Ein Blick in die Stellenmärkte und Jobbörsen bietet nur wenig Erfreuliches. Das Angebot schrumpfte im vergangenen Jahr ähnlich rapide wie mancher Gletscher in der Sommerhitze. Vor allem Absolventen müssen derzeit lange nach der ersten Festanstellung suchen. Doch für erfahrene IT-Experten bieten sich auch Chancen. Drei Jobwechsler erzählen, wie sie ihren neuen Arbeitgeber fanden.
Der Aufmerksame
Richtig intensiv suchte Christoph Markert nicht nach einer neuen Stelle. Wirklich zufrieden war er allerdings in seinem Job als Berater auch nicht. Doch der 28-Jährige hielt die Augen offen, aktualisierte regelmäßig sein Xing-Profil und pflegte sein Kontaktnetz. Immer wieder erreichten ihn Anfragen von Personalberatern, doch meist verbargen sich keine interessanten Angebote dahinter.
Studiert hatte Markert Informationstechnik an der Dualen Hochschule in Stuttgart. Anschließend durchlief er ein Trainee-Programm bei Accenture. "Mein Berufsziel war immer der SAP-Bereich", sagt Markert. 2007 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit. Ein Projekt im SAP-Umfeld führte ihn in eine große Bank. Noch stärker als in einer Festanstellung war er jetzt den Konjunkturschwankungen am Arbeitsmarkt ausgesetzt. "Als Freiberufler muss man cool bleiben, wenn von Kürzungen gesprochen wird", erinnert er sich. Schließlich entschied er sich doch wieder für eine feste Stelle. Er heuerte als SAP-Berater bei einer internationalen Beratungsfirma an und brachte sein bisheriges Projekt gleich mit ein. Doch seine Erwartungen erfüllten sich nicht: "Ich war weiter als Einzelkämpfer beim Kunden und hatte wenig Kontakt zu den Kollegen. Eine Integration in das Unternehmen war daher schwierig."
In einem Mitarbeitergespräch mit seinem Vorgesetzten Anfang 2009 sprach Markert diese Probleme an, doch es änderte sich nichts. "Ich war zwar unzufrieden mit meiner beruflichen Situation, doch es gab keinen akuten Handlungsbedarf. Wenn ich kein Jobangebot erhalten hätte, wäre ich sicher bei meinem Arbeitgeber geblieben", sagt er. Die Anfrage eines Personalberaters, die ihn im September 2009 über Xing erreichte, klang dann aber vielversprechend. Bald war klar, dass sich dahinter Markerts Wunscharbeitgeber verbarg.
Markert schickte seine Bewerbungsunterlagen an den Headhunter. Kurze Zeit später fand das erste Telefoninterview mit zwei Managern des künftigen Arbeitgebers statt. "In dem anderthalbstündigen Gespräch ging es vor allem um meine fachliche Qualifikation für den Job", sagt er. "Ich habe schnell Feedback bekommen und wurde zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Hier ging es nur noch darum, ob die menschliche Schiene passt. In diesem Interview wurde mir gleich ein Vertrag angeboten." Neue Aufgaben, ein internationales Umfeld und ein attraktives Gehalt bot der neue Arbeitgeber dem 28-Jährigen. Mit seinem Know-how im SAP-Bankenumfeld ist Markert sich sicher, dass er auch in Zukunft gute Joboptionen haben wird. Seine Zeit als Freiberufler möchte er nicht missen.
"Projekt Björn 2.0"
Björn Schneider (39) wollte sich beruflich verändern. Bisher war die Jobsuche für ihn immer glatt gelaufen. Seine erste Festanstellung fand er nach dem Studium der Elektrotechnik und technischen Informatik als Softwareentwickler bei Dräger Medizintechnik an seinem Heimatort Lübeck. "Über ein Praktikum und meine Diplomarbeit kam ich 1995 nach dem Studienabschluss als Softwareentwickler zum Unternehmen", erinnert er sich. Schließlich lockte ihn nach fünf Jahren die Welt der New Economy, und er tauschte seinen sicheren Job gegen eine Position in einer Internet-Firma ein. Doch das Abenteuer endete schon bald mit der Insolvenz des kleinen Unternehmens. Anschließend musste Schneider seine erste und einzige Bewerbung schreiben und heuerte als Berater und Trainer bei Oose in Hamburg an. Der Schritt vom Softwareentwickler zum Trainer war nicht einfach. "In meinem ersten Firmentraining hatte ich mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen", räumt Schneider ein
Nach zwei Jahren als Trainer zog es den Softwareentwickler wieder zu seinem ersten Arbeitgeber Dräger nach Lübeck. "Als Projektleiter habe ich einen Führungsjob übernommen und ein Team mit zehn Mitarbeitern geleitet", erzählt Schneider. "In meinem Job als Chef hatte ich die Chance, es besser zu machen und auch Methoden wie Coaching während der regelmäßigen Mitarbeitergespräche angemessen einzusetzen." Er hatte sich nebenher zum Coach ausbilden lassen, um Faktoren wie Soft Skills und gruppendynamische Prozesse in seine Arbeit einzubinden.
