Datenqualität

K.o.-Kriterium für Business Intelligence

04.01.2012 von Daniel Buck
Eine mangelhafte Datenqualität kann Business-Intelligence-Vorhaben leicht zu Fall bringen. Im schlimmsten Fall müssen die betroffenen Firmen sogar Ertragseinbußen hinnehmen.

Unternehmen büßen bis zu 25 Prozent ihres operativen Gewinns in Folge schlechter Datenqualität (DQ) ein. Das ist umso erstaunlicher, weil Entscheider das Datenqualitäts-Management (DQM) im Kontext von Business Intelligence (BI) schon seit vielen Jahren als wichtigstes Thema identifiziert haben. Daher sollte man erwarten, dass das Thema in den Unternehmen bereits aufgegriffen und grundsätzlich gelöst ist. Doch die Realität sieht anders aus. Nach wie vor stellt mangelhafte Datenqualität einen Stolperstein für BI-Vorhaben dar. Woran liegt das?

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Die Organisationsstruktur des fiktiven Beispielunternehmens Portal 2000.

In vielen Unternehmen ist die Datenqualität mangelhaft. Dabei sind Technik und Methodik des Managements von Datenqualität in den zurückliegenden Jahren wesentlich weiterentwickelt worden. Schlechte Datenqualität zeigt sich in der Praxis häufig in Form von fehlerhaften Kundendaten. Sind diese unzureichend gepflegt, drohen direkte oder indirekte Kosten. Erstere entstehen zum Beispiel, wenn Artikel nicht rechtzeitig geliefert werden oder es zu Rechnungsausfällen aufgrund falscher Adressen kommt. Zu den indirekten Kosten zählt beispielsweise der Imageverlust beim Kunden. Ein oft unterschätztes Problem sind darüber hinaus Schwierigkeiten bei der Steuerung operativer Prozesse infolge von Datenqualitäts-Problemen innerhalb des Unternehmens. Dieser Fall soll anhand des Beispiels des fiktiven Internet-Portal-Betreibers Portal 2000 dargestellt werden. Hier sind Erfahrungen aus verschiedenen Projekten rund um das Thema Datenqualität eingeflossen. Im Folgenden sollen Probleme und mögliche Lösungswege aufgezeigt werden.

COMPUTERWOCHE-Marktstudie

Mehr zum Thema Datenqualität erfahren Sie in der aktuellen Marktstudie der COMPUTERWOCHE, die Sie hier herunterladen können.

Das Problem: Hoher Aufwand, geringe Akzeptanz

Verschiedene Faktoren nehmen Einfluss auf das Management der Datenqualität.

Das Unternehmen Portal 2000 ist ein Vermittler von Touristikleistungen und bietet für seine Kunden das Angebot verschiedener Dienstleister zentral auf einem Portal an. Mit diesen Dienstleistern schließen die Mitarbeiter von Portal 2000 Verträge über Kontingente. Ähnlich gestalten sich die Geschäfte auch bei Unternehmen mit komplexen Vertriebsstrukturen wie etwa in der pharmazeutischen Industrie oder in der Versicherungswirtschaft.

Die Qualität der Daten sollte laufend kontrolliert werden. Dazu müssen die Unternehmen entsprechende Prozesse implementieren.

Portal 2000 wertet regelmäßig die Umsätze jedes Dienstleisters aus, ordnet sie dem Vertrieb zu und analysiert sowie verdichtet sie. Dabei ist folgende Frage für den Portal-Betreiber entscheidend: Mit welchem personellen Aufwand kann der Umsatz mit einem Dienstleister oder einer Gruppe von Dienstleistern gesteigert werden? Genutzt werden die Auswertungen sowohl operativ zur Vertriebssteuerung als auch zum dispositiven Reporting im Rahmen der Jahresbewertung der Mitarbeiter.

Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, funktioniert im Tagesgeschäft jedoch alles andere als reibungslos. Die Auswertungen sind aufwendig zu erstellen und werden gleichzeitig von den Vertriebsmitarbeitern von Portal 2000 in Frage gestellt. Sie fühlen sich nicht an Maßnahmen gebunden, da sie die Auswertungsergebnisse nicht akzeptieren. Die Folge sind massive Organisationswiderstände und Motivationsprobleme der Mitarbeiter bei Portal 2000.

Auf der Suche nach den Ursachen

Um den Ursachen der Akzeptanzprobleme auf den Grund zu gehen, setzen die Portal-2000-Verantwortlichen eine Arbeitsgruppe mit externen Beratern ein. Im ersten Schritt untersucht diese, wie die Umsatzauswertungen zustande kommen. Interviews mit den Mitarbeitern ergeben, dass die schlechte Qualität der Vertriebsstrukturdaten die Hauptursache für Fehler ist.

Datenqualität
Gibt oder gab es in Ihrem Unternehmen Initiativen, um die Datenqualität zu verbessern?
Datenqualität
Ist die Datenqualität ein Thema in Ihrem Unternehmen, das IT- und Fachabteilungen beschäftigt?
Datenqualität
Würde das Business Ihres Unternehmens unter einer schlechten Datenqualität leiden?
Datenqualität
Wie beurteilen Sie die Datenqualität in Ihrem Unternehmen?
Datenqualität
Gibt es eine zentrale Stelle in Ihrem Unternehmen, die für die Datenqualität verantwortlich ist?
Datenqualität
Wie hoch ist aus Ihrer Sicht der Aufwand, eine gute Datenqualität in Ihrem Unternehmen sicherzustellen?
Datenqualität
Hat Ihr Unternehmen ein Budget für die Sicherung der Datenqualität?
Datenqualität
Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Verantwortung der Fachabteilungen, an dem Thema "Verbesserung der Datenqualität" mitzuarbeiten?

Damit lässt sich folgende Situation feststellen: Grundsätzlich ist jedem Mitarbeiter bei Portal 2000 eine Gruppe von Dienstleistern zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgt nach verschiedenen, nicht konsistenten Kriterien wie der geographischen Verteilung, der Größe des Dienstleisters oder dessen Branche. Die Zuordnung wird in Excel-Tabellen dokumentiert, die jedoch nur lokal verfügbar sind. Darüber hinaus wechseln die Zuständigkeiten zwischen den Vertriebsteams und -mitarbeitern permanent und sind nicht immer eindeutig. Da die Zuordnungen nicht historisiert werden, kann auch im Nachhinein nicht nachvollzogen werden, welche Vertriebsstruktur zu welchem Zeitpunkt bei Portal 2000 gültig war.

Aus Datenqualitätssicht ergeben sich damit zwei Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht:

Für die Personalführung bilden bisher die Umsatzzahlen pro Mitarbeiter die zentrale Grundlage für die Vergütung. Dabei werden die Umsätze nicht einheitlich bewertet, sondern die Mitarbeiter erhalten unterschiedliche Vergütungen für ihre Kunden - abhängig von der Wichtigkeit des Kunden. Um die Vergütung der Vertriebsmitarbeiter zu maximieren, werden Umsätze durch nachträgliche Veränderung an der Zuordnung "Kunde zu Mitarbeiter" umgebucht. Diese inoffiziellen Umbuchungen sind ein Hauptproblem von Portal 2000.

Im Rahmen der Analyse stellt die Arbeitsgruppe fest, dass es bereits erste Versuche zur Datenbereinigung und -konsolidierung bei Portal 2000 gab, diese allerdings erfolglos im Sande verliefen. Dafür gab es offenbar verschiedene Gründe: Es fehlte beispielsweise ein einflussreicher Projektsponsor. Darüber hinaus gab es keinen Druck durch sinkende Vertriebsmargen. Damit mangelte es am Durchsetzungswillen, das Problem nachhaltig zu beheben.

