Innovator und Entrepreneur in der IT

Keine Verwalter, sondern Vordenker sind gefragt

21.01.2013 von Georg Kraus
Alle Welt redet von Innovation. Sie gilt als Schlüssel zum langfristigen Unternehmenserfolg. Doch was steckt eigentlich dahinter? Und wann ist ein Manager ein Innovator oder Entrepreneur?
Foto: leedsn _shutterstock.com

Jedes Unternehmen ist heute innovativ und bereit, neue Wege zu gehen. Zumindest gehört diese Behauptung zum festen Rede-Repertoire nahezu jeden Geschäftsführers. Und blickt man in die Stellenanzeigen in Zeitungen und Web, dann stellt man fest: Kreativ und flexibel zu sein ist eine Standardanforderung an die Mitarbeiter. Doch sind Unternehmen wirklich so innovativ, wie sie sich gerne präsentieren? Manche Klein- und Mittelunternehmen ja. Bei Großunternehmen stellt man aber oft fest: Die Innovation beschränkt sich weitgehend darauf, das Bestehende zu optimieren.

Kreativität versus Innovation

Während Kreativität die geistige Fähigkeit bezeichnet, neue Ideen und Designs zu entwerfen, ist Innovation eher ein Schaffensprozess, bei dem aus neuen Ideen brauchbare Lösungen entwickelt werden. Kreativität kann zielorientiert sein, Innovation hingegen ist es immer. Das heißt: Bei der Innovation geht es darum, definierte Ziele zu erreichen, und hieran wird auch die Qualität der Ideen und Problemlösungen gemessen.

Es ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Innovation, die über den unternehmerischen Erfolg entscheidet, sagt Dr. Georg Kraus.
Foto: Dr. Georg Kraus, Bruchsal

Dieses Denken hatten fast alle großen Erfinder verinnerlicht. So lautete zum Beispiel eine Maxime von Thomas Edison, der unter anderem die Glühbirne erfand: "Was sich nicht verkaufen lässt, das will ich nicht erfinden." In der betrieblichen Alltagssprache wird oft jede Verbesserung im Rahmen des Bestehenden und bisher Gedachten als Innovation bezeichnet. Bei echten Innovationen werden Aufgaben oder Probleme jedoch ganz anders als bisher gelöst. Es wird ein sogenannter Musterwechsel vollzogen, der statt einer partiellen Verbesserung einen "Quantensprung" ermöglicht.

Ein solcher Musterwechsel war im Leistungssport etwa beim Skispringen zu beobachten, wo 1986 vom Parallel- zum V-Stil umgeschwenkt wurde. Damit konnten Skispringer viel größere Weiten erzielen. Ein ähnliches Beispiel findet sich im Hochsprung, wo vom Straddle zum Fosbury-Flop gewechselt wurde. Im wirtschaftlichen Kontext stellte zum Beispiel der Vertrieb von Büchern oder Musik via Internet einen Musterwechsel dar. Dasselbe gilt für das Fernablesen von Stromzählerdaten.