Doch nach fünfeinhalb Jahren suchte Schneider wieder eine andere Herausforderung. "Ich habe es ‚Projekt Björn 2.0` genannt und mich nach neuen Aufgaben umgesehen. Bei Dräger führte ich zwar mittlerweile Teams mit bis zu 36 Mitarbeitern, doch ich wollte keine Insel zum Überleben, sondern etwas Neues ausprobieren." Mehr zufällig sprach er seinen ehemaligen Chef von Oose bei einem privaten Treffen an und bat ihn um beruflichen Rat. Statt einer Empfehlung bekam er ein Jobangebot. "Nach einem zweistündigen Gespräch mit Bernd Oestereich bot er mir den Job als dritter Geschäftsführer von Oose an. Besonders reizvoll für mich war, dass ich künftig meine Erfahrung als Projekt-Manager sowie mein psychologisches Wissen einsetzen kann, um diesen Geschäftsbereich weiter auszubauen", sagt Schneider. Nach kurzem Überlegen wagte er den Schritt und kündigte in Lübeck. "Mein Chef bei Dräger war betroffen und sagte mir zum Abschied: Ich sehe dich wieder in zwei Jahren. Das war für mich eine nette Geste", erinnert sich der 39-Jährige.
Seit Januar pendelt Schneider zwischen seinem Wohnort Lübeck und seinem neuen Arbeitsplatz in Hamburg. "Die ersten zwei Monate waren anstrengend, doch ich habe meine Entscheidung nicht bereut." Schneider fand seinen neuen Job über sein persönliches Netzwerk, die Krise spielte dabei keine Rolle. "Wer sich beruflich verändern will, sollte flexibel sein und für sich nach einer Lösung suchen."
Die Ochsentour
Das Abfindungsangebot klang für Bertold Tucher äußerst verlockend. Über das firmeneigene Intranet hatten Betriebsrat und Unternehmensleitung 2009 Konditionen und Rechenschablone veröffentlicht, und jeder konnte sich selbst ausrechnen, was dem internationalen Softwareunternehmen der Verzicht auf einen Arbeitsplatz wert war. Es bestand kein Zweifel, dass der Konzern Personal abbauen wollte. "Die Stimmung war nicht gut, ich habe mir Gedanken über meine Zukunft gemacht", erzählt Tucher, der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.
Ein Wechsel in die Zentrale wäre mit Risiken behaftet gewesen. Eine vergleichbare Position als Softwarearchitekt und Projektleiter konnte Tucher niemand zusichern, da auch für interne Positionen ein Einstellungstopp verhängt worden war.
Tucher entschied sich für das Abfindungsangebot und wurde von Juni bis Dezember 2009 freigestellt. "Nach 13 Jahren im Job habe ich mir eine Auszeit genommen, denn gerade durch die Sandwich-Position in der unteren Führungsebene war die Arbeitsbelastung hoch", so der IT-Experte. Seit Oktober nutzte er vom Xing-Profil über Initiativbewerbungen, Stellenanzeigen und Online-Jobbörsen bis zu persönlichen Kontakten die ganze Palette der Bewerbungsmöglichkeiten.
Doch die Ausbeute war ernüchternd. Selbst von Unternehmen, zu denen sein Profil gut gepasst hätte, kam die Reaktion: "Interessant, momentan aber nicht." Viele der ausgeschriebenen Stellen wurden nicht besetzt, so der Eindruck des berufserfahrenen Bewerbers.
