Kein Vertrauen in "SAP pur": Anwender setzen auf Eigenentwicklungen

11.07.2006
SAP-Anwender nutzen ihre Software oft ineffektiv. Eine Untersuchung ergab, dass zu viele genutzte und ungenutzte Eigenentwicklungen im Einsatz sind. Dem Standard wird zu wenig vertraut.
Kein Vertrauen in SAP pur
Vorhandene Eigenentwicklungen
Der KPI „Eigenentwicklungen“ zeigt den durchschnittlichen Anteil an Eigenentwicklungen (genutzte und ungenutzte Y- und Z-Transaktionen) in den analysierten SAP- Systemen sowie den jeweiligen Branchen Best Practice. In fast allen Branchen bestimmt ein sehr hoher Anteil an Eigenentwicklungen die Nutzung des SAP-Systems. Wobei die ermittelten Best Practice-Werte deutlich zeigen, dass auch ein Betrieb mit weniger Anteil Eigenentwicklungen durchaus möglich ist. Zu berücksichtigen ist dabei zu dem, dass es sich bei den hier gezeigten Best Practice-Werten noch nicht um optimierte Systeme handelt!
Performance - SAP-Standard 2
Der KPI „Performance Standard“ misst die durchschnittlichen Antwortzeiten von genutzten SAP-Standardtransaktionen in allen SAP-Systemen, hier dargestellt pro Branche. SAP-Standardtransaktionen unterliegen einer permanenten Qualitätskontrolle und werden quasi durch alle Unternehmen und Anwender getestet, die diese Software einsetzen. Eigenentwicklungen wiederum unterliegen der oft mangelnden Qualitätskontrolle der einzelnen Unternehmen und haben mit den Endusern ein wesentlich kleineres ‚Testpublikum’ als der Standard. Hinzukommen wechselnde Verantwortlichkeiten und meist nur spärliche Dokumentationen, die die Arbeit mit Eigenentwicklungen deutlich erschweren. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in einigen Fällen Unternehmen anstelle von bestimmten Standardtransaktionen bevorzugt Eigenentwicklungen einsetzen, um gerade die Performance zu steigern. Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle.
Ungenutzte Eigenentwicklungen
Der KPI „Ungenutzte Eigenentwicklungen“ stellt den durchschnittlichen Anteil an ungenutzten Eigenentwicklungen (Y- und Z-Transaktionen) in den analysierten SAP-Systemen dar. Dieser wird ergänzt um die Informationen Best Practice sowie Worst Case in den jeweiligen Branchen. Die Analyseergebnisse zeigen deutlich, dass ungenutzte Eigenentwicklungen in allen Systemen existieren. Die Tragweite dieser Aussage wird deutlich, wenn man die hinter den prozentualen Anteilen verborgenen Absolutzahlen dieser Programme sieht. So gibt es Systeme, die Hunderte von ungenutzten Eigenentwicklungen aufweisen. Ursache hierfür sind die mangelnde Transparenz in den Systemen sowie die Tatsache, dass bei den meisten Unternehmen Releasewechsel auf rein technischer Basis erfolgen. Neue Funktionalitäten sind meistens nicht bekannt oder werden ignoriert, so dass viele Eigenentwicklungen seit Jahren als Ballast auf dem System mitgeschleppt werden und bei jedem größeren Projekt zeit- und kostenaufwendig an die neuen Begebenheiten anzupassen sind. Was jedoch für z.B. Releasewechsel prinzipiell schon kritisch ist, zeigt vor allem dann deutlichen Einfluss auf die Betriebskosten eines Systems, wenn den Unternehmen nicht bekannt ist, welche Eigenentwicklungen genutzt und welche nicht genutzt werden. Viele Unternehmen pflegen Eigenentwicklungen, die seit Monaten sogar teilweise seit Jahren von keinem Endanwender mehr angefasst wurden. Dies birgt ein hohes Einsparpotenzial.