Was zeichnet "Innovatoren" aus?
Was zeichnet "Innovatoren" aus?
Ein echter Entrepreneur oder Innovator an der Unternehmensspitze zu sein, verlangt mehr als ein Unternehmen zu managen und die Ressourcen effektiv zu nutzen. Es schließt kreative Elemente ein wie das Identifizieren von Marktchancen, das Finden neuer Geschäftsideen und deren Umsetzung in Form neuer Geschäftsmodelle. Das setzt gewisse persönliche Eigenschaften voraus:
Neugier
Entrepreneure hinterfragen auch scheinbar selbstverständliche Dinge und wollen diese verstehen. Sie stellen Fragen, die andere nicht stellen - zum Beispiel: Warum muss ein Auto ein Lenkrad haben? Warum stapeln sich in meiner Schublade die Gebrauchsanleitungen und Fernbedienungen? Muss ein Unternehmen eine "Zentrale" haben?
Innere Unruhe
Entrepreneure geben sich mit bestehenden Lösungen nicht zufrieden. Sie hinterfragen auch Selbstverständlichkeiten wie etwa, dass in nahezu jedem Haushalt eine Bohrmaschine vorhanden ist, mit der sie ein- oder zweimal jährlich Löcher in ihre Wände bohren, obwohl sie das eigentlich lästig finden. Also ergibt sich die Frage: "Wie könnte man Dinge anders befestigen?" So gelangen sie zu ganz neuen Problemlösungsansätzen und schließlich zu Produkten, die sich verkaufen lassen.
Imagination
Entrepreneure verfügen über die Fähigkeit, sich Dinge anders vorzustellen als sie gerade sind. Sie sehen beim Betreten einer leeren Wohnung nicht die kahlen, kalten Räume - also die Realität. Sie sehen vor ihrem geistigen Auge vielmehr, wie die eingerichtete Wohnung künftig aussehen könnte. Sie sehen also die Möglichkeiten, Potenziale und Chancen.
Ausdauer und Beharrlichkeit
Entrepreneure zeichnen sich durch eine gewisse "Starrköpfigkeit" aus. Sie glauben auch noch an eine Lösung, wenn die ersten Versuche gescheitert sind und fast alle im Umfeld sagen "Das klappt nie". Zugleich bewahren sie jedoch den erforderlichen Realitätsbezug, ohne den sie Phantasten wären.
Unternehmer- statt Managergeist:
Entrepreneure sind Macher und Erfinder zugleich. Sie verfügen wie Edison über einen gesunden Pragmatismus. Ein typisches Beispiel ist Reinhold Würth, der aus der väterlichen Schraubenhandlung die weltweit agierende, auf Befestigungs- und Montagetechnik spezialisierte Unternehmensgruppe Würth entwickelte. Ein weiteres Beispiel ist Artur Fischer, der die Fischerwerke gründete, die heute noch auf ihrer Webseite stolz verkünden: "Aus der Belegschaft stammen jährlich 13,2 Patentanmeldungen pro 1000 Mitarbeiter (Industriedurchschnitt: 0,54). Bezogen auf die Zahl der Mitarbeiter meldet Fischer mehr Patente an als jeder der zehn aktivsten Anmelder in Deutschland."

Die Basis für echte Innovationen im Wirtschaftsleben sind meist Technologieschübe, die so fundamental sind, dass sich die Paradigmen wirtschaftlichen und manchmal auch gesellschaftlichen Lebens radikal verändern. Ein solcher Paradigmenwechsel war der Siegeszug der Informationstechnologie, die mit dem PC, dem Mobilfunk, dem Internet sowie mit Social Media das wirtschaftliche und das gesellschaftliche Leben revolutioniert haben oder es noch tun.

Was lähmt Innovation?

Das größte Hindernis auf dem Weg zu Innovationen sind die menschlichen Ängste. Dabei gilt es zwischen psychologischen, organisatorischen und kulturell-gesellschaftlichen Barrieren zu unterscheiden. Die größte psychologisch-mentale Schranke ist die Angst zu versagen. Wer Neues wagt und damit scheitert, wird schnell als Phantast, Pleitier oder Cash Burner gebrandmarkt. Das hält viele Menschen, aber auch Organisationen davon ab, ausgetretene Pfade zu verlassen und radikal Neues zu denken.

Innovationsprozesse lassen sich von oben nicht so leicht steuern wie etablierte Geschäftsprozesse. Sie sind mit Unwägbarkeiten verknüpft. Hinzu kommt: Bei jedem Innovationsprozess muss auch das Tal der Tränen durchschritten werden. Der Output kann zudem zeitweilig sinken. Das veranlasst viele Personen und Organisationen, lieber das Bestehende zu optimieren, weil sie die Prozesse beherrschen und kontrollieren können.

Auch die Angst vor Macht- und Kompetenzverlust kann den Fortschritt bremsen. Innovation bedeutet, Neuland zu betreten. Gewohnte Denk- und Verhaltensmuster müssen hinterfragt und teilweise über Bord geworfen werden. Das Erfahrungswissen, auf das die "alten Hasen" - auch in der Unternehmensführung - stolz sind, verliert an Wert. Das macht vielen Mitarbeitern, aber auch Führungskräften Angst.

