James Goodnight, SAS Institute: "SAP BW liefert kaum Mehrwert"

28.06.2005
James Goodnight, Gründer und CEO des Analysespezialisten SAS Institute, sprach mit CW-Redakteur Sascha Alexander über Konkurrenten, die ihre Kunden bezüglich Business Intelligence täuschen, seiner Strategie als Marktführer, und welche Bedeutung Unternehmenskultur für das Geschäft hat.

James Goodnight: "Viele Unternehmen glaubten, mit BI-Standardsoftware auch "Intelligence" zu erwerben."

CW: Sie haben Werkzeuge für Business Intelligence (BI) lange als Tools für "Query und Reporting" abgetan und diesen Markt weitgehend ignoriert. Warum haben Sie sich nun doch entschlossen, dieses Segment aggressiv anzugehen?

GOODNIGHT: Wir besaßen schon BI-Technik, doch fehlten intuitive Benutzeroberflächen mit Drag-and-Drop-Funktionen für den Datenzugriff. Dies fordern immer mehr Anwender. Mit der grafischen Arbeitsumgebung "Web Report Studio" unseres "BI Enterprise Server" können wir dies seit April anbieten. Wir sind bereit für den Schönheitswettbewerb mit Cognos und Business Objects.

CW: Damit fordern Sie zwei gut positionierte Anbieter heraus.

GOODNIGHT: Wir gewinnen fast jeden direkten Vergleich mit ihnen und haben dieses Jahr schon rund 500 BI-Server verkauft.

CW: Was unterscheidet Sie vom Wettbewerb?

GOODNIGHT: Wir haben über 200 potenzielle Konkurrenten, aber unser Angebot ist vollständiger und integriert. Anwender können ihre BI-Lösung über Query und Reporting hinaus mit Produkten und Features zur Datenbewirtschaftung oder analytischen Anwendungen erweitern und alle Bestandteile über Metadaten verwalten. Hersteller wie Informatica, Cognos oder Oracle haben nur Teile zu bieten und erwarten, dass der Kunde sich den Rest zusammenkauft.

CW: Sollen vor allem Bestandskunden Ihr BI-Geschäft anschieben?

GOODNIGHT: Bei über 40 000 Sites werden wir natürlich versuchen, in die Kundenbasis zu verkaufen. Aber BI ist derzeit so ein heißes Thema, das wir auch neue Kunden gewinnen.

CW: Sie stellten kürzlich eine Studie von Accenture vor, nach der neun von zehn IT-Manager mit ihrer BI-Strategie unzufrieden sind. Was sind die Gründe?

GOODNIGHT: Viele Unternehmen glaubten, mit BI-Standardsoftware auch "Intelligence" zu erwerben. Query und Reporting bieten davon nicht viel, sondern geben vor allem Auskunft über Ereignisse in der Vergangenheit. Wenn IT-Manager BI sagen, erwarten die meisten von ihnen hingegen Technik wie Data Mining und Analytics.

"Deutschland ist einer unserer größten Märkte neben den USA."

CW: Sie sagen also, dass Anbieter mit dem Begriff BI falsche Erwartungen wecken?

GOODNIGHT: Die haben sich immer wichtiger gemacht, als sie waren.

CW: BI wurde aber nicht von diesen, sondern von Gartner eingeführt und wird heute für die Berichts- und Analyse-Frontends verwendet.

GOODNIGHT: Es gibt große Missverständnisse über BI und Data Mining. Mancher Hersteller vermarktet beispielsweise die Drill-down-Funktionen seines Olap-Servers als Data Mining, obwohl die mit dessen hoch komplexe Detailanalysen nichts zu tun haben. Mit Data-Mining-Tools können Anwender Modelle entwickeln, um Vorhersagen über die Zukunft beispielsweise über das Kundenverhalten zu machen.

CW: Ist SAPs BI-Strategie auch so eine Täuschung der Kunden? Sie behaupten ja oft, dass die BI-Software "SAP BW" lediglich statische Berichte liefern kann. Trotzdem nutzen viele Anwender das Produkt.

