ERP-Showdown 2010

Jahr der Entscheidung für SAP und Oracle

08.01.2010
Der Zweikampf von Oracle und SAP tritt 2010 in eine entscheidende Phase. Beide Konzerne wollen endlich ihre neuen Programme auf den Anwender loslassen - Business byDesign und Fusion Apps.

SAP hat als Weltmarktführer für Unternehmenssoftware schon mehrere Häutungen hinter sich. 37 Jahre nach der Gründung setzen die Walldorfer aber ihr gesamtes Geschäftsmodell aufs Spiel. Hintergrund: Die Wachstumskurve bei Neulizenzen ebbt seit Jahren ab. Einen Großteil der Zielkundschaft, weltumspannende Großkonzerne, hat die SAP schon abgegrast. Statt mit einigen Großaufträgen muss sich SAP sein Auskommen nun mit vielen kleinen sichern - und das schlägt auf die Rendite.

Unternehmenschef Leo Apotheker verordnete daraufhin ein striktes Sparprogramm, mehr als 3.700 Stellen wurden gestrichen. SAP sucht das Heil jetzt in der Offensive und versucht gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: mit einem neuen Produkt endlich im großen Stil weltweit Mittelstandskunden gewinnen, durch Mietsoftware das Lizenzmodell auf den Kopf stellen und natürlich dem Erzrivalen Oracle eins auswischen.

Befürchtungen, der Ausbau des Mietsoftware-Geschäfts könne die Marge verwässern, wischt Apotheker beiseite. Mittelfristig hält er Mietsoftware über das Internet für profitabler als das traditionelle Modell aus Lizenz- und Wartungsgebühren. Denn Sorgen hat er mit der Wartung seiner Kunden genug. Hatte SAP erst jüngst die Wartungskosten zu erhöhen versucht, um schwächere Lizenzverkäufe zu kompensieren, so sind sie schwerer einzutreiben als gedacht.

DSAG
DSAG-Roundtable 2009
SAP-Anwender, vertreten durch die DSAG, diskutierten mit der COMPUTERWOCHE unter anderem, wie es in Sachen Enterprise Support weitergeht.
DSAG-Roundtable 2009
Nach Ansicht der Anwendervertreter bemüht sich SAP, wieder stärker auf die Kunden zuzugehen.
DSAG-Roundtable 2009
Etwa 50 Prozent der Kunden nutzen nach Angaben der DSAG bereits ERP 6.0, meist vollziehen sie dabei technische Release-Wechsel, erläutert Karl Liebstückel, Vorstandsvorsitzender der DSAG.
DSAG-Roundtable 2009
Vielen SAP-Nutzern sind die neuen Funktionen und Vorteile von ERP 6.0 nicht bekannt. Tools wie der Solution Browser, den SAP auf Drängen der Anwender eingeführt hat, sollen hier mehr Klarheit schaffen, erklärt Andreas Oczko, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DSAG.
DSAG-Roundtable 2009
Noch immer ist den Softwarenutzern die Business Suite zu komplex, unter anderem wegen redundanter Funktionen und Datenhaltung. Unlängst begonnene Gespräche mit SAP über eine Verbesserung bewertet Waldemar Metz, als DSAG-Vorstandsmitglied für das Ressort Prozesse verantwortlich, positiv.
DSAG-Roundtable 2009
Firmen wollen heute genau wissen, was ein IT-Projekt bringt. Selbst für harmlose SAP-Release-Wechsel müssen IT-Verantwortliche heute einen Business-Case vorlegen, so Otto Schell, Mitglied des DSAG-Vorstands, Ressort Branchen.
DSAG-Roundtable 2009
Die DSAG hat sich eigenen Angaben zufolge komplett neu aufgestellt, um bei SAP mehr Gehör zu finden. Mittlerweile gibt es Vorstandsvertreter für Service und Support, Technologie, Branchen und die Business Suite, so Mario Günter, Geschäftsführer der DSAG.
DSAG-Roundtable 2009
Zwar wissen die Kunden, wie es mit den Produkten von SAP und Business Objects weitergeht, doch die Zusammenführung beider Firmen ist aus Sicht der Anwender noch nicht abgeschlossen.

Apotheker rechtfertigte höhere Wartungsgebühren zwar mit erweiterten Leistungen, ein medienwirksam angelegter Kundenprotest brachte SAP aber vorerst vom Kurs ab. Doch SAP will die Kosten für mehrere tausend Unternehmenskunden anheben. Die Servicepauschale sei zehn Jahre lang stabil gehalten worden, sagte Apotheker. "Inzwischen ist der Kostendruck zu hoch geworden."