In drei Schritten zur Lösung

Basierend auf diesen Analyseergebnissen identifiziert die Arbeitsgruppe drei Bereiche, in denen Änderungen bei Portal 2000 nötig sind. Die Ziele werden wie folgt umgesetzt:

  1. Vergütung: In Zusammenarbeit mit der Personalabteilung, der Vertriebsabteilung und der Geschäftsführung entwickelt die Arbeitsgruppe ein Modell für Portal 2000, das die Berechnung der Vergütung vereinfacht. Somit wird das Umbuchen von Umsätzen überflüssig.

  2. Datenhaltung: Die IT-Verantwortlichen zentralisieren die Datenhaltung von Portal 2000, um die Vertriebsstruktur unternehmensweit transparent zu machen. Die Datenhaltung erfolgt nun auf einer von Portal 2000 genutzten Software in einer eigenen operativen Datenbank. Sie basiert nicht auf einer bestehenden operativen oder dispositiven Datenbank, um keine zusätzlichen Abhängigkeiten zu schaffen. Von der operativen Datenbank werden die Strukturdaten historisiert in das bestehende Berichtssystem übertragen. Die Zugriffe auf die sensiblen Daten sind dabei durch Authentifizierungs- und Autorisierungsmaßnahmen entsprechend geregelt.

  3. Dateneingabe und -pflege: Um die Vertriebsstrukturen unternehmensweit einheitlich zu gestalten, wird der Dateneingabeprozess zentralisiert. Wichtig an dieser Stelle ist es festzulegen, wie die Zuordnung von Vertriebsmitarbeitern von Portal 2000 zum Umsatz mit den einzelnen Dienstleistern künftig erfolgen soll. Dazu sind zwei Schritte notwendig. Erstens: Der Vertriebsleiter legt eine Vertriebsstruktur fest und ordnet die Mitarbeiter entsprechend zu. Dies schließt auch Prozesse zur Wartung und Pflege der Struktur ein. Zweitens: Es wird definiert, wie die Zuordnung von Dienstleistern zu dieser Struktur inklusive der notwendigen Wartungsprozesse ablaufen soll.

Entscheidend ist dabei, die Prozesse mit den Verantwortlichen gemeinsam zu entwickeln, so dass sie zum einen für alle Beteiligten nachvollziehbar und zum anderen jederzeit definiert und dokumentiert sind. Durch den Einsatz eines Data-Stewards, der für die Korrektheit der Daten verantwortlich ist, kann Portal 2000 außerdem die Akzeptanz innerhalb der Vertriebsorganisation steigern. Der Data-Stewart erhebt die entsprechenden Daten der Fachabteilungen und legt sie verbindlich in der Datenbank ab. Sämtliche Änderungen von Zuordnungen erfolgen einzig und allein durch ihn. Der Data-Steward ist der Vertriebsleitung unterstellt. Durch diese zentrale Änderung funktioniert die Umsatzauswertung der Vertriebsstrukturelemente und -mitarbeiter bei Portal 2000 auf einer allgemein akzeptierten und verbindlichen Grundlage.

Stolpersteine von Datenqualitätsinitiativen

  • Mangelnde Balance in der Soll-Konzeption: Keine Aktivitäten und kein Aufwand sind genauso schlecht wie zu viele Aktivitäten und hoher Aufwand. Letztlich sollte das Projektteam einige Randbedingungen ermitteln wie etwa Qualitätsziele oder die Datenqualität in den Quellsystemen und diese umsetzen beziehungsweise verbessern.

  • Fehlende Datenqualitätsanforderungen in der Spezifikation: Die Anforderungen an die Datenqualität sind bereits in Systemspezifikationen fachlich festzulegen. Ein späteres Hinzufügen durch Entwickler hat immer eine geringere Effektivität.

  • Datenqualität wird bei der Realisierung hinzugefügt: Datenqualität kann niemals in ein System hineinrealisiert oder hineingetestet werden. Die Design-Richtlinien sind immer in der Konzeption festzulegen - wie zum Beispiel die Entkopplung und Trennung von Schichten.

