Outplacement: Neue Berufschancen für entlassene DV-Profis

Jobwechsel geht stilvoll über die Bühne

27.01.1989

DV-Know-how, noch vor knapp einem Jahrzehnt Garant für Job-Chancen, Karriere und Gehalt reicht heute nicht mehr aus. Immer häufiger müssen gestandene DV-Leiter das Unternehmen verlassen. Schmutzige Wäsche soll indes nicht gewaschen werden. Berthold Trottnow* empfiehlt im Fall einer Trennung den sauberen Schnitt - das Outplacement.

"Er kam, sah und feuerte", umschrieb der DV-Manager Ottfried K. den Stil des neuen Anteilseigeners, nachdem das Unternehmen verkauft

worden war. Hardwareverträge wurden gekündigt, Software auf Eis gelegt, die Personalplanung zusammengestrichen. Installiert wurde eine RJE-Station mit Drucker und Standleitung zum zentralen Rechenzentrum der Muttergesellschaft.

Der Rausschmiß zeichnete sich ab. Ein neuer DV-Boss, von der Konzernzentrale in Marsch gesetzt, stand ante portas. Ottfried K., bisheriger DV-Chef, knapp 50 Jahre alt, wird über Nacht nicht mehr gebraucht und gehört zum alten Eisen. Alle Beteiligten kommen überein, den Schaden zu begrenzen: Der Outplacement-Berater ist gefragt.

Outplacement wird von Consultants, die sich auf diese moderne, sublimierte Form des Rausschmiß' spezialisiert haben, gerne als "Hilfe zur Selbsthilfe" angepriesen.

Auftraggeber ist regelmäßig ein Unternehmen, das sich, aus welchen Gründen auch immer, von einem überflüssig gewordenen Spezialisten oder Manager trennen möchte. Der Betroffene vertraut sich dem "Wechselspezialisten" an, in der Hoffnung, von diesem Einblick in die Trickkiste des Bewerbens zu erhalten. Meist wird von Outplacement-Beratern argumentiert, wer jahrelang keinen Firmenwechsel vorgenommen habe, sei mit dem procedere des Bewerbens nicht mehr vertraut, mithin auf den sachkundigen Rat des Beraters angewiesen.

Weitere Argumente der Outplacement-Berater: Der Freistellungs-oder Freisetzungsvorgang wird abgekürzt, das Image der Firma ("Hire and Fire") leidet keinen Schaden, das heißt, negative Signalwirkungen werden vermieden, Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und Verringerung der "Freistellungskosten" sowie andere Führungskräfte werden nicht demotiviert.

Bei näherem Hinsehen freilich entpuppen sich die meisten dieser Aussagen als schieres Wunschdenken, als Mittel zum Zweck. Denn Zweck ist es allemal, den Auftrag zu erhalten. Denn der Markt ist hart, allein seit 1986 ist zu beobachten, daß sich Outplacement-Consultants in der Bundesrepublik und dem angrenzenden Ausland (Schweiz) durch Zellteilungen (in größeren Beratungsunternehmen) vermehren wie Stechmükken in der Sommerhitze der Rhein-Auen. Folge: Der Kuchen ist verteilt, der Markt übersättigt, Newcomer mit Dumping-Preisen treiben, von jedweder Sachkunde unbelastet, ihr Unwesen.

Aber zurück zu den oben aufgeführten Argumenten. Weitgehend unreflektiertes Wunschdenken sind diese aus folgenden Gründen:

1. Entlassungen, auch dann, wenn sie verbrämt als "Freistellung" oder "Freisetzung" umschrieben werden, sind äußerst schwerwiegende Ein-. schnitte in jeden beruflichen Werdegang, auch in den von Führungskräften. Daran ändert selbst Outplacement nichts.

2. Managern "Hilfe zur Selbsthilfe" bieten zu wollen, wäre etwa so, wie wenn man Personalberatern anböte, ihnen bei der Suche ihrer eigenen Mitarbeiter zu helfen.

3. Einem Manager zu unterstellen, er wisse allein deshalb nicht, wie er sich zu bewerben habe, weil er dies zehn Jahre lang nicht getan hätte, ist reichlich kurzsichtig: War es doch während dieser Zeit unter anderem auch seine Aufgabe, Spezialisten und Führungskräfte einzustellen, also Bewerbungen zu analysieren und zu beurteilen.

4. Ein Freistellungsprozeß wird in der Regel - Ausnahmen bestätigen diese auch hier - durch Outplacement nicht abgekürzt. Es sei denn, ein solcher würde sich ein Jahr oder länger hinziehen.

5. Daraus folgt, daß auch die Gesamtkosten einer Freistellung durch eine Outplacement-Beratung nicht geringer werden, allenfalls etwa gleich hoch ausfallen können.

