Zukunftsforscher optimistisch

KI wird die Arbeitswelt positiv verändern

09.04.2024 von Manfred Bremmer
Hinsichtlich der Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt ist die große Mehrheit der Zukunftsforscher in einer Studie optimistisch. Dennoch bleibt kaum ein Stein auf dem anderen.
Zukunftsforscher erwarten, dass bald alle Mitarbeiter einen KI-Assistenten haben, entweder von der Firma gestellt oder als BYOAI.
Foto: Atomic62 Studio - shutterstock.com

Mit der fortschreitenden Weiterentwicklung der (generativen) künstlichen Intelligenz schrillen bei vielen Arbeitnehmern inzwischen die Alarmglocken. Angesichts der zunehmenden Fähigkeiten der KI wächst die Angst vor einem Jobverlust und anderen unabsehbaren Folgen und Gefahren für die berufliche Karriere.

"Das technikpessimistische Denken hat im letzten Jahr zugenommen, da die Fortschritte bei GenAI eine neue Welle von KI-Spekulationen ausgelöst haben", bringt es Frank Diana, Principal Futurist bei Tata Consulting Services (TCS), auf den Punkt.

Eine drohende Job-Apokalypse ist aber nur ein Szenario, wie sich die Welt mit KI weiterentwickeln könnte. Zukunftsforscher halten es vielmehr für sehr wahrscheinlich, dass der Durchbruch der KI den Weg aus den schlimmsten Missständen der Menschheit weist und eine bessere, gerechtere Welt schafft. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine aktuelle Studie von TCS, in der die Ansichten von 21 Futuristen aus aller Welt zum Thema KI ermittelt wurden. So ergab die Studie "Working towards the Future", dass 90 Prozent der befragten Zukunftsforscher den Veränderungen durch KI optimistisch gegenüberstehen. Fast die Hälfte von ihnen (40 Prozent) ist sogar "sehr optimistisch".

KI wacht über das Mitarbeiterwohl

Die teilnehmenden Futurologen hoben dabei insbesondere (72 Prozent) die Möglichkeit hervor, mit Hilfe von KI die physische und psychische Gesundheit von Arbeitnehmern zu verbessern. Ein KI-Assistent, der sich dem Wohlbefinden am Arbeitsplatz widmet, könnte zum Beispiel Ratschläge zur Gesunderhaltung, zur Flüssigkeitszufuhr und zu Pausen während der Arbeitszeit geben. In ferner Zukunft wäre es auch denkbar, dass ein KI-Assistent den Tonfall während einer Telefonkonferenz überwacht, Stress erkennt und einen 15-minütigen Spaziergang empfiehlt.

Gleichzeitig gehen 70 Prozent der Befragten davon aus, dass die Einführung von KI den durch die Pandemie angestoßenen Trend fortsetzen könnte, und in Zukunft weitere Tätigkeiten, die bisher vor Ort erledigt werden mussten, hybrid oder ferngesteuert ausgeführt werden können.

Mit der fortschreitenden Entwicklung von KI wird sich in einigen Geschäftsbereichen auch der Fokus der Führungskräfte von der Arbeitszeit auf die Leistung der Beschäftigten verlagern. Diese Ergebnisse scheinen aus Sicht der Studienautoren die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche zu unterstützen - ein Thema, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Allerdings sind die Experten in dieser Frage geteilter Meinung.

Branchen wandeln sich unterschiedlich schnell

Was die einzelnen Branchen angeht, glauben die Zukunftsforscher, dass Marketing und Kommunikation am schnellsten einen KI-gesteuerten Wandel erleben werden, gefolgt von Gesundheit und Bildung, Banken und Finanzdienstleistungen sowie IT und Softwareentwicklung.

Wie schnell sich die einzelnen Branchen verändern werden, hängt laut den Zukunftsforschern von einer Reihe von Faktoren ab. Die Branchen, die am meisten davon profitieren, werden die Fähigkeit der KI nutzen, um ihren Mitarbeitern dabei zu helfen, sich auf eine menschlichere, kreativere und strategischere Arbeit zu konzentrieren.