Selbstzweifel beschlichen den 39-Jährigen während seiner Bewerbungsphase nicht. "Ich war mir sicher, dass ich etwas finde und dass meine Qualifikation passt", berichtet er. Nicht gerechnet hatte er damit, dass die Jobsuche so lange dauern und ein Vollzeitjob sein würde. So vergingen vier Monate bis zum ersten Arbeitstag beim neuen Arbeitgeber. "Die Suche war zeitaufwendiger als gedacht", gibt er zu. Der neue Arbeitgeber hatte gründlich gerechnet, ob er sich den qualifizierten Mitarbeiter leisten konnte. "Ich hatte Gehaltsvorstellungen, von denen ich nicht abrücken wollte. Es sollte wieder eine Position als Projektleiter sein", erläutert der IT-Experte.
Nach zahlreichen Vorstellungsgesprächen gab es zwar Absagen, aber auch Angebote. Bei einem Arbeitgeber hätte Tucher schon im Dezember einen Vertrag unterzeichnen können. Doch er wollte "hundertprozentig sicher sein", den richtigen Job gefunden zu haben. Von seinem jetzigen Arbeitgeber ist Tucher überzeugt. Dazu haben auch mehrere Vorstellungsgespräche beigetragen und der intensive Austausch mit dem künftigen Chef: "Die zwischenmenschliche Ebene stimmt."
Enttäuscht war Tucher dagegen von größeren Konzernen. "Derzeit kommen oft nur Bewerber zum Zug, deren Profil 100-prozentig mit dem jetzigen Bedarf des Unternehmens übereinstimmt. Viele Interessenten, deren Qualifikation zur langfristigen Firmenstrategie passen würde, bleiben außen vor."
Dennoch zieht Tucher ein positives Fazit. Die Stellensuche lief für ihn gut, auch wenn er seinen Zeitplan heute anders gestalten und früher mit der Suche beginnen würde. In den Wochen vor Weihnachten bis Ende Januar sind seinen Erfahrungen zufolge viele Firmen mit sich selbst beschäftigt und haben keine Zeit für Bewerber.
"Immer höflich bleiben"
Die Münchner Karriere-Beraterin Madeleine Leitner im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE:
CW: Mit welchen Fragen kommen Menschen zu Ihnen in die Beratung?
LEITNER: In vielen Unternehmen ist der Druck momentan sehr hoch und wird an die Mitarbeiter weitergegeben. Mobbing und Schikane sind gängige Methoden, um Leute zum Gehen zu zwingen. Es gibt auch Firmen, die ihre Angestellten mit Auflösungsverträgen überrumpeln wollen.
CW: Was empfehlen Sie in dieser Situation?
LEITNER: Immer höflich bleiben und Ruhe bewahren, auf keinen Fall überstürzt handeln. Die Betroffenen sollten zunächst ihre familiäre Situation berücksichtigen, sich mit dem Partner beraten und genau überlegen, welche beruflichen Alternativen es gibt. Es ist immer besser, sich aus der Angestelltenposition heraus zu bewerben. Auch ein Aufhebungsvertrag, der über sechs oder neun Monate läuft, bietet Zeit, sich aus dem Job heraus um einen neuen Arbeitsplatz zu kümmern.
CW: Was empfehlen Sie Jobwechslern?
LEITNER: Überlegen Sie sich die nächsten Karriereschritte und Berufsziele. Eine gründliche Recherche der beruflichen Situation und Analyse des Arbeitsmarktes für die Qualifikation sollte am Anfang stehen. Versuchen Sie, Risiken realistisch abzuschätzen und gehen Sie systematisch vor. Selbst wenn Sie eine neue, interessantere Position gefunden haben, sollten Sie in der alten Firma keine verbrannte Erde hinterlassen. Bleiben Sie höflich - auch wenn es Unstimmigkeiten gab.
CW: Trotz guter Qualifikation finden manche Bewerber momentan nicht so schnell einen neuen Job. Woran liegt das?
LEITNER: Viele Personalabteilungen suchen den perfekten Bewerber. Wer draußen ist, findet schlechter einen neuen Job. Deshalb sollten Kandidaten alle möglichen Wege nutzen, von sozialen Netzwerken wie Xing bis zum persönlichen Kontaktnetz. Gerade über diese Schiene werden viele Stellen neu besetzt.