Karrieremotor Aufbaustudium

07.03.2003 von Jürgen Mauerer
Ohne Weiterbildung endet die berufliche Laufbahn häufig in der Sackgasse. Hier helfen Aufbaustudiengänge: Sie vertiefen die praktischen Kenntnisse und stellen sie auf eine wissenschaftliche Grundlage. Doch der Weg zum begehrten Zertifikat fordert Durchhaltevermögen und kostet Geld.

Robert Geipel hat es geschafft. Vor kurzem hat der aus Baden-Württemberg stammende 29-jährige Diplomingenieur der Elektrotechnik sein Fernstudium zum Diplominformatiker an der FH Trier abgeschlossen. Zwei Jahre lang büffelte er neben seiner Tätigkeit bei einem großen deutschen Softwarehaus abends und an den Wochenenden für sein Zweitdiplom - und bezahlte dafür auch noch Geld: 600 Euro pro Semester legte er im Schnitt auf den Tisch.

Doch für ihn hat sich die Plackerei gelohnt: wegen der neu erworbenen Fachkompetenz und nicht zuletzt auch wegen eines besseren Selbstwertgefühls: "Durch Zufall bin ich in der Systemadministration gelandet. Die Rolle des IT-Lehrlings, die ich auf Grund meiner mangelnden Qualifikation in diesem Gebiet übernehmen musste, war allerdings auf Dauer ziemlich unangenehm. Also entschied ich mich für echte fachliche Qualifikation", so Geipel zu seinen Motiven.

Ralph Vogel

Für Ralph Vogel (34), Wirtschaftswissenschaftler aus Vöhringen, geht es bei seinem Fernstudium eher um eine berufliche Umorientierung, die zudem seine späteren Karriere- und Verdienstchancen erhöhen soll. Seit März 2002 studiert er an den Akad-Privathochschulen das Fach Wirtschaftsinformatik - ebenfalls berufsbegleitend über insgesamt vier Semester. Das Abschlusszertifikat sieht er als "Eintrittskarte in das gewünschte Berufsbild". Sein derzeitiger Job in einer Stuttgarter Steuerkanzlei sei eher trocken, sagt Vogel. Da er sich schon seit 20 Jahren mit Computern beschäftige, könne er mit dem neuen Abschluss möglicherweise sein "Hobby zum Beruf machen".

Ständiger E-Mail-Kontakt

Sein Arbeitgeber toleriert das ehrgeizige Vorhaben. In den Präsenzphasen an den Akad-Studienzentren, die das Selbststudium mit aufbereiteten Unterlagen begleiten, arbeitet Vogel in seiner Firma nur noch halbtags und muss dafür Gehaltseinbußen hinnehmen. "Die Arbeitsbelastung ist unheimlich hoch, das hätte ich nicht gedacht", erzählt der Betriebswirt. Das bestätigt auch Geipel, der die Doppelbelastung bereits hinter sich hat: "Ein berufsbegleitendes Fernstudium stellt hohe Anforderungen an das Durchhaltevermögen und die persönliche Arbeitsorganisation. Die Freizeit kommt oft ein wenig zu kurz."

Trotz der hohen Belastung raten Experten wie Franz Riedmiller vom Hochschulteam des Arbeitsamtes München zum berufsbegleitenden Teilzeit- oder Fernstudium. "Bei einem Vollzeitstudium ist ein IT-Spezialist für ein oder zwei Jahre weg vom Markt. Angesichts der niedrigen Halbwertszeit des IT-Wissens ist das katastrophal." Auch Margot Klinkner, Wissenschaftlerin an der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen (ZFH), rät von einem Vollzeit-Aufbaustudiengang ab: "Die Studierenden brauchen den Praxisbezug." Laut Klinkner macht es auch wenig Sinn, wenn frischgebackene Hochschulabsolventen direkt nach ihrem Abschluss ein Aufbaustudium anschließen. "Sie sollen erst Berufserfahrung mit Projekten oder im Management sammeln."

Ein anderes Argument für das berufsbegleitende Aufbaustudium bringt Hans-Jörg Groscurth von den Akad Privathochschulen ins Spiel: "Der Arbeitnehmer kann bereits während des Studiums in seinem Beruf vom Gelernten profitieren, sein neues Wissen anwenden und dadurch auch die eigene Firma voranbringen." Die Studenten bei der Akad, die praxisorientierte Aufbaustudiengänge als Uni- und FH-Studium anbietet, seien daher hochmotiviert und erhoffen sich vom Zweitstudium einen Karriereschub.

Margot Klinkner, ZFH

Die Akad Privathochschulen offerieren wie die anderen Anbieter berufsbegleitender Studiengänge eine Mischung aus Fern-, Präsenz- und Online-Studium. Im Unterschied zum klassischen Präsenzstudium, erhalten Fernstudierende das Lehr- und Lernmaterial direkt "ins Haus" geliefert. Das können etwa gedruckte Studienbriefe, Online-Kurse im Internet, Lernsoftware auf CD oder DVD oder Videos sein. Der Lernerfolg in den einzelnen Kursen wird während des Semesters durch Selbstkontroll- und Einsendeaufgaben festgestellt und zum Semesterende in einer Klausur überprüft. In ergänzenden Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen oder in regionalen Lern- und Studienzentren können die Fernstudenten ihren Lernstoff vertiefen. Dort treffen sie dann Dozenten und Fachmentoren, mit denen sie während des Semesters per E-Mail in ständigem Kontakt stehen.

