Wie das IT Service Management in 2020 aussehen wird

ITSM bekommt ein neues Gesicht

09.08.2018 von Siegfried  Riedel
Das IT Service Management (ITSM) sieht sich aktuell mit einer Vielzahl an neuen Themen konfrontiert - angefangen von der Prozessdigitalisierung über Cloud und IoT bis zu den agilen Methoden. Deshalb werden die IT-Organisationen schon in den nächsten Jahren ein verändertes Gesicht haben.

Schon jetzt ist die Zeit längst vorbei, dass sich das IT Services Management (ITSM) wesentlich durch ein Kürzel wie ITIL definierte. Zwar bleibt der Kerngedanke des Regelwerks, die IT-Organisation prozessorientiert zu gestalten und zu steuern. Doch im Zuge der digitalen Transformation sind zusätzlich Anforderungen in den Fokus gerückt, auf die neue Antworten gefunden werden müssen.

IT Service Management (ITSM): Mit der Digitalisierung rücken neue Anforderungen in den Fokus.
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Dazu gehört nicht zuletzt, die vielen analogen Inseln mit fehlender Integration, geringem Automatisierungsgrad und hohem manuellen Aufwand zu beseitigen, was zu einer deutlich höheren Differenziertheit in der Prozessdigitalisierung führt. Beschränkten sich Unternehmen beispielsweise bisher darauf, neue Lieferanten über komplexe Excel-Sheets ticketgesteuert manuell in jeweils verschiedenen Systemen abzubilden, so soll dies nun bevorzugt über Workflow-orientierte Portale erfolgen. Hier übernehmen die Lieferanten in einem Service-Shop in Verbindung mit automatisierten Genehmigungsverfahren selbst die Eingabe der Daten, die dann über Webservices beispielsweise im SAP-System abgebildet werden.

Die Prozessdigitalisierung steht im Mittelpunkt

Dieses beliebig ausgewählte Beispiel zum digitalen Wandel zeigt vor allem, dass die Prozesse mehr denn je im Mittelpunkt des Service Managements stehen werden. Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine marginale Veränderung und nicht nach einer wesentlich neuen Positionierung eines prozessorientierten ITSM aussieht, hat tatsächlich eine neue Akzentuierung. Denn mussten bisher für die Implementierung von Prozessen Nutzenargumente gefunden werden, dreht sich die Argumentation in Zeiten der digitalen Vernetzung um: Es muss begründet werden, warum auf einen klar definierbaren und gleichzeitig digital abbildbaren Prozess verzichtet werden soll.

Insofern verbirgt sich in der Fokussierung auf die Prozessdigitalisierung, die zudem ihren Geltungsraum deutlich tiefer als zuvor bis in die Business-Prozesse hat, ein zentrales Merkmal des zukünftigen IT Service Managements. Bei deren Umsetzung werden je nach Anforderung oder Vorgaben aber auch größere Freiheitsgrade als bislang möglich sein.

Unmittelbare Konsequenz ist aber auch, dass seitens der IT-Organisationen deutlich erweiterte Kompetenzen in Sachen Prozessdigitalisierung aufzubauen sind. Und dies muss angesichts der hohen Digitalisierungsdynamik sogar kurzfristig erfolgen, weshalb ein weitreichender Prozessfokus zumindest in den größeren Unternehmen schon innerhalb der nächsten zwei Jahre zumindest als Zielsetzung fest verankert sein wird.

Studie IT Service Management 2018
Die wichtigsten IT-Themen der Zukunft.
Überblick: ITIL-Prozesse in den Unternehmen.
Die ITIL-Umsetzung bei eingesetzter ITSM Software.
Die Zufriedenheit mit ITSM im eigenen Unternehmen.
Die Zufriedenheit mit ITSM - nach Hierarchie.
Statements zu ITSM (1)
Statements zu ITSM (2)
ITIL-Standards
Primäre Zielsetzung für die Einführung von ITSM-/ESM-Tools
Die Investitionsbereitschaft in ITSM / ESM für die nächsten Monate.
Sichere Investitionen in ITSM / ESM in den nächsten Monaten.
Der ITSM-Anteil am Gesamt-IT-Budget.
Softwarelösungen für ITSM
Einsatz von ESM Tools in Service-Bereichen.
Der Stand der Geschäftsprozessautomatisierung.
Durch Prozess-Automatisierung tangierte Bereiche.
Die Beteiligten an ITSM-/ESM-Entscheidungsprozessen.
Die Hürden für die erfolgreiche Einführung von ITSM- / ESM-Tools.

Ein schneller Wandel zur agilen Organisationskultur

Zudem hängt diese Ausrichtung nicht nur mit dem Ziel einer höheren Automatisierung und einem integrativen Zusammenspiel von Abläufen zusammen. Vielmehr stellt die konsequente Prozessdigitalisierung auch gleichzeitig einen wesentlichen Faktor für agile Grundbedingungen in der IT-Organisation dar. Denn agile Verhältnisse benötigen zwangsläufig auch digital unterstützte Prozesse.