"Ob man von der Automatisierung unterstützt oder überrollt wird - das ist ein schmaler Grat," erklärt Graham Norris, Gründer von Foresight Psychology. "Diejenigen, die in der Lage sind, ihre Rolle schnell neu zu definieren, werden am meisten profitieren." Aus Sicht des Zukunftsforschers sollten beispielsweise Fachkräfte im Gesundheitswesen in der Lage sein zu definieren, welche Bereiche am besten von der KI übernommen werden können und welche eine menschliche Rolle erfordern.

Einstiegsjobs verändern sich drastisch

Ganz ohne Reibungsverluste wird die Einführung von KI in die Arbeitswelt aber nicht ablaufen. So gehen alle befragten Zukunftsforscher davon aus, dass sich die Einstiegsjobs durch KI erheblich verändern werden, 90 Prozent prophezeien sogar, dass sie in Zukunft ganz anders aussehen werden.

Dabei geht es jedoch nicht unbedingt um den Wegfall von Arbeitsplätzen. Die Experten glauben vielmehr, dass durch "Ambient AI", die bereits heute über typische Tools wie E-Mail, Kalender und Chat-Software Einzug in die Arbeitswelt hält, ein Paradigmenwechsel stattfindet. So könnte Ambient AI neuen Mitarbeitern helfen, sich an neue Aufgaben und Technologien zu gewöhnen, indem sie den Output von Berufsanfängern auf Qualität und Fehler überprüft.

"Schon bald werden Fachexperten in der Lage sein, Prozessschritte und Praktiken für Einstiegsjobs 'zu programmieren'", prophezeit Joe Carson, CEO von Spend Strategies. Die KI werde dann in der Lage sein, frühere Aktivitäten und deren Ergebnisse zu nutzen, um zu lernen, was sich bewährt hat, und um Fehler beim nächsten Mal zu vermeiden.

Assist, Augment Transform: KI wird Jobs auf drei Arten verändern, glauben die Futurologen.
Foto: TCS

Vom KI-Assistenten zum KI-Mitarbeiter

Doch nicht nur Berufseinsteiger, sondern letztlich alle Arten von Mitarbeitern sollen aus Sicht der Zukunftsforscher von KI profitieren - und ihnen den gleichen Zugang zu Informationen und Fähigkeiten bieten. 60 Prozent der befragten Zukunftsforscher erwarten, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern KI zur Verfügung stellen, die restlichen 40 Prozent gehen von einem "Bring Your Own AI" (BYOAI)-Modell aus.

Im Laufe der Zeit wird die Zusammenarbeit mit KI-Assistenten und eines Tages mit KI-Mitarbeitern in den Mittelpunkt der Arbeit rücken, so die Vision: Während die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI heute noch eher darin bestehe, dass der Mensch der KI Anweisungen gibt, werde die KI bald selbst zum aktiven Mitarbeiter, der uns, unsere Routinen und unsere Aufgaben kennt.

Gesellschaft muss KI mitgestalten

"Dieser Optimismus scheint vor allem auf dem Glauben an die Fähigkeit der KI zu beruhen, die Arbeitswelt in eine Welt zu verwandeln, in der Arbeitnehmer das tun, was sie glücklich macht, was sie interessiert und was sie begeistert", erklärt Diana die positiven Ergebnisse der Umfrage. Zwar seien sich die Zukunftsforscher einig, dass sich die Arbeit sicherlich verändern werde, dass einige Jobs entstehen und andere verschwinden werden. Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass Zeiten großer Erfindungen immer in zwei Richtungen gingen: konstruktiv und destruktiv.

"Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, die Risiken zu mindern und gleichzeitig jene Innovationen zu ermöglichen, die die menschliche Entwicklung vorantreiben, die Chancen zuzulassen und gleichzeitig die Störfaktoren zu begrenzen", so der TCS-Manager.