Organisatorische Barrieren entstehen, indem sich die vorgenannten psychologischen Hemmnisse niederschlagen. Aus Angst vor Kontrollverlust verzögern Mitarbeiter Freigabe- und Genehmigungsverfahren und behindern Planungs- und Budgetprozesse. Auch das Kompetenzgerangel, das oft in Zusammenhang mit Innovationsprozessen entsteht, ist auf die Angst vor Machtverlust zurückzuführen.

So entstehen innovative Ideen
So entstehen innovative Ideen
Die besten Ideengeber im Unternehmen sind nicht die Führungskräfte, sondern die Mitarbeiter und die Kunden, sagt Anne M. Schüller.
1. Ist-Analyse:
Beleuchten Sie die zu optimierende Situation beziehungsweise das zu lösende Problem aus verschiedenen Perspektiven, vor allem aber aus der Sicht des Kunden. Machen Sie dazu Kunden- und Konkurrenzbeobachtungen sowie Interviews mit Mitarbeitern und Externen. Auch Branchenfremde können sinnvolle Beiträge liefern.
2. Ziel-Definition:
Wo wollen Sie hin, was soll am Ende des Prozesses erreicht sein? Dies muss deutlich werden, damit die Ideen-Generierung eine Richtung bekommt. Gehen Sie dabei von kundenrelevanten, differenzierenden Merkmalen aus: Was können wir für unsere Kunden besser, schneller, einfacher, billiger machen. Formulieren Sie all das schriftlich.
3. Zusammenstellung des Teams:
Dazu gehören insbesondere die Mitarbeiter, die von der späteren Umsetzung betroffen sind. Damit minimieren Sie von vorne herein aufkommende Widerstände. Sorgen Sie für Visionäre, Querdenker, Missionare, Macher, Kundenbotschafter und Bedenkenträger im Team ebenso wie für Experten und Laien. Mischen Sie alt und jung, Männer und Frauen. Briefen Sie das Team sorgfältig. Ein geschulter Moderator kann helfen, die Prozessschritte zielgerichtet zu steuern.
4. Ideen-Generierung:
Begeben Sie sich an einen neutralen, störungsfreien, inspirierenden Ort und setzen Sie passende Kreativitätstechniken ein. Sorgen Sie am Anfang für gute Laune und ein Kreativ-Warm-up. Zeiteinheiten von 30 bis 60 Minuten sind optimal. Hören Sie nicht zu schnell auf, in dieser frühen Phase benötigen Sie ein Maximum an Ideen. Speichern Sie alle Ideen. Und beachten Sie die drei goldenen Regeln einer Kreativ-Sitzung: - Quantität vor Qualität, Inspiration ist erwünscht - alle Teilnehmer sind gleichberechtigt, keine Hierarchie - keinerlei Kritik, weder positiver noch negativer Art
5. Ideen-Bewertung und -Selektion:
Benutzen Sie jeweils passende Bewertungs- und Selektionstechniken, um die gefundenen Ideen zu verdichten, zu kombinieren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Dies kann ein separates Bewertungsteam tun, dem auch Kunden angehören. Erstellen Sie eine Prioritäten-Liste, sortieren Sie nach Marktfähigkeit, Machbarkeit, Zeithorizont, Wirtschaftlichkeit und Nichtkopierbarkeit. Dabei kommt es erfahrungsgemäß zu weiteren Ideen. Am Ende dieses Prozesses verbleiben einige wenige aussichtsreiche Favoriten. Geben Sie diesen Namen und definieren Sie das weitere Vorgehen, beispielsweise in Form eines Projekts.
6. Implementierung:
Sorgen Sie zunächst für interne Akzeptanz, vor allem bei den ‚betroffenen‘ Mitarbeitern. Dies erfolgt am besten durch Involvieren und frühzeitige, regelmäßige, offene Kommunikation. Stellen Sie die notwendigen Ressourcen bereit. Kommunizieren Sie aktiv mit dem Markt, insbesondere mit den anvisierten Zielgruppen und mit der Presse. Bringen Sie Ihre Idee beziehungsweise Innovation zügig in den Markt, und zwar zum richtigen Zeitpunkt. Experimentieren Sie und testen Sie Varianten. Lassen Sie die Kunden schließlich mitentscheiden.
7. Kontrolle und Optimierung:
Vergleichen Sie die Ergebnisse mit Ihrer Zieldefinition. Holen Sie sich Feedback vom Kunden, hören Sie dabei auch auf die leisen Töne und die kritischen Hinweise. Optimieren Sie kontinuierlich, das heißt: Beginnen Sie diesen Prozess von vorn. Sorgen Sie für einen regelmäßigen Nachschub an unverbrauchten, außergewöhnlichen Ideen.

