Finanzmarktkrise und IT

Kein Grund zur Sorge. Oder doch?

23.07.2008 von Joachim Benner
Die Weltwirtschaft laboriert nach wie vor an den Folgen der Immobilienkrise in den USA. Das wird nicht ohne Auswirkung auf den deutschen IT-Markt bleiben.

Das Platzen der "Old-Economy-Blase" hat zu Verwerfungen in den internationalen Finanzmärkten geführt. Diese Entwicklung ist bedenklicher als die Folgen der Krise nach dem Ende der New-Economy-Ära. Doch in beiden Fällen sind die Ursachen dieselben: überzogene Erwartungen, unüberschaubare Risiken und die Hoffnung auf den schnellen Erfolg. Letztlich kam es wie es kommen musste - beide Blasen platzten. 2001 mündete das plötzliche Ende der New-Economy in eine deutliche Rezession. Die Folgen der derzeitigen Immobilienmarktkrise sind bis dato in Deutschland noch nicht in vollem Ausmaß spürbar geworden. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass diese Krise einen ungleich höheren Schaden anrichten kann. Die aktuelle Entwicklung zeigt, wie verletzlich und undurchschaubar das internationale Finanzmarktsystem ist.

Gleichwohl ist die Immobilienkrise noch nicht überstanden. Die deutsche Wirtschaft hat sich zwar bis jetzt als äußerst robust erwiesen, doch allmählich geht auch ihr die Puste aus. Der Schwung, mit dem die deutsche Wirtschaft in das Jahr 2008 gestartet war, dürfte angesichts der belastenden Rahmenbedingungen im weiteren Jahresverlauf abebben. Die wichtigsten internationalen Absatzmärkte der stark exportlastigen deutschen Industrie, allen voran die USA, sind ins Straucheln geraten. Das steigende Zinsniveau erschwert die Kapitalbeschaffung und macht Investitionen weniger rentabel. Hinzu kommen die Schwäche des Dollar, die hohen Rohstoffpreise und insbesondere die von Monat zu Monat auf neue Rekordwerte steigenden Ölpreise. Auch hierdurch ist die Inflationsgefahr beträchtlich gestiegen. Darüber steigen die Löhne in vielen deutschen Branchen.

Vor diesem Hintergrund dürften die Unternehmen in den kommenden Monaten ihre Investitionstätigkeiten spürbar einschränken. Dies wird sich auch auf den IT-Markt niederschlagen. So zeigen aktuelle Stimmungsindikatoren eine Abkühlung auf den IT-Märkten an. Dies belegt auch IDCs Branchen-IT-Index. In diesen Indikator fließen sowohl makroökonomische als auch IT-spezifische Kenngrößen ein. Er ermöglicht auf einen Blick eine erste Einschätzung der Branchenattraktivität und deren Perspektiven. Der IT-Index bewertet Branchen im Vergleich zueinander und zeigt den zeitlichen Verlauf. Für das Jahr 2008 lässt er eine Abkühlung des IT-Marktumfelds erwarten.

Gleichwohl liegt der Index noch auf einem vergleichsweise hohem Niveau und nicht in allen Branchen gibt es trübe Aussichten. Die gestiegenen Steuereinnahmen und die verbesserte Haushaltslage der öffentlichen Hand werden dazu führen, dass gerade der öffentlichen Sektor verstärkt in IT investiert. Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung erhöhen Behörden und Kommunen ihre IT-Ausgaben.

Finanzmarktkrise hinterlässt Spuren

Alles in allem wird der IT-Markt in Deutschland weiter wachsen, wenngleich er in den kommenden Monaten auf Grund des sich verschlechternden Umfelds an Schwung verlieren wird. Die Finanzmarktkrise hinterlässt damit auch ihre Spuren im deutschen IT-Markt, ist jedoch nicht allein für die eingetrübte Aussicht verantwortlich. Auf Seiten der Anwender dürften die IT-Budgets knapper werden und Investitionen in IT müssen einen klaren ROI für das Gesamtunternehmen aufweisen. Neben den Dauerthemen der IT-Konsolidierung und -Standardisierung rückt zunehmend die Ausrichtung der IT am Kerngeschäft ins Zentrum des Interesses. Auf der Anbieterseite wird sich zeigen, was neue Vertriebsmodelle wie Software as a Service (SaaS) in Zeiten knapper IT-Budgets wert sind und ob Kunden diese Angebote als ernstzunehmende Alternative erachten. Auch die vielfach gestarteten Initiativen zur Erschließung des Mittelstands, etwa im IT-Service-Umfeld, werden nun unter Beweis stellen müssen, ob sie auch unter ungünstigeren Rahmenbedingungen Aussicht auf Erfolg haben. (jha)

Zur Person

Joachim Benner

Name: Joachim Benner

Position: Research Analyst

Analystenhaus: IDC Central Europe GmbH.

Beratungsschwerpunkt: Benner kam im Jahr 2005 zu IDC und beschäftigt sich seit dem mit der Beobachtung von Branchentrends in Deutschland. In dieser Funktion erstellt er Studien zu verschiedenen Themenstellungen und Branchenausrichtungen. Zudem reichert er Consulting-Projekte um Branchen-Analysen an. Des Weiteren übernimmt Benner die Planung und Durchführung von Expertengesprächen sowie die Erstellung detaillierter Analysen.

Vor seinem Wechsel zu IDC arbeitete Benner als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft. Insbesondere die Analyse der Konjunktur in Deutschland, im Euro-Raum und in den Vereinigten Staaten gehörte hier zu seinen Schwerpunkten. Benner hat sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main als Diplom-Volkswirt abgeschlossen.