Dabei muss er aber den Widerstand der Kunden brechen. Selbst bei den treusten Kunden sind die Wartungskosten ein Streitpunkt. Siemens , einer der größten SAP-Kunden, hatte den Vertrag im Sommer gekündigt und im Herbst dann doch verlängert. Grund war dem Vernehmen nach die Weigerung von SAP, dem Großkunden einen Rabatt einzuräumen. Es gilt als ausgemacht, dass die Walldorfer Siemens nun doch weit entgegen gekommen sind.

Zweikampf SAP - Oracle

Dem Rivalen Oracle geht es besser als SAP. Zwischen September und Ende November steigerten die Amerikaner den Gewinn mitten in der Krise. Zudem sicherte sich Oracle jüngst mit dem Kauf von Sun nicht nur Expertise in der Programmiersprache Java, die vom Handy bis zum Computer eingesetzt wird, sondern auch einen vollwertigen Hardware-Hersteller. Einen Vorstoß ins Hardware-Geschäft schließt Apotheker aus: "Alles aus einer Hand ist nicht unser Ansatz."

SAP setzt vielmehr auf Zusammenarbeit, wie die mit Chiphersteller Intel. Neue Hauptspeicherdatenbanken sollen größere Speicherkapazität und einen 10.000 Mal schnelleren Zugriff als bisherige Datenbanken ermöglichen. Damit können Arbeitsprozesse in den Unternehmen deutlich schneller analysiert werden. Mit den Hauptspeicherdatenbanken will Apotheker eben jene Datenbanken überflüssig machen, wie Oracle sie anbietet.

Doch auch Oracle schläft nicht. Die Amerikaner basteln fieberhaft an einer neuen Unternehmenssoftware, um dem deutschen Konkurrenten endlich im großen Stil Kunden abzujagen. Die Applikationen namens "Fusion Apps" stehen am Ende einer fünf Jahre dauernden Software-Entwicklung, die sich Oracle Milliarden von Dollar kosten ließ. Im nächsten Jahr will Oracle mit Software für Buchhaltung, Personalverwaltung, Einkauf, Vertrieb und Marketing an den Start gehen. Weitere Funktionen sollen folgen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Oracle eine Attacke gegen SAP reitet. Doch mit "Fusion Apps" haben die Amerikaner einen großen Wurf gewagt, um den Weltmarktführer zu überrunden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, sagen Analysten. Anders als bisherige Programme, die wie Automodelle auf Vorgängern aufbauten, hat Oracle hier mit einem weißen Blatt Papier begonnen. Dabei bedienten sich die Entwickler bei öffentlich-zugänglicher Software von Unternehmen wie Google.

Business byDesign vs. Fusion Apps

Auf diesen neuen Technologien bauten sie die Software auf, welche Analysten als ausgesprochen nutzerfreundlich bezeichnen. Auch unterscheide sich die Benutzeroberfläche wohltuend vom funktional-nüchternen Charme bisheriger Programme der beiden Kontrahenten. Zudem stellt Oracle Kunden nicht mehr vor die Wahl, bei SAP zu bleiben oder alle Systeme in einem kostspieligen Kraftakt auf ihre Software umzustellen.

Alle Hoffnungen der Walldorfer ruhen indes auf dem neuen Produkt "Busines byDesign", welches SAP im ersten Halbjahr 2010 mit zweijähriger Verspätung auf den Markt bringen will. Die Mittelstandssoftware soll über das Internet angeboten und vermietet statt lizenziert werden. Die Entwicklung der Software hat SAP verschiedene Unternehmensquellen zufolge zwischen einer und eineinhalb Milliarden Euro gekostet. Um die Software profitabel anbieten zu können, wird das Paket derzeit noch einmal umgebaut. Dem Vernehmen nach arbeiten Entwickler mit Hochdruck daran, Business byDesign schlanker zu machen.

Laut Vertriebsexperte Apotheker sind damit die Software-Probleme gelöst. "Wir sehen starkes Licht am Ende des Tunnels", sagte der Manager. Der seit Jahren bitter und persönlich ausgefochtene Streit um Kunden scheint auf einen Zweikampf der neuen Programme hinauszulaufen - Fusion Apps gegen Business byDesign. (dpa/ajf)