Es geht um 90 Millionen Euro

Kanzlei versteigert Forderungen aus Abmahnungen

07.12.2011
Eine Regensburger Anwaltskanzlei versteigert ihre Forderungen aus Abmahnungen bei Urheberrechtsverstößen im Internet.

Dabei geht es um Ansprüche von insgesamt rund 90 Millionen Euro, wie die Kanzlei U + C auf einer Webseite für das Bietverfahren mitteilt. "Wir konnten bereits ein reges Interesse an unserer Website "auktion.urmann.com" verzeichnen", teilte Rechtsanwalt Thomas Urmann auf Anfrage mit. Beteiligen könne sich jede juristische Person, die eine Gewerbeanmeldung oder einen Handelsregisterauszug vorlegen könne.

Abmahnung gefällig? Jetzt günstig zu ersteigern!
Foto: Fotolia, M&S Fotodesign

"Eine solche Versteigerung ist neu, das hat es noch nicht gegeben", sagte die Düsseldorfer Rechtsanwältin Eva Dzepina der Nachrichtenagentur dpa. Als eine juristische Dienstleistung sei eine solche Versteigerung von Forderungen nicht problematisch. Es stelle sich aber die Frage, ob die Erwerber dieser Forderungen die Ansprüche auch vor Gericht eintreiben könnten. Dabei müsse unter Umständen im Einzelfall gerichtlich nachgeprüft werden, um welche Downloads es sich handle. Das könne auch für ein Inkasso-Unternehmen sehr diffizil und aufwendig werden. Nach einem Bericht des Heise-Online-Portals handelt es sich bei den Urheberrechtsverstößen um Downloads von Pornofilmen und um entsprechende Forderungen aus den Jahren 2010 und 2011.

Der Kölner Anwalt Christian Solmecke sagte, die Versteigerung zeige, welches Ausmaß Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen bereits erreicht hätten. Er schätze, dass jährlich eine halbe Million Menschen in Deutschland eine solche Abmahnung erhielten. Solmecke sprach in einer Pressemitteilung vom "ungewöhnlichsten Schritt einer Kanzlei seit Beginn der Filesharing-Abmahnungen vor sechs Jahren" und von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Forderungen.

Dazu erklärte der Regensburger Anwalt Urmann auf Anfrage: "Die Versteigerung von Forderungen bewegt sich vollumfänglich im rechtlichen Rahmen. Die Rechtmäßigkeit der zu versteigernden Forderungen ergibt sich aus den entsprechenden Beschlüssen, die die jeweils beteiligten Landgerichte erlassen haben." (dpa/sh)

Alles zum Thema Abmahnung
Abmahnungen haben eine große praktische Bedeutung im Arbeitsleben. Hier die Einzelheiten:
1. Begriff und praktische Bedeutung
Die Abmahnung stellt ein Mittel dar, den Vertragspartner auf die Verletzung vertraglicher Pflichten hinzuweisen. Dieser Hinweis arbeitsvertragswidrigen Fehlverhaltens erfolgt mit dem Ziel, in Zukunft weitere Vertragsverstöße zu vermeiden. Die Abmahnung ist in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich normiert.
2. Funktionen der Abmahnung
Folgende Funktionen erfüllt eine Abmahnung:<br /><br /> a) Rüge- und Dokumentationsfunktion:<br /> Der Arbeitgeber erfüllt die mit einer Abmahnung verbundene Rüge- und Dokumentationsfunktion nur dann, wenn er dem Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinreichend genau aufzeigt und darauf hinweist, welches genau bezeichnete Verhalten des Arbeitnehmers er als Pflichtverletzung wertet.<br /><br /> b) Warnfunktion:<br />Eine Abmahnung liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
3. Keine "Strafe"
Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll letztlich der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten als so schwerwiegend ansieht, dass er kündigungsrechtliche Konsequenzen ergreifen würde. Hat der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klarstellung gegenüber seinem Arbeitnehmer die Möglichkeit solcher Einwände ausgeräumt, so liegt eine ausreichende Abmahnung vor.
4. "Erziehungsgedanke" der Abmahnung
Die Abmahnung dient als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Erst wenn mit der Vertragserfüllung nicht mehr gerechnet werden kann, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
5. Abmahnungsberechtigte
Zur Abmahnung berechtigt sind nicht nur kündigungsberechtigte Personen wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG, sondern alle Vorgesetzten, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind, dem betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung verbindliche Anweisungen zu erteilen.
6. Beteiligung des Betriebsrats
Der Betriebsrat muss vor einer Abmahnung weder angehört noch unterrichtet werden. Er darf daher weder verlangen, dass ihm eine Kopie der Abmahnung ausgehändigt wird, noch kann er von sich aus die Abmahnung in der Personalakte einsehen.
7. Erklärungsfrist für den Ausspruch einer Abmahnung
Für den Ausspruch einer Abmahnung besteht keine feste Ausschlussfrist. Das Recht zum Ausspruch einer Abmahnung kann aber nach längerem Zuwarten verwirken.
8. Wirkungsdauer einer Abmahnung
Eine wirksame Abmahnung kann allein aufgrund des Zeitablaufs unwirksam werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich längere Zeit vertragskonform verhalten oder der Arbeitgeber weitere Pflichtverletzungen unbeanstandet hingenommen hat. Ob bei erneutem, identischem Fehlverhalten des Arbeitnehmers der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung gerechtfertigt ist oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine weitere Abmahnung erteilt werden muss, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles, insbesondere von der Dauer des reibungslosen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, der Schwere des Verstoßes usw. ab.
9. Mehrere Abmahnungen
Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn die Kündigung jahrelang nur angedroht, letztlich aber nicht ausgesprochen wird.
10. Kündigungsverzicht
Entscheidet sich ein Arbeitgeber aufgrund eines Pflichtverstoßes eines Mitarbeiters zum Ausspruch einer Abmahnung, so ist er an diese gebunden. Diese Bindung des Arbeitgebers an die von ihm ausgesprochene Abmahnung bedeutet, dass er nicht mehr allein wegen des von ihm gerügten Verhaltens eine Kündigung aussprechen kann. Er hat vielmehr mit der Abmahnung auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Nur die vergebliche Abmahnung kann für eine Kündigung herangezogen werden. Ohne einen weiteren Vertragsverstoß nach erfolgter Abmahnung kann daher nicht verhaltensbedingt gekündigt werden.
11. Kündigungsmöglichkeit
Es gibt zwar keine feste Regel, nach der vor einer Kündigung notwendigerweise mehrere Abmahnungen erteilt werden müssten. Es kommt insoweit vielmehr im konkreten Einzelfall auf das Gewicht der Pflichtverletzung und den darin liegenden Unrechtsgehalt an, ob eine weitere Abmahnung ausgesprochen werden sollte. Der Arbeitgeber muss daher eine Interessenabwägung vornehmen. Bei leichteren Pflichtverstößen oder Nebenpflichtverletzungen ist grundsätzlich eine mehrfache Abmahnung angebracht. Dies folgt daraus, dass das gesamte Arbeitsrecht und insbesondere das Kündigungsrecht vom sogenannten Ultima-ratio-Grundsatz beherrscht wird.