GOODNIGHT: In vielen Fällen wurden vor allem alte Systeme durch SAP BW ersetzt. Die Software hat den Kunden aber kaum einen Mehrwert geliefert und bietet kein BI und Analytics, wie wir es verstehen. Am meisten ärgert es mich, dass die Leute für solche Lösungen Millionen Euros in Beratungsdienstleistungen stecken und deshalb öffentlich nichts Schlechtes mehr über die Produkte sagen wollen. Sie werden nie zugeben, dass sie nicht die Berichte erhalten, die sie brauchen.

CW: Marktbeobachter und Hersteller wie SAS reden heute von Predictive Analytics und heben diese von bisherigem Data Mining ab.

GOODNIGHT: Beides bedeutet das Gleiche. Wir wollen uns damit nur von den Query- und Reporting-Tools anderer Hersteller absetzen.

CW: Was für Umsätze erwartet SAS für das laufende Jahr, und wo rechnen Sie mit der größten Nachfrage?

GOODNIGHT: Wir wollen dieses Jahr den Umsatz um etwa 16 Prozent auf 1,75 Milliarden Dollar steigern. Die größten Wachstumschancen liegen im BI-Markt sowie im Finanz-Management mit Software für Konsolidierung, Budgeting und Forecasting. Die Nachfrage ist so groß, dass wir nicht genügend Mitarbeiter haben, die unser Produkt "Financial Management" beim Kunden einführen können. Ebenso sehen wir bei Lösungen für Marketing-Automatisierung und Performance-Management größeren Bedarf.

CW: Sie wollen 60 weitere Mitarbeiter in Deutschland einstellen. Wie wichtig bleibt der deutsche Markt für Sie?

GOODNIGHT: Deutschland ist einer unserer größten Märkte neben den USA. Unser Geschäft wächst. General Manager Jost Dörken macht einen exzellenten Job.

CW: 28 Jahre in Folge konnte SAS den Umsatz steigern. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

GOODNIGHT: Wir versuchen, unseren Mitarbeitern einen tollen Arbeitsplatz zu schaffen, der Platz für Kreativität bietet und sie vor Herausforderungen stellt. Dann bleiben die Mitarbeiter treu und sind motiviert.

CW: Was heißt das konkret?

GOODNIGHT: Jeder Unternehmensbereich hat seine eigenen Incentives. Im Verkauf sind es beispielsweise große Abschlüsse oder mehr Honorar. Ersteres ist vielen wichtiger. Wir unterstützen Sales durch gute Manager, die dafür da sorgen, dass die Leute gut arbeiten können. Da wir viele, zum Teil sehr komplexe Produkte haben, gibt es spezielle Produktteams, die unseren Sales mit Hintergrundwissen versorgen. Ebenso gibt es Informationen über unser Intranet.

CW: SAS rühmt sich auch, eine geringe Fluktuation in der Belegschaft zu haben. Was macht eine gute Unternehmenskultur aus?

GOODNIGHT:Es ist uns sehr wichtig, eine Balance zwischen dem Arbeits- und Privatleben der Leute zu ermöglichen. Gerät dies aus dem Gleichgewicht ist das nicht gut für ihr Leben und das Unternehmen. Wenn jemand bei seinen Kindern sein muss oder beim ersten Softball-Spiel dabei sein möchte, sollte möglich sein, dass er da einfach hingehen kann, selbst mitten am Tag. Auch können Mitarbeiter ihre Kinder mitbringen, wenn es nicht anders geht. Diese Leute sind dankbar und bleiben bei der Firma, weil man sie versteht.

CW: Geht so etwas nur in einem Privatunternehmen wie SAS, wo man nicht von Anlegern und Analysten getrieben wird?

GOODNIGHT: Es ist überall möglich, doch der CEO muss es vorleben, sonst funktioniert es nicht.