Messe-Chef Ernst Raue

"ITK ist der Schmierstoff für viele Geschäftsmodelle"

28.02.2011 von Martin Bayer
Veranstalter und Verbände sind vor dem offiziellen Start der CeBIT optimistisch. Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer sprach vom Davos der Hightech-Industrie und Messe-Chef Ernst Raue vermeldete erstmals seit zehn Jahren wieder ein Wachstum der weltgrößten IT-Messe.

Die Erleichterung stand dem Messe-Chef ins Gesicht geschrieben. Erstmals seit zehn Jahren hätten die CeBIT-Veranstalter wieder ein Wachstum zu verbuchen. Mehr als 4200 Aussteller aus 70 Ländern haben in diesem Jahr ihren Weg auf das Messegelände in Hannover gefunden, verkündete Raue kurz vor dem Start. Im vergangenen Jahr standen am Ende 4150 Unternehmensnamen auf der Ausstellerliste.

Zu dem Wachstum beigetragen haben Raue zufolge auch neue Initiativen der Messegesellschaft. So ließen sich im Vorfeld mit Hilfe einer Internet-Plattform, auf der sich Interessen von Besuchern mit den Themen von Ausstellern verknüpfen lassen, leichter Geschäfte anbahnen. Messegäste könnten so ihren CeBIT-Besuch besser vorbereiten und Aussteller effizienter mit potenziellen Kunden in Kontakt treten. "ITK ist der Schmierstoff von vielen Geschäftsmodellen", lautet Raues Fazit zum CeBIT-Auftakt.

CeBIT: Das Davos der Hightech-Branche

Bitkom-Präsident Scheer nahm den Faden auf und verglich die IT-Messe mit dem jährlichen Treffen der Hochfinanz und Politik im schweizerischen Davos. "Die CeBIT ist das Davos der Hightech-Industrie." Eine Industrie, die sich momentan allerdings in einem Umbruch befindet, wie der Verbandschef nahtlos anfügte. Neue Techniken rund um das Cloud Computing würden weit reichende Veränderungen nach sich ziehen.

Foto: Bitkom

Offenbar nicht zum Schaden der hiesigen IT-Branche. "Die Auftragsbücher sind voll", vermeldete Scheer. Der Verband der Hightech-Industrie bekräftigte zum CeBIT-Auftakt seine Wachstumsprognose für den deutschen ITK-Markt. Nachdem die Geschäfte im vergangenen Jahr um 2,0 Prozent auf 142,7 Milliarden Euro zugelegt hatten, soll der Markt auch in diesem Jahr um 2,0 Prozent auf dann 145,5 Milliarden Euro wachsen. Auch für das kommende Jahr rechnen die Bitkom-Verantwortlichen mit einem Plus von 2,0 Prozent auf ein ITK-Marktvolumen von 148,4 Milliarden Euro. Dass die Wachstumsraten eventuell höher ausfallen als jetzt prognostiziert, will Scheer nicht ausschließen. "Eventuell erleben wir eine positive Überraschung."

Ihre Hoffnungen gründen die Bitkom-Verantwortlichen auf neue Techniken und Geschäftsmodelle rund um Cloud-Computing. Das spiegelt sich auch in den Prognosen der IT-Anbieter wieder. 62 Prozent der vom Bitkom befragten Hersteller bezeichneten die Cloud als das Top-Thema dieses Jahres. Schon 2010 wollen fast 30 Prozent der befragten Anbieter zehn Prozent und mehr ihres Umsatzes mit Cloud-Diensten erwirtschaften. Für das nächste Jahr rechnen bereits über die Hälfte der Firmen mit Cloud-Einnahmen im deutlich zweistelligen Umsatzanteil.

Bitkom-Prognose: Cloud-Umsätze wachsen zweistellig

Laut den Prognosen des Branchenverbands wird der deutsche Cloud-Markt in diesem Jahr ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro erreichen. Das sind 55 Prozent mehr als 2009. Auch in den kommenden Jahren sollen die Cloud-Geschäfte im deutlich zweistelligen Bereich zulegen. Die Wachstumsraten bewegen sich zwischen 27 und 51 Prozent. 2015 taxieren die Experten das Marktvolumen in Deutschland auf 13 Milliarden Euro, wovon 4,8 Milliarden Euro auf das B2C-Segment und 8,2 Milliarden Euro auf den B2B-Bereich entfallen sollen.

