Ratgeber

Kennzahlen richtig einschätzen

25.03.2010 von Martin Bayer
Viele Firmenchefs verlassen sich bei ihren Entscheidungen auf Kennzahlensysteme. Doch wer die Aussagekraft dieser Daten nicht richtig einschätzen kann, geht ein unnötiges Risiko für sein Unternehmen ein.

"So selbstverständlich wie heute Kennzahlen verwendet werden, genauso vielfältig sind die Schwächen, die damit einhergehen", urteilt Richard Vizethum, Managementberater des Beratungshauses Coretelligence. Viele Entscheider würden den Daten blind vertrauen, obwohl ihnen oft nicht ausreichend bekannt sei, wie die Kennzahlen entstanden seien sind und welche Aussagekraft sie hätten. "Dadurch suggeriert man eine sichere Grundlage für Entscheidungen, tatsächlich bergen mangelhafte Kennzahlensysteme hohe Entscheidungsrisiken in sich."

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Die Verantwortlichen in vielen Unternehmen müssen bei ihren Entscheidungen auf Kennzahlen zurückgreifen. Die teilweise kaum noch überschaubaren Datenmengen zwingen die Firmen, die Informationen auf einzelne aussagefähige Größen zu verdichten. Kennzahlen bieten sich damit als ein zentrales Element der Unternehmenssteuerung und der Kommunikation an, weil sie auf den ersten Blick das intuitive Urteil durch nachprüfbare Daten ergänzen und vordergründig Vergleichbarkeit schaffen. Doch das ist nicht automatisch der Fall: Die Coretelligence-Experten haben die wichtigsten Indizien zusammengestellt, anhand derer sich typische Schwächen von Kennzahlensystemen erkennen lassen:

Die Interpretation von Kennzahlen beruht auf subjektiven Einschätzungen: Obwohl auf Basis von Kennzahlen oft Entscheidungen von weit reichender Bedeutung getroffen werden, fehlt für die Bewertung häufig ein klarer Rahmen, der sich an den übergreifenden Unternehmenszielen orientiert. Als Folge bleibt die Interpretation der Kennzahlen einem spezifischen Verständnis einzelner Personen oder Gruppen überlassen. Dadurch werden Entscheidungen möglicherweise von subjektiven Sichtweisen statt von gesamtheitlichen Firmeninteressen geprägt.

Unklarheit, wie eine Kennzahl entstanden ist: Die Analyse von Sachverhalten im Business - etwa die Ermittlung einer bestimmten Stornoquote für ein Produkt - hilft nur begrenzt für Entscheidungen. Denn eine entsprechende Kennzahl kann nicht die Frage beantworten, warum es zu diesem Sachverhalt gekommen ist. Für die Verantwortlichen ist es jedoch wichtig zu wissen, wie eine Kennzahl zustande gekommen ist, weil sich nur anhand einer Ursachenbetrachtung die notwendigen Maßnahmen zur Optimierung einleiten lassen.

Veränderungen einer Kennzahl sind nicht nachvollziehbar: Die Veränderung von Kundenverhalten, Wettbewerbsbedingungen und anderen Business-Faktoren beeinflusst die Entwicklung von Kennzahlen. Um jedoch daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen zu können, müssen die Verantwortlichen die Einflussfaktoren für diese Veränderungen verstehen können. Fehlt diese Transparenz, deutet dies auf eine Schwäche im Kennzahlenkonzept hin und verweist auf mangelndes Wissen über die Herkunft der Kennzahlen.

Isolierte Betrachtungen von Kennzahlen: Die Business-Verhältnisse sind meist komplex. Dadurch bleibt die Aussagekraft einer einzelnen Kennzahl häufig begrenzt, weil sie in einem größeren Kontext betrachtet werden müsste, beispielsweise ob ähnliche Auffälligkeiten in der Verkaufsentwicklung unterschiedlicher Produkte in einer bestimmten Zielgruppe bestehen. Fehlt den Verantwortlichen diese Kenntnis, dann besteht die Gefahr, durch einen zu isolierten Blick bei den Rückschlüssen auf einer falschen Fährte zu landen.

Die Zusammenhänge von Kennzahlen sind nicht transparent: Die Bewertung von Kennzahlen in einem größeren Kontext stößt jedoch an Grenzen, wenn die komplexen Wirkungsbedingungen verschiedener Kennzahlen zueinander unbekannt sind. Es muss jedoch das Ziel sein, solche Wechselwirkungen zu verstehen, um das Verständnis der zu bewertenden Gesamtsituation von Wertschöpfungsprozessen zu sichern.

Kennzahlen bieten keine praktischen Handlungsempfehlungen an: Die Beschränkung auf bloße Zahlen in den Reports lassen die Entscheider meist allein, weil sie im günstigen Fall zwar einen ausreichend verständlichen Status beschreiben, jedoch in der Regel keine Hilfestellungen für die daraus resultierenden Entscheidungen bieten. Handlungsempfehlungen und Interpretationshilfen könnten hingegen positiv bewirken, dass sich die Entscheidungen durchgängig an übergreifenden Geschäftszielen orientieren.

Kennzahlen sind widersprüchlich: In der Praxis beobachtet man oft inhaltlich identische Kennzahlen in verschiedenen Datenbankanwendungen mit unterschiedlichen dimensionalen Ausprägungen und unterschiedlichen Granularitäten. Die Folge sind abweichende Kennzahlen für den gleichen Sachverhalt. Solche Inkonsistenzen bewirken hohe Koordinationsaufwendungen, aber auch Unsicherheit, Missverständnisse und Misstrauen. Daraus resultiert ein erhebliches Risikopotenzial in den Entscheidungsprozessen.

"Solche Schwächen sind in fast allen Unternehmen anzutreffen, weil allgemein eine Tendenz besteht, selbst sehr komplexe Verhältnisse auf einfache Zahlen zu reduzieren, um bequemere Entscheidungsprozesse zu schaffen", urteilt Vizethum. Doch damit wächst die Gefahr von Fehlinterpretationen. Die Unternehmen müssten sich deshalb dem Kennzahlen-Profiling widmen um ihren Daten eine höhere Aussagekraft zu verleihen.