Mit anderen Worten: Unsere Erfahrungen aus vielen durchgeführten Projekten zeigen sehr deutlich, daß diese neue Variante auf den Beratungsmarkt einerseits keine Wunder bewirkt, andererseits aber, wenn seriös, sachkundig und pragmatisch eingesetzt, zu vernünftigen Erfolgen führen wird. Diese Erfolge werden insbesondere dann eintreten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Der Outplacement-Beratung muß ein offenes und gründliches Informationsgespräch sowohl mit dem Unternehmen als auch mit dem Betroffenen vorausgehen. Erst dann kann über die systematische Durchführung eines Beratungsprojekts entschieden werden. Systematisch bedeutet, daß zwischen Outplacement und Newplacement (= neuer Anstellungsvertrag) in der Regel sieben Projektphasen chronologisch bearbeitet werden (siehe Abbildung). Zwischen Kandidat und Berater muß eine solide Vertrauensbasis entstehen, Strategien werden gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Der Outplacement-Berater besitzt qualifiziertes psychologisches Rüstzeug und ist im Einsatz wissenschaftlich abgesicherter Testmethoden geschult.

Dazu gehören moderne Verfahren der Eignungsdiagnostik ebenso wie die Befähigung, gründliche Stärken/ Schwächen- und Potentialanalysen durchführen zu können.

Das auftraggebende Unternehmen sollte sich vor seiner Entscheidung für eine Outplacement-Beratungsgesellschaft folgende Fragen beantworten:

1. Welche Erfolge (Referenzen) kann der Berater aus der jüngsten Vergangenheit vorweisen?

2. Ist das Outplacement-Beratungs, unternehmen kompetent auf allen wesentlichen Gebieten der Personalberatung (das heißt, wird auch die "Suche von Führungskräften" abgedeckt, also "full-service-Beratung" geboten?) Denn: Sehr nachteilig ist die Spezialisierung ausschließlich auf diese Art von Dienstleistungen. In vielen Fällen hat sich gezeigt, daß die fehlenden, aber für den Erfolg unabdingbar notwendigen, direkten persönlichen Kontakte zu Entscheidern in Sachen Personalbeschaffung in den Unternehmen ein schnelleres New-Placement oft unmöglich machen.

3. Sind qroßzügige Räumlichkeiten und technische Hilfsmittel (Video-Unterstützung) für Trainingsinaßnahmen vorhanden und steht dem Kandidaten qualifizierter Sekretariats- und Office-Service zur Verfügung?

4. Seit wann existiert das Beratungsunternehmen? 80 Prozent der Neugründungen verschwinden binnen Jahresfrist wieder. Und: Werfen Sie einen Blick in die Geschäftsräume. Nicht selten werden derlei Aktivitäten von der Bettkante aus betrieben.

5. Schließlich: Verfügt der Berater, vornehmlich dann, wenn es um Outplacement für DV-Manager und -Spezialisten geht, über solides DV-Wissen? Vorsicht ist dann geboten, wenn DV-Führungskräfte in die Fänge von Outplacement-Consultants geraten, die RPG II für die zweite Phase eines "Rehabilitierungs-Projekts für Berater-Geschädigte" halten.

Aus alledem ergibt sich, die Erfahrungen aus zehnjähriger Personalberatungstätigkeit bestätigen leider immer wieder, daß Outplacement Risiken in sich birgt: Es wird dann mißbräuchlich betrieben, wenn es von Beratern durchgeführt wird, die wegen Ihrer schmalen Formalausbildung und mangelnden Praxiserfahrungen nicht in der Lage sind, seriöse und fundierte Potentialanalysen im Sinne eignungsdiagnostischer Stärken/Schwächen-Untersuchungen durchzuführen.

Guruverhalten ist kein Erfolgsgarant

Eine weitere Gefahr besteht in einer zu starken "Kommerzialisierung". Folge: Unqualifizierte Consultants drängen, in der Absicht, die schnelle Mark zu machen, in dieses vermeintlich schillernde Branchensegment. Consultants, die ihre in Wirklichkeit brüchige Akzeptanz lediglich aufgesetztem "Guruverhalten" verdanken, erkennbar in der Regel an Hornbrille, doppelreihigem, dezentem Flanell, "button down", geföntem Haar und Siegelring. Kaum sonstwo findet man wirkliche Profis und echte Greenhorns und Blender so nah beieinander wie im Wirtschaftszweig der Personalberater.

Dennoch:Outplacement, als neues Instrument des Personal-Managements, bietet für alle Beteiligten auch Chancen: Positionswechsel, auf Grund struktureller Veränderungen der Industrielandschaft zunehmend erforderlich, können dann fair und flexibel vorgenommen weden, wenn die Projekte Unternehmen anvertraut werden, die auf langjährige gewachsene Klienten/Berater-Beziehungen zurückblicken können und Ihre Arbeit mit entsprechend hohem intellektuellen Anspruch leisten. Denn Outplacement gehört, wie auch die Suche von Managern, zu den umfassendsten und schwierigsten Einzeldisziplinen der Personalberatung.

Offfried K. übrigens, der den OP-Berater zunächst für den "besseren Rausschmeißer" hielt, fand sehr schnell Vertrauen zu ihm: nach vier Monaten, war ein neuer Arbeitsvertrag unterzeichnet. Er führt heute die Hauptabteilung "Organisation und Datenverarbeitung" in einem Unternehmen der Automobilzillieferindustrie mit mehreren tausend Beschäftigten in Baden-Württemberg.

*Berthold B. Trottnow ist Personalberater und geschäftsführender Partner der Trottnow Managementberatung GmbH in Stuttgart.