Unternehmen reagieren darauf nicht selten, indem sie Innovation in ähnlich starr definierte Prozesse gießen wie das operative Tagesgeschäft. Sie wollen Innovation mit Kaskoschutz. Statt Experimente zu wagen, die natürlich die Gefahr des Scheiterns beinhalten, versuchen sie, Innovation mit Zahlen, Studien, Marktanalysen etc. abzusichern. Das funktioniert nur bedingt, denn Innovation bedeutet Neuland zu betreten. Zahlen spiegeln nur die Vergangenheit wider.

Eine Voraussetzung für Innovation ist eine Kultur, die Fehlversuche und gegebenenfalls auch ein Scheitern erlaubt. In der Organisation muss ein Geist herrschen, wie er in folgender Anekdote über Edison zum Ausdruck kommt, der fast 9000 Versuche unternahm, bis die Glühbirne marktreif war. Als nach ungefähr dem tausendsten Versuch ein Mitarbeiter zu Edison sagte "Wir sind gescheitert", erwiderte er: "Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man eine Glühbirne nicht baut."

Mit schwerfälligen Innovationsprozessen, die klaren Regeln und definierten Abläufen folgen, lassen sich zwar Verbesserungen erzielen, aber keine echten Innovationen. Diese erfordern andere Managementkonzepte.

Was zeichnet einen "Innovator" aus?

Ein echter Entrepreneur oder Innovator an der Unternehmensspitze zu sein, verlangt mehr als ein Unternehmen zu managen und die Ressourcen effektiv zu nutzen. Es schließt kreative Elemente ein wie das Identifizieren von Marktchancen, das Finden neuer Geschäftsideen und deren Umsetzung in Form neuer Geschäftsmodelle. Das setzt gewisse persönliche Eigenschaften voraus:

Neugier: Entrepreneure hinterfragen auch scheinbar selbstverständliche Dinge und wollen diese verstehen. Sie stellen Fragen, die andere nicht stellen - zum Beispiel: Warum muss ein Auto ein Lenkrad haben? Warum stapeln sich in meiner Schublade die Gebrauchsanleitungen und Fernbedienungen? Muss ein Unternehmen eine "Zentrale" haben?

Innere Unruhe: Entrepreneure geben sich mit bestehenden Lösungen nicht zufrieden. Sie hinterfragen auch Selbstverständlichkeiten wie etwa, dass in nahezu jedem Haushalt eine Bohrmaschine vorhanden ist, mit der sie ein- oder zweimal jährlich Löcher in ihre Wände bohren, obwohl sie das eigentlich lästig finden. Also ergibt sich die Frage: "Wie könnte man Dinge anders befestigen?" So gelangen sie zu ganz neuen Problemlösungsansätzen und schließlich zu Produkten, die sich verkaufen lassen.

Imagination: Entrepreneure verfügen über die Fähigkeit, sich Dinge anders vorzustellen als sie gerade sind. Sie sehen beim Betreten einer leeren Wohnung nicht die kahlen, kalten Räume - also die Realität. Sie sehen vor ihrem geistigen Auge vielmehr, wie die eingerichtete Wohnung künftig aussehen könnte. Sie sehen also die Möglichkeiten, Potenziale und Chancen.

Ausdauer und Beharrlichkeit: Entrepreneure zeichnen sich durch eine gewisse "Starrköpfigkeit" aus. Sie glauben auch noch an eine Lösung, wenn die ersten Versuche gescheitert sind und fast alle im Umfeld sagen "Das klappt nie". Zugleich bewahren sie jedoch den erforderlichen Realitätsbezug, ohne den sie Phantasten wären.