 

 Nicht jeder wird gleich Manager

Über das Fernstudium sind fast alle gängigen Hochschulabschlüsse zu erreichen, zum Beispiel Diplom, Magister, Bachelor, Master. Bei berufsbegleitenden Aufbaustudiengängen verleihen manche Hochschulen neben den akademischen Abschlussgraden bei Beendigung einzelner Module oder Veranstaltungen auch eigene Zertifikate, Zeugnisse oder Urkunden. Wer sich für einen Aufbaustudiengang entscheidet, hat die Qual der Wahl: Die Suche nach weiterführenden Studiengängen auf der Web-Seite der Hochschulrektorenkonferenz (www.hrk.de) ergibt 1545 Treffer. Diese Zahl schließt aber nur die Angebote der staatlichen Universitäten und Fachhochschulen ein; die zahlreichen privaten Bildungsträger und auch die Anbieter eines MBA-Abschlusses (Master of Business Administration) fehlen in der Auflistung. Entscheidend bei der Wahl des Aufbaustudienganges sind die Ziele und die Persönlichkeit des Einzelnen. Beispiel: Ein introvertierter

Computerfachmann wird durch ein zweijähriges Aufbaustudium mit Abschluss als Diplomkaufmann nicht zu einem eloquenten Manager.

Foto: Joachim Wendler

In der IT-Branche gibt es zwei typische Personengruppen, für die sich eine Zusatzqualifikation lohnt: Zum einen Quereinsteiger, die ihre in der Berufspraxis erworbenen IT-Kenntnisse auf eine theoretische Grundlage stellen wollen und sich um ein offizielles Zertifikat bemühen. Zum anderen Diplominformatiker, die über das Aufbaustudium betriebswirtschaftliches Know-how erwerben und dadurch Potenzial für Management-Aufgaben gewinnen möchten. "Diese Schnittstellenkompetenz, also die Doppelqualifikation Wirtschaft/Technik, wird in den kommenden Jahren verstärkt an Bedeutung gewinnen", prophezeit Stefan Pfisterer, Referent Bildung und Personal beim Branchenverband Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien). "Informatiker müssen komplexe Projekte managen und das Budget planen", so Pfisterer weiter.

Speziell auf diese Zielgruppe zugeschnitten ist beispielsweise der Aufbaustudiengang Wirtschaft für Informatiker an der Fern-FH Hamburg. In vier Semestern lernen die Studenten im mit Präsenzphasen kombinierten Fernstudium die Grundlagen von Marketing, Controlling, Unternehmensführung und -logistik. Bundesweit existiert eine Reihe von Universitäten, Fachhochschulen und privaten Bildungsträgern, die Wirtschaftsaufbau-Studiengänge anbieten.

Neben klassischen Diplomabschlüssen bieten mehrere Hochschulen bereits einen Aufbaustudiengang mit modularer Struktur und Einzelzertifikaten an. Zu ihnen gehört die Fachhochschule Trier mit ihrem Fernstudiengang Informatik. Studierende belegen hier jeweils eine Lehreinheit (Modul) für die Dauer eines Semesters und erhalten nach erfolgreichem Abschluss jeweils ein Einzelzertifikat. Zudem können sie Nachweise sammeln oder auch einen klassischen staatlichen Studienabschluss (Diplom) erwerben. Zur Wahl stehen Module wie Datenbanksysteme, Einführung in die Programmierung oder Rechnernetze. Der Schwerpunkt liegt bei der Angewandten Informatik.

Über die Module stimmen die Studenten die Lerninhalte auf ihre individuellen Bedürfnisse ab. Abhängig von der Zahl der gewählten Lernabschnitte kostet das Semester an der FH Trier zwischen 550 und 770 Euro. "Durch den modularen Aufbau haben wir extrem niedrige Abbrecherquoten", freut sich Margot Klinkner, die bei der ZFH für die Qualitätssicherung der Fernstudiengänge zuständig ist. Pro Semester entschließen sich an der FH Trier meist nur zwei bis drei Studenten das Informatikstudium an den Nagel zu hängen. Zum Vergleich: Bei nichtmodularen Aufbaustudiengängen (Fernstudium) liegt die Quote der Studienabbrecher meist bei über 50 Prozent.

Hoher Praxisanteil motiviert

Für Alexander Fussan kommt der Abbruch seines Wirtschaftsinformatik-Studiums bei den Akad Privathochschulen nicht in Frage. Der 33-jährige Diplombetriebswirt arbeitet bei der Landesbank Berlin im Geschäftsfeldstab Firmenkunden und war dort bereits an verschiedenen IT-Projekten beteiligt. Durch das zweijährige Aufbaustudium will er sein IT-Wissen auf eine solide Grundlage samt Zertifikat stellen. Fussan schätzt vor allem den Praxisbezug: Die Theorien des Erststudiums waren für mich abstrakt und kaum greifbar, da ich eben noch nicht im Berufsleben stand. Aber nun erkenne ich viele Inhalte, die in den Lehrmaterialien und in Seminaren vermittelt werden, in meiner täglichen Arbeit wieder und kann sie einordnen. Das ist ein tolles Erfolgserlebnis."

Aufbaustudium

www.hrk.de

Seite der Hochschulrektorenkonferenz, Hochschulkompass mit großer Auswahl an weiterführenden Studiengängen

www.zfh.de

Zentralstelle für Fernstudiengänge an Fachhochschulen

www.akad.de

Homepage der Akad Privathochschulen www.kib-net.de: Kompetenzzentrum IT-Bildungsnetzwerke