier Jahren unsere Unternehmensstrategie überarbeitet, das heißt das Unternehmen an seinen Kernprozessen ausgerichtet."

Als Partner und Technologielieferant wählte Kneipp die Software AG. In einem mehrjährigen Gesamtprojekt, dessen Verlauf die Partner in einer Roadmap festgeschrieben haben, will Kneip seine Organisation in mehreren Phasen auf Geschäftsprozesssteuerung umstellen.

Am Anfang stand eine Prozessanalyse: Der Ist-Zustand der Prozesse wurde mit der Aris-Plattform abgebildet und analysiert. Als Ergebnis stellte Kneipp die bislang nach Produktlinien organisierten Abläufe um und definierte drei Kernprozesse, die sich quer durch die gesamte Organisation ziehen:

Diese Prozesse sollten mit Hilfe der "Model-to-execute"-Technik der Software AG automatisiert werden. Man einigte sich darauf, nur diejenigen Abläufe und unterstützenden Systeme anzufassen, die eine hohe Wertschöpfung versprachen. Im Zuge der Prozessumstellung und der geänderten Strategie musste auch die Organisationsstruktur angepasst und an den drei Hauptprozessen ausgerichtet werden. Die gesamte Initiative setzt sich aus vielen einzelnen Projekten zusammen, von denen bereits einige abgeschlossen sind.

Kunden und Lieferanten integriert

Als Vorbereitung auf die Neuordnung in der Prozessorientierung implementiert Kneipp schon 2008 ein Standard-ERP von SAP für die primären Geschäftsprozesse wie Logistik, Warenwirtschaft und Finanzen. Die Standardimplementierung sollte in erster Linie den Supply-Chain-Prozess unterstützen. Getrieben war dieses Vorhaben unter anderem von dem Ziel, über Electronic Data Interchange (EDI) die Abläufe mit den Kunden im Handel und mit den Lieferanten zu standardisieren.

Im Zuge der Softwarekonsolidierung entschied Kneipp, für die EDI-Integration WebMethods von der Software AG einzusetzen. Als "Hauptgrund" für diese Entscheidung nennt Schulze die Fähigkeit der Software, Standardprozesse im EDI-Bereich abzubilden und Anwendungen effizient mit dem zentralen ERP-System zu integrieren. Ein "zweiter entscheidender Faktor" sei aber die Tatsache, "dass wir die WebMethods-basierte Infrastruktur auch für das dedizierte unternehmensweite Prozess-Management nutzen wollen, um eine transparente, gut dokumentierte End-to-end-Kontrolle über unsere Geschäftsabläufe aufzubauen".

Mittlerweile ist das Infrastrukturprojekt erfolgreich abgeschlossen. Im nächsten Schritt galt es, einen neuen Online-Shop aufzusetzen. Die Herausforderung bestand darin, Informationen aus der Shop-Komponente in die buchhalterischen Abläufe beziehungsweise die Auftragbearbeitungs-Prozesse in SAP zu übertragen sowie von dort die Daten - wie Rechnung oder Lieferstatus - wieder zurück zu den Kunden zu bringen. Der Online-Shop gibt einen Standardablauf vor, aber die einzelnen Schritte des Datenaustauschs aus den unterschiedlichsten Prozessen von außen und innen werden mit WebMethods verwaltet, gemappt und zusammengeführt.

COMPUTERWOCHE-Powerseminar

Internet und E-Mail im Unternehmen von der (privaten) Nutzung zur rechtskonformen Archivierung

Wildwuchs. Anders lassen sich Art und Umfang der Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz in den meisten Unternehmen nicht bezeichnen. Das betrifft nicht nur die private Nutzung, durch die jährlich Unsummen bezahlter Arbeitsstunden „verbummelt“ werden, sondern auch der geschäftlich Umgang mit E-Mails als Geschäftsbriefen und deren Aufbewahrung. Das Seminar vermittelt gewohnt praxisorientiert die rechtlichen Grundlagen sowie technische und organisatorische Lösungsansätze: COMPUTERWOCHE Powerseminar am 10. Mai 2011 in München.

Produkteliminierung als Wertschöpfung

Die Kneipp-Lösung
Foto: Kneipp

Die Strategie-Roadmap sieht vor, nun sukzessive die drei Hauptgeschäftsprozesse mit der Model-to-execute-Software zu automatisieren. Als Pilotprozess nahm sich Kneipp einen Teilbereich des Hauptgeschäftsprozesses für die Produkteinführung vor: den Produktvernichtungs-Prozess. Mit diesem ersten BPM-Projekt (Business Process Management) betritt das Unternehmen Neuland, deshalb wählte es absichtlich keinen unternehmenskritischen Ablauf gewählt, wie Schulze ausführt.

Der Eliminierungsprozess eignet sich gut als Testablauf: Er gestaltet sich nicht allzu komplex, erforderte aber bis dato einen hohen Aufwand. Es galt viele Unterschriften und Begutachtungen einzuholen sowie die Wertberichtigungen für sämtliche Rohstoffe zu berücksichtigen. Der Prozess ist in Aris modelliert und wird von dort in die WebMethods-Suite übergeleitet, wo er dann automatisiert ausführbar ist.

Obschon die Produktvernichtung kein eigentlich wertschöpfender Prozess ist, hat Kneipp durch die Automatisierung konkrete Kosteneinsparungen von 35 Prozent erzielt, betont Schulze: "Heute erhalten wir auf Knopfdruck die notwendige Transparenz - eine Gesamtübersicht aller Kosten, aller Statusinformationen und des verbleibenden Rohstoffwerts."

Die Prozessumstellung ist als Erfolg zu werten: Die Abläufe wurden vereinfacht, es gibt keine redundanten Schritte mehr, die Entscheidungen lassen sich einheitlich und eindeutig treffen: "Durch den klaren Workflow sparen wir viel Zeit", betont Schulze: "In der Vergangenheit konnten wir etwa 15 neue Produkte in zwei bis drei Jahren auf den Markt bringen. Im vergangenen Jahre hingehen haben wir signifikant mehr Neuheiten und Produktänderungen eingeführt."

Mindestens genauso wichtig wie diese bereits errungenen Erfolge ist die aus dem Projekt gewonnene Erfahrung mit dem "Denken in Prozessen", so der CIO. Er habe registriert, dass die neue Denkweise das starre Abteilungsdenken bereits ablöse. Auf diese Weise werden, da ist Schulze sicher, die weiteren Projekte einfacher durchgezogen werden können. (qua)