Zur Konsolidierung gehören auch die IT-internen Prozesse

Itil ist schon mal ein guter Anfang

07.11.2003
MÜNCHEN (qua) - Die Serviceprozesse der IT-Organisationen bergen eine Menge Verbesserungspotenzial. Um es auszuschöpfen, haben viele Unternehmen bereits Teile der Information Technology Infrastructure Library (Itil) implementiert.

Die meisten CIOs müssen 70 bis 80 Prozent ihrer IT-Budgets für den reinen Betrieb aufwenden. Für Innovationen bleibt da wenig Raum. Ein verantwortungsbewusster IT-Chef wird deshalb versuchen, die Routineaufgaben seiner Organisation möglichst effizient zu gestalten.

Für das Management ihrer Dienstleistungen greifen nicht nur die etablierten IT-Service-Anbieter, sondern auch die IT-Organisationen immer häufiger auf die "IT Infrastructure Library" (Itil) zurück. Die im Umfeld der britischen Regierung entwickelte Best-Practices-Sammlung (siehe auch nebenstehenden Artikel: "Die interne IT als Geschäft betreiben") kann beim internen Services-Management gute Dienste leisten.

"Itil ist nicht die ganze Antwort, aber ein wichtiger Teil davon", bestätigt John Mahoney, Managing Vice President bei Gartner Research. Die aus mehr als 60 Büchern bestehende "Bibliothek" habe zwar nicht für alle IT-Bereiche etwas anzubieten, beispielsweise nicht für Anwendungsentwicklung oder Logistik, aber für das operationale Service-Management sei sie das Beste, was den CIOs derzeit zur Verfügung stehe. Im Zusammenspiel mit dem eher formalen Qualitätsstandard ISO 9000 bildet das inhaltlich orientierte Itil eine "unschlagbare Kombination", ergänzt Michael Busch, Senior Consultant bei Detecon International.

Der Düsseldorfer Energiekonzern Eon hat sich, so CIO Gisela Wörner, eingehend mit dem Thema beschäftigt und seine Serviceprozesse danach ausgerichtet - mit folgenden Zielen:

-Standardisierung und Harmonisierung sowie

-Qualitätsverbesserung der IT-Prozesse anhand der Best Practices,

-Zertifizierung des internen Service-Providers nach den vorgegebenen Richtlinien,

-Verbesserung der IT-Prozesse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie

-Prozesskostenoptimierung in der IT.

Ideen für Verbesserungen

Der Airport-Dienstleister Fraport AG nutzt derzeit vor allem das umfangreiche Itil-Set zum Thema "Service Support" mit den detailliert beschriebenen Prozessen für Incident-, Problem- und Change-Management und dem teilweise ausformulierten Konfigurations-Management. Die Mitarbeiter gewännen dadurch nicht nur "Ideen für Verbesserungen", sondern auch "die Sicherheit, was Best Practise ist", lobt Fraport-CIO Roland Krieg. Auf diese Weise würden aufwändige interne Diskussionen zum großen Teil überflüssig.

Eigenen Angaben zufolge will Krieg mit der Itil-Nutzung mehr Servicequalität und eine größere Kundenzufriedenheit zu geringeren Kosten erreichen. Darüber hinaus verfolgt er zwei weitere Ziele: die langfristige Stabilisierung der Infrastruktur und die schnellere Bearbeitung von Kundenanforderungen. Auf allen drei Feldern kann der Informatikchef nach einem Jahr bereits Ergebnisse vorweisen: "Wir haben die Erfolge der Itil-Einführung von Anfang an in nüchternen Zahlen statt in Gefühlen gemessen", stellt er klar:

-So steigerte Fraport die durchschnittliche Systemverfügbarkeit auf einer ohnehin schon im 99-Prozent-Bereich liegenden Basis noch einmal um mehr als 0,2 Prozent.

-Die Fehlerbehebungsrate im Remote-Service stieg von 35 auf 75 Prozent.