DQM schafft Ordnung und Transparenz

Das DQM-Projekt bei Portal 2000 zeigt, dass man entgegen der Vermutung vieler IT-Entscheider und CIOs auch beim Thema Datenqualität schnell sichtbare Resultate erzielen kann. Bei Portal 2000 realisierte ein Team von zwei externen Beratern mit dem notwendigen Prozess- und Datenqualitätswissen in etwa zwei Monaten alle notwendigen Schritte von der Analyse bis hin zur Evaluation. Sie verbesserten die Datenqualität entscheidend und sorgten dafür, dass die schlechte Datenqualität bei Portal 2000 den Vertrieb nicht mehr behindert. Dabei kam Ihnen zu Gute, dass die zu korrigierende Menge an Stammdaten gering war und die Bereinigung der bestehenden Daten rasch erfolgen konnte. Von Vorteil war darüber hinaus, dass sich ein Großteil der Änderungen auf Prozesse bezog, für die keine umfangreiche Soft- oder Hardware-Einführung notwendig war. Eine wichtige Rolle spielte zudem die Einbindung der Mitarbeiter: Nur durch ihr Vertrauen in die optimierten Prozesse konnte das Projekt seine volle Wirkung entfalten und entscheidend zur Transparenz bei Portal 2000 beitragen.

Aberdeen 3
Von den Klassenbesten haben 56 Prozent ihre BI-Anwendungen mit den eingesetzten Geschäftsapplikationen verknüpft, bei den Nachzüglern sind es nur 24 Prozent.
Aberdeen 2
Mehr als die Hälfte der von Aberdeen befragten Manager klagt darüber, dass die für Auswertungen benötigten Daten aus den Geschäftsanwendungen nicht im BI-System verfügbar sind. 40 Prozent gaben an, dass BI-Reports falsche Daten liefern. 27 Prozent hadern mit den BI-Tools. Diese seien zu wenig benutzerfreundlich.
Aberdeen 1
Oberste Priorität für Geschäftsverantwortliche hat die Beschleunigung des Zugriffs auf geschäftskritische Daten.

Die Vertriebsberichte bilden heute stets den aktuellen Stand der Vertriebsorganisation ab und erhöhen so das Vertrauen in die Daten. Durch die Korrektur der Daten ist es nun erstmals möglich, den Vertrieb bei Portal 2000 genau zu steuern. Die Geschäftsführung von Portal 2000 sieht das DQM-Projekt als wichtige Optimierung für den eigenen Vertrieb an. Das Bewusstsein für das Potenzial weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität ist seitdem bei Portal 2000 geschärft.

Datenqualitätsinitiativen erfolgreich umsetzen

  • Suchen Sie einen Projektsponsor mit hoher Entscheidungsbefugnis: Da ein Projekt für ein besseres Daten-Qualitäts-Management (DQM) neue Rollen schafft, bestehende Prozesse hinterfragt sowie Daten validiert - und dies oft abteilungsübergreifend - ist ein kompetenter Projektsponsor unabdingbar, um Organisationswiderstände zu überwinden und Motivationsprobleme der Mitarbeiter zu lösen.

  • Entwickeln Sie fachliche Messkriterien: Datenqualität lässt sich messen. Legen Sie fachlich fest, was qualitativ hochwertige Daten sind und bewerten Sie Ihren Datenbestand diesbezüglich. Entwickeln sie Abstufungen und führen Sie diese Messungen regelmäßig durch.

  • Achten Sie auf Nachhaltigkeit: Eine einmalige Verbesserung der Datenqualität ist nur nachhaltig, wenn zeitgleich geeignete Rollen im Unternehmen geschaffen werden. Diese Mitarbeiter müssen dann über Belohnungssysteme motiviert werden, die Datenqualität langfristig zu verbessern.

  • Automatisieren Sie Datenqualitätsmessungen: Manuelle Überprüfungen werden oft geplant, aber selten wirklich durchgeführt. Daher sollten automatisiert erstellte Datenqualitätsberichte Teil des Berichtswesens sein. So können Trends erkannt und notwendige Änderungen umgesetzt werden.