Und trotzdem ist es mit einer Prozessdigitalisierung allein noch nicht getan, da ein Wandel von der klassischen zur agilen IT-Organisation eine grundlegende Neuausrichtung des gesamten Selbstverständnissesbedeutet. Schließlich handelt es sich beim agilen Ansatz um eine neue Organisationskultur, die deutlich weiter geht als nur agile Projektmethodenzu berücksichtigen. Notwendig sind vielmehr Veränderungen gleich auf mehreren Ebenen, dies betrifft die organisatorischen Verhältnisse ebenso wie die Prozesse und Tools.

Erst wenn alle drei Ebenen den veränderten Anforderungen entsprechen und eng aufeinander abgestimmt sind, entsteht die Basisstruktur einer agilen IT-Organisation. Und zu deren Kernzielen gehört, dass sich die Agilität im gesamten Service-Lebenszyklus darstellt. Bereits jetzt hat eine solche Ausrichtung nach einer Befragung der ITSM Group für jeden zweiten IT-Verantwortlichen eine hohe Relevanz, vor einem Jahr waren es nur etwa halb so viele.

Begleitet werden muss diese Entwicklung durch eine agile Modifikation der ITIL-basierten Prozesse. Hierfür soll das Regelwerk schon bald konkrete Hilfestellungen bieten. In seiner noch für dieses Jahr erwarteten neuen Version soll es praktische Anleitungen und Beispiele dafür bereitstellen, das Framework in Verbindung mit Praktiken wie DevOps, Agile und Lean einzusetzen.

Der Service Manager wird zu einer erfolgskritischen Funktion

Das zukünftig agile Profil der IT-Organisationen hat aber weitere Konsequenzen. Denn weil Agilität keinem Selbstzweck folgt, sondern sie einer anpassungsfähigeren und stärker kundenfokussierten Ausrichtung dienen soll, bedarf es auch einer engeren Verzahnung mit dem Business. Dies verlangt die Implementierung einer Rolle, die man je nach Sichtweise als Service Manager oder Produktmanager bezeichnen kann. Er kommt idealerweise aus dem internen Fachbereich oder steht im engen Kontakt mit dem jeweiligen Kunden.

Seine Funktion besteht darin, die Priorisierung der Anforderungen aus dem Backlog anhand des Kundennutzens zu verantworten, gleichzeitig muss er die Weiterentwicklung der Services sicherstellen. Doch Vorsicht: Hierfür müssen Zuständigkeiten aus der Linie an diese Rollen übergeben werden, was möglicherweise nicht gänzlich ohne Widerstände erfolgen wird.

Um ausreichend handlungsfähig zu sein, benötigt er zwangsläufig auch die notwendigen Befugnisse. Vorteilhaft ist, wenn ihm hierfür ein Service- bzw. Produktteam entlang der Lieferkette zur Verfügung steht. Diese Ressourcen minimieren Abstimmungsaufwände, außerdem kann der Service Manager bei Engpässen gezielt in die Abläufe eingreifen. Denn gerade die benötigten Entwicklungsressourcen stellen oftmals einen Flaschenhals dar.

Zum besonderen Vorteil agil arbeitender Projektteams gehört daher, dass die Wissensweitergabe von der Entwicklung an das Operations-Team erleichtert wird. Somit können mit der Weiterentwicklung des Teams einfache freigegebene Änderungen (Standard Changes) auch direkt vom Operations-Team durchgeführt werden, um die Entwicklung zu entlasten. Ohne ein zusammengehöriges Team wird diese Weitergabe hingegen schnell durch die Organisationsgrenzen behindert.

Bedeutsam sind unter agilen Bedingungen auch die Service Level Agreements (SLA). Um die Leistungserbringung gezielter steuern zu können, sind Service-spezifische SLAs statt generalistischer Leistungsvereinbarungen notwendig. Sie versetzen den Service Manager in die Lage, mit dem Kunden wesentlich gezielter die Ressourcen priorisieren zu können. Dies etwa bei der Frage, ob bevorzugt eine neue Anforderung oder die Beseitigung einer Störung realisiert werden soll. Eine Überarbeitung der SLA-Strukturen ist aber beispielsweise auch für DevOps-Prozesse bei Nutzung von Cloud-Services notwendig, weil ansonsten sowohl die Rolle des Masters als auch die der internen bzw. externen Support-Verantwortlichkeiten an den Prozessschnittstellen unklar bleiben.

Das Governance-Management wird sich ändern

Was aber auch schon bald zum neuen Gesicht des IT Service Managements gehören wird, sind die Verfahren zur Ausrichtung der IT-Projekte an den Unternehmensstrategien. In den klassischen Verfahren ließ sich dies vergleichsweise klar umsetzen. Wenn jedoch agile Bedingungen hineinfließen, dann darf sich die IT-Governance nicht als ein starres Korsett darstellen. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, zwischen der Einhaltung und Messung der Unternehmensziele auf der einen Seite und den agilen Flexibilitätsansprüchen auf der anderen Seite eine Balance herzustellen. Deshalb müssen statische und sehr formalisierte Elemente beispielsweise in der IT-Budgetierung und dem Management des Projektportfolios aufgeweicht werden, ohne dass es jedoch zu Abstrichen bei bestimmten Governance-Vorgaben wie etwa Stabilität, Compliance oder der Risikominimierung kommt.