CW-Umfrage im Überblick
Hier finden Sie die wichtigsten Ergebnisse der CW-Umfrage zum Cloud Computing im Überblick.
Die meisten beobachten die Cloud
Die Cloud beschäft nahezu jeden Anwender. Knapp 85 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich mit den Thema auseinandersetzen.
Viele beziehen bereits Services
Oft lassen die Anwender den Überlegungen auch Taten folgen. Knapp 30 Prozent beziehen bereits Dienste aus der Wolke. Ausdrücklich gegen eine Cloud-Nutzung haben sich weniger als 15 Prozent ausgesprochen.
Applikationen sind beliebt
Wenn sich Anwender für Cloud-Angebote interessieren, dann vor allem für Geschäftsanwendungen und Speicherkapazitäten.
Cloud-Dienste gegen Lastspitzen
Die Befragten schätzen die Flexibilität der Cloud-Services. Sie nutzen derartige Dienste beispielsweise, um Lastspitzen abzufedern.
Die Skepsis bleibt
Die Bedenken richten sich vor allem gegen Sicherheits- und Datenschutzproblemen.
Amazon und Google führen
Nach Einschätzung der Befragten führen Amazon und Google derzeit das Feld der Cloud-Provider an.
In fünf Jahren: Platzhirsch ist Google
Auch in fünf Jahren wird Google zu den führenden Anbietern zählen, doch die traditionellen IT-Anbieter haben aufgeholt.
Klassische Provider genießen Vertrauen
Google hat ein wesentliches Problem. Die Anwender vertrauen dem Konzern nicht. Sie wenden sich lieber an etablierte Anbieter wie IBM und T-Systems.
Sympathien für die Deutsche Cloud
Der Bitkom hat auf der CeBIT 2010 vorgeschlagen, eine deutsche Cloud zu installieren. Das trifft durchaus auf Zustimmung der Anwender.
Wichtige Daten bleiben inhouse
Dennoch speichern die Nutzer ihre kritischen Daten ungern in der Wolke.
Kein Einfluss auf die interne IT
Cloud wird die heutige IT um Services ergänzen, die Arbeit der internen IT aber nicht überflüssig machen.

Aber auch die klassischen IT-Märkte können nach Einschätzung Scheers auf gute Geschäfte hoffen. Vor allem der Hardware-Markt boomt, sagt der Bitkom-Präsident. Beispielsweise soll der PC-Umsatz in diesem Jahr um sechs Prozent zulegen. Tablet-PCs, von denen Scheer zufolge 1,5 Millionen Stück 2011 in Deutschland verkauft werden, könnten sich als eigenständige Produktkategorie etablieren. Die Nachfrage nach Software wird in diesem Jahr um 4,5 Prozent anziehen, der Bedarf an IT-Services um 3,5 Prozent. Insgesamt könne der deutsche IT-Markt 2011 damit um 4,3 Prozent auf 68,8 Milliarden Euro wachsen. Die Telekommunikationsgeschäfte legten dagegen vergleichsweise schwach um nur 0,3 Prozent auf 64,3 Milliarden Euro zu.

Fachkräftemangel kostet die Branche Milliarden

Während sich Scheer mit der Marktentwicklung zufrieden äußert, kritisiert er den aus Verbandssicht weiterhin herrschenden Fachkräftemangel. 59 Prozent der Mitgliedsunternehmen gaben an, darunter zu leiden. Der Branche gingen jährlich 2,5 Milliarden Euro an Umsatz wegen dieses Problems verloren, klagten die Bitkom-Vertreter. "In der Bildungs- und Zuwanderungspolitik muss sich sehr viel mehr bewegen", fordert Scheer und prangert mangelnden Technikunterricht in Schulen und hohe Abbrecherquoten im Informatikstudium an. Während der Verband an dieser Stelle mehr Engagement der Politik fordert, ist an anderer Stelle weniger staatlicher Einfluss gewünscht. Gesetzliche Regelungen dürften innovative Angebote nicht verhindern. "Nicht jeder neue Dienst muss mit einem eigenen Gesetz reguliert werden", sagt der Verbandschef und verweist auf Selbstverpflichtungsinitiativen der Branche wie beispielsweise im Rahmen von Geodaten-Diensten. Überhaupt dürfe man die IT-Branche nicht nur auf Diskussionen um Abbildungen von Häuserfassaden im Internet reduzieren, fordert Scheer. "Schließlich hat unsere Technik wie beispielsweise Twitter zuletzt auch einen großen Beitrag für die Freiheitsbewegungen in Nordafrika geliefert."