Unternehmer- statt Managergeist: Entrepreneure sind Macher und Erfinder zugleich. Sie verfügen wie Edison über einen gesunden Pragmatismus. Ein typisches Beispiel ist Reinhold Würth, der aus der väterlichen Schraubenhandlung die weltweit agierende, auf Befestigungs- und Montagetechnik spezialisierte Unternehmensgruppe Würth entwickelte. Ein weiteres Beispiel ist Artur Fischer, der die Fischerwerke gründete, die heute noch auf ihrer Webseite stolz verkünden: "Aus der Belegschaft stammen jährlich 13,2 Patentanmeldungen pro 1000 Mitarbeiter (Industriedurchschnitt: 0,54). Bezogen auf die Zahl der Mitarbeiter meldet Fischer mehr Patente an als jeder der zehn aktivsten Anmelder in Deutschland."

Die größten Innovationsfallen
Oft verpassen vermeintlich innovative Unternehmen die Marktentwicklung. Lesen Sie hier die gefährlichsten Innovationsfallen, in die Firmen tappen.
Die Hochglanzfalle
Wer sich Websites, Visionen und Hochglanzbroschüren der meisten Unternehmen genauer ansieht, stellt schnell Folgendes fest: Irgendwie sind sie alle visionär, hochkreativ und praktisch kurz davor, die Branche zu revolutionieren. Auf den ersten Blick liest sich das beeindruckend. Blickt man jedoch genauer hinter die Fassade der Homepages und Prospekte, dann haben diese Botschaften oft wenig Substanz.
Die Erfahrungsfalle
Insider, die auf den Management-Tagungen des ehemaligen Druckmaschinenherstellers Manroland waren, erinnern sich an die Botschaften des Vorstands. Er sagte der Zeitung eine große Zukunft voraus. Immer wieder wurde die Solidarität zur Druckrolle beschworen, während die meisten Medienverlage bereits ihr Wachstum auf ganz anderen Feldern suchten. Der Vorstand von Manroland ignorierte das. Die eigenen Erfahrungen sprachen dagegen. Für den damals zweitgrößten Druckmaschinenhersteller der Welt war es schlichtweg unvorstellbar, dass seine Produkte einmal überflüssig werden könnten. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung: Der Konzern wurde Anfang 2012 zerschlagen.
Die Trägheitsfalle
Prozessoptimierung, Kostenoptimierung, Lean Management: Das waren die Schlagwörter der 90er- und frühen 2000er-Jahre. Arbeitsabläufe wurden systematisch gescannt, jede überflüssige Handbewegung untersagt und jede Tätigkeit in genau definierte Prozessabläufe gezwängt. Das hat bis heute einen positiven Effekt: Unternehmen können das operative Geschäft viel schneller, besser und billiger als andere beherrschen. Die Kehrseite ist: Es bleibt kaum Zeit, über neue Wege nachzudenken. Anders gesagt: Man ist so sehr damit beschäftigt, den operativen Ergebnissen nachzujagen, dass man sich kaum fragt, ob dies noch sinnvoll ist.
Die Erfolgsfalle
Erfolg macht sexy. Erfolg fühlt sich gut an. Erfolg macht zufrieden. Genau das ist das Problem. In zahlreichen Firmen werden schnelle Erfolge belohnt. Ein kurzfristiges Plus der Verkaufszahlen, ein großer Deal, kurzfristige Erfolge bei der Neukundengewinnung. Gerade in Unternehmen, die vom Quartalsdenken geprägt sind, ist der schnelle Erfolg wichtiger als langfristiges Denken. Im Kern ist das nicht verkehrt, denn: die Summe vieler schneller Erfolge macht eine erfolgreiche Company aus - nur nicht unbedingt eine innovative. Solange schnelle Erfolge mit dem Bestehenden zu erzielen sind, hat das Neue kaum eine Chance, sich durchzusetzen.
Die Kannibalismusfalle
Unternehmen haben ständig Angst sich selbst zu kannibalisieren. Wenn die Konkurrenz angreift, ist das schlimm. Schlimmer ist es jedoch, wenn ein Unternehmen sich selbst Marktanteile wegnimmt. Aus diesem Grund weigerten sich die Elektronikhändler Saturn und Media Markt jahrelang, Online-Shops zu eröffnen. Die Kunden könnten schließlich via Internet und nicht mehr in den Läden einkaufen. Auch der Entertainment-Gigant Sony leidet unter dem Kannibalismusproblem. Um das eigene CD-Geschäft zu schützen, hat er die Entwicklung eines Download-Portals für Musik nur halbherzig vorangetrieben. Und der Fotohersteller Leica? Er vermied es Anfang der 90er Jahre tunlichst, in die digitale Fotografie einzusteigen - aus Angst, das eigene Geschäft mit analogen Apparaten zu gefährden.