Jährliches Einsparpotenzial
Der KPI „Einsparpotenzial“ unterscheidet zwischen unterschiedlichen Systemgrößen. Die gelbe Linie kennzeichnet den Branchendurchschnitt an jährlichem Einsparpotenzial für Systeme bis 500 concurrent user. Die blaue Linie das durchschnittliche, jährliche Einsparpotenzial pro Branche für Systeme mit mehr als 500 concurrent user. Das Einsparpotenzial ist gleichzusetzen mit entfallenden Wartungskosten für nicht benötigte Eigenentwicklungen. Unter nicht benötigten Eigenentwicklungen wurden hier Z- und Y-Transaktionen verstanden, die in den Unternehmen gepflegt und gewartet wurden, jedoch aus einem der folgenden Gründe nicht benötigt wurden: <ul> <li>Die Eigenentwicklungen wurden von den Endanwendern nie benutzt.</li> <li>Die Eigenentwicklungen waren bereits parallel im Standard implementiert und genutzt</li> <li>Die Eigenentwicklung ließ sich durch SAP-Standardtransaktionen ersetzen</li> </ul>
Standardisierungsgrad von SAP-Systemen
Der KPI „Standardisierungsgrad“ stellt den durchschnittlichen Anteil an genutzten Standardtransaktionen in den analysierten Systemen dar. Dieser wird ergänzt um die Informationen Best Practice sowie Worst Case in den jeweiligen Branchen. Die meisten Systeme weisen einen erschreckend niedrigen Standardisierungsgrad auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen nach wie vor nicht versuchen, die Vorteile einer Standardsoftware auszuschöpfen, sondern den Standard soweit wie möglich ‚verbiegen’, um Individualansprüchen gerecht zu werden. Häufig haben Entscheidungen im Hinblick auf Standard versus Eigenentwicklungen auch politische und weniger technische Hintergründe. So versuchen viele Landesgesellschaften und Tochterunternehmen, durch spezielle Anforderungen der Konzernkontrolle zu entgehen, hinter der sich in vielen Fällen unter Umständen eine globale Umstrukturierung von einer geographischen Fokussierung auf eine globale Geschäftsbereichsfokussierung verbirgt. Diese Angst der Länder und Fachbereiche wird dann in vielen Fällen mit Spezialanforderungen und kostspieligen Eigenentwicklungen zum Ausdruck gebracht. Eine Harmonisierung der Geschäftsprozesse hat in den meisten Fällen ebenfalls nicht stattgefunden; stattdessen wird versucht, dies über Applikationen zu erzwingen. Insbesondere die Auswertung von Geschäftsdaten und die kontinuierliche Betreuung der SAP-Installation wird damit aber maßgeblich behindert.
Ungenutztes Standardpotenzial
Der KPI „Ungenutztes Standardpotenzial“ stellt den durchschnittlichen Anteil an ungenutzten, jedoch für das Unternehmen relevanten Standardtransaktionen in den analysierten Systemen dar. Dieser wird ergänzt um die Informationen Best Practice sowie Worst Case in den jeweiligen Branchen. Ungenutzte, aber relevante Transaktionen sind Standard SAP-Transaktionen, deren Funktionalität in einem Unternehmen: <ul> <li>durch Eigenentwicklungen abgedeckt wird, die jedoch keinen wesentlichen Mehrwert als die Standardtransaktion selbst bieten</li> <li>die Produktivität der unterstützten Geschäftsprozesse steigern würde</li> <li>Medienbrüche vermeiden würde</li> </ul> In vielen Unternehmen steht das Wissen über die Verfügbarkeit von Standardfunktionalitäten entweder überhaupt nicht oder an der falschen Stelle zur Verfügung. Die mangelnde Kommunikation zwischen den IT-Abteilungen und den Fachabteilungen ist oftmals Ursache dafür, dass Bedürfnisse nicht richtig kommuniziert werden oder an den Bedürfnissen vorbei entwickelt wird.
Intensiv unterstützte Unternehmensbereiche
Der KPI “Unternehmensbereiche” zeigt diejenigen Unternehmensbereiche, die in den analysierten Systemen aller Branchen am intensivsten durch die Nutzung von Standardtransaktionen des SAP-Systems unterstützt wurden.