Unternehmer müssen sich freischaufeln

Innovation setzt eine zukunftsorientierte Managementkultur voraus. Die Unternehmensleitung muss es als ihre Kernaufgabe begreifen, Innovationen voranzutreiben, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Unternehmensführer sollten deshalb das operative Geschäft, soweit möglich, an die nächste Ebene abgeben, so dass Sie mehr Zeit für diese Aufgabe haben. Mit folgenden Maßnahmen können Sie die Innovationskraft Ihrer Organisation beflügeln.

Mitarbeiter mit der Marktrealität konfrontieren

Bringen Sie Ihre Mitarbeiter in Situationen, in denen sie erleben, was in den Märkten abgeht - zum Beispiel in Schwellenländern, bei Technologieführern, in verwandten Branchen, aber auch bei Unternehmen, die die Marktentwicklung verschlafen haben. Setzen Sie insbesondere Ihre Führungskräfte dieser Erfahrung aus, denn Menschen ruhen sich gerne auf Erfolgen aus.

Querdenker einstellen und fördern

Belohnen Sie Quer- und Vordenker - auch dann, wenn deren Ideen nicht umsetzbar sind. Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte müssen spüren: Das Suchen nach neuen Lösungen und Wegen ist von den Chefs ausdrücklich erwünscht.

Den Mitarbeitern erlauben, Regel zu brechen

Regeln, Strukturen, definierte Prozesse sind kein Selbstzweck. Sie haben nur so lange einen Wert, wie sie dem Erreichen der Ziele dienen. Sie müssen regelmäßig hinterfragt werden. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern dieses Denken.

Fehlversuche und Scheitern gestatten

Loben und belohnen Sie Mitarbeiter, die Neues wagen und kalkulierte Risiken eingehen - selbst wenn ihre Versuche nicht von Erfolg gekrönt sind. Wenn Ihre Mitarbeiter Angst vor Sanktionen haben, beschreiten sie keine neuen Wege.

"Kreativ-Inseln" schaffen

Richten Sie in Ihrer Organisation Inseln ein, wo sich zum Beispiel Ihre Nachwuchskräfte oder Experten aus verschiedenen Bereichen als Unternehmer betätigen können. Solche Start-Ups oder Creativ-Labs generieren oft großartige Ideen und Business-Modelle.

Manager zur Innovation zwingen

In vielen Unternehmen wird in Meetings nur die Agenda mit den gerade dringlichen Themen abgearbeitet. Es besteht weder Raum noch Zeit, um sich mit Zukunftsfragen zu befassen. Sprechen Sie in Meetings gezielt auch folgende Fragen an:

Nur wenn Sie Ihr Management zwingen, sich mit solchen Zukunftsfragen zu befassen und ihm signalisieren, dass sie solche Impulse definitiv erwarten, werden sich Ihre "Macher" auch darum kümmern. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass sie im Alltagsgeschäft untergehen und sich mit ihren Teams rein auf das Optimieren des Bestehenden beschränken - auch weil das kurzfristig meist eine bessere Rendite bringt. Der kurz- und eventuell mittelfristige Erfolg Ihres Unternehmens ist dann zwar gesichert, aber langfristig bekommen Sie Probleme. Denn die Märkte verändern sich in immer kürzeren Zyklen grundlegend.

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.