Performance - Eigenentwicklungen 1
Der KPI „Performance Eigenentwicklungen“ misst die durchschnittlichen Antwortzeiten von genutzten Y-und Z-Transaktionen in allen SAP-Systemen, ergänzt um den Best Practice sowie den Worst Case. Um hier das Ausmaß der Ergebnisse deutlich zu machen, wurde bewusst ein sehr hoher Referenzwert von einer Minute gewählt.
Performance - Eigenentwicklungen 2
Der KPI „Performance Eigenentwicklungen“ misst die durchschnittlichen Antwortzeiten von genutzten Y-und Z-Transaktionen in allen SAP-Systemen, hier dargestellt pro Branche. Ein Großteil der Eigenentwicklungen weist extrem hohe Antwortzeiten auf. Dies erklären Unternehmen häufig dadurch, dass es sich hierbei um Reports handelt, die als Background Jobs über Nacht laufen, so dass auf eine optimale Programmierung häufig nicht viel Wert gelegt wird. Allerdings zeigen Stichproben während der Studie, dass solche Programme auch häufig den Tagesbetrieb negativ beeinflussen, da sie nicht ausschließlich als Background Jobs genutzt werden. Des Weiteren gab es Fälle, in denen es sich bei diesen Eigenentwicklungen um Dialogprogramme handelte. Mangelnde Anwenderzufriedenheit ist die Folge. Aber auch allein die Tatsache, dass Programme als Batch Jobs über Nacht laufen, rechtfertigt nicht eine hohe Antwortzeit. Gerade in der heutigen Zeit, in der viele Systeme länder- und kontinentenübergreifend konsolidiert werden, ist ein reibungsloser 24-Stundenbetrieb Grundvoraussetzung für den Unternehmenserfolg.
Performance - SAP-Standard 1
Der KPI „Performance Standardtransaktionen“ misst die durchschnittlichen Antwortzeiten von genutzten SAP-Standardtransaktionen in allen SAP-Systemen, ergänzt um den Best Practice sowie den Worst Case. Um hier den Unterschied zu den Eigenentwicklungen deutlich zu machen (siehe KPI „Performance Eigenentwicklungen“), wurde bewusst ein sehr hoher Referenzwert von einer Minute gewählt.
Nutzungshäufigkeit - Eigenentwicklungen
Der KPI “Nutzungshäufigkeit” zeigt branchenübergreifend am Beispiel der Eigenentwicklungen die durchschnittliche Nutzungshäufigkeit der Z- und Y-Transaktionen in den analysierten Unternehmen. Da sich Eigenentwicklungen sehr zeit- und kostenintensiv für ein Unternehmen auswirken, sollten sie nur dann eingesetzt werden, wenn es der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient und kein vergleichbarer Standard verfügbar ist. Allerdings zeigt das Ergebnis der Nutzungshäufigkeitsanalyse, dass vorhandene Eigenentwicklungen in den analysierten Unternehmen nur zu etwa einem Viertel intensiv genutzt wurden. Mehr als ein Drittel der vorhandenen Programme wurden nicht ein einziges Mal aufgerufen. Mangelnde Systemtransparenz verhindert, dass Unternehmen die Lücke zwischen implementierter und genutzter Funktionalität erkennen.

In nahezu allen Branchen, so zeigt eine Untersuchung von Experton und West Trax Deutschland, weicht der reale SAP-Einsatz weit von den Best Practices ab. In nahezu allen Installationen existieren ungenutzte Eigenentwicklungen, in manchen Installationen sogar Hunderte und mehr. Ursache ist die mangelnde Transparenz in den Systemen sowie die Tatsache, dass bei den meisten Firmen Release-Wechsel auf rein technischer Basis erfolgen. Oft sind neue Funktionen im Standard nicht bekannt oder werden ignoriert. Stattdessen schleppen Unternehmen über Jahre den Ballast alter Programme mit, die immer wieder zeit- und kostenaufwändig an neue Gegebenheiten angepasst werden müssen.

Die Grafiken (Klick auf das Lupensymbol im Bild oben) zeigen im Detail, wo die Probleme in welchen Branchen liegen und welches Einsparpotenzial sich durch deren Behebung ergäbe. (hv/lex)