-Gleichzeitig sank die durchschnittliche Wartezeit für den Anrufer im Unternehmens-Helpdesk von 50 auf 13 Sekunden.

-Folglich wuchs auch die Kundenzufriedenheit, was sich anhand von systematischen Ad-hoc-Nachfragen per Telefon belegen ließ.

Kein Kochrezept für optimale Prozesse

Darüber hinaus will der Fraport-CIO auch das Service-Level-Management "Itil-konform umstellen". Hierbei ist laut Detecon-Berater Busch viel Eigeninitiative gefordert, denn das dafür genutzte "Service-Delivery-Set" liefere - wie die meisten Itil-Bücher - keineswegs ein Kochrezept für optimale Prozesse. Es könne den Serviceverantwortlichen helfen, die angestrebten Leistungen festzulegen; die dazu notwendigen Abläufe sowie die jeweils geeignete Organisation müssten sie selbst definieren.

Auch Dietmar Lummitsch, CIO des TÜV Süddeutschland, hat sich intensiv mit den Best-Practices für Incident- und Configuration-Management auseinandergesetzt. Daneben nutzt er aber auch die Leitlinien für Financial und Service-Level-Management. Indem sich die internen IT-Prozesse an Itil anlehnen, lässt sich seiner Ansicht nach "extrem schnell" ein "optimaler" IT-Betrieb aufbauen. Wie schon von Krieg angedeutet, hilft Itil auch dem TÜV Süd dabei, Missverständnisse zu verringern, weil damit "innerhalb der gesamten IT-Organisation eine Sprache gesprochen" werde, so der CIO.

Als Itil-Erfolg verbucht Lummitsch vor allem den inzwischen eingeführten Servicekatalog für IT-Basisdienste, der die jeweilige Total Cost of Ownership (TCO) ausweise und eine kostenstellengenaue Abrechnung erlaube. Auf der Grundlage der Leitschnur für das Konfigurations-Management wurde zudem ein Asset-Management aufgebaut. Darüber hinaus sind die TÜV-Informatiker heute in der Lage, Service-Reports zu erstellen.

Durchgängige, wertsteigernde Prozesse

Der Dienstleistungskonzern T-Systems verwendet den Itil-Leitfaden nicht nur für seine externen Kunden, sondern auch intern - in einem "Excellence-Projekt für das Service-Management". Dazu Chief Information Officer Jürgen Kratz: "Mit der T-Systems-spezifischen Ergänzung des Itil-Standards entsteht ein einheitlicher Service-Management-Rahmen im Unternehmen." Durch die Nutzung geeigneter Kennzahlen ließen sich "hohe Transparenz und eine verbesserte Steuerung des Service-Managements" erzielen. Vor allem aber orientiere sich T-Systems an Itil, "um durchgängige, wertsteigernde Prozesse zu gestalten".

Neueinsteiger sollten jedoch ein paar Ratschläge beherzigen: "Think big, start small", heißt der erste. "Beginnen Sie lieber schnell mit einer guten Vision und einem kleinen Prozess, der durch stetige Verbesserung immer hochwertiger wird, als sehr spät mit einem großen Prozess, der doch nicht all die kleinen Besonderheiten betrachtet", empfiehlt TÜV-Süd-CIO Lummitsch. Um besagten kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) in Gang zu setzen, sollten gleichzeitig mit der Itil-Implementierung auch Key-Performance-Indikatoren (KPIs) festgelegt werden.

"Prozessdisziplin und Training aller am Prozess Beteiligten" ist für Krieg das "Erste und Wichtigste", was es bei der Itil-Einführung zu berücksichtigen gilt. "Unbedingt erforderlich" sei auch die "Management-Attention", wozu Überwachung, Steuern und Messen der Kennzahlen im Rahmen eines monatlichen Berichtswesens gehörten. "Last, but really not least" müssten die Prozessverantwortlichen namentlich festgelegt werden.

Externe Hilfe ist sinnvoll

"Erstellen Sie eine Gap-Analyse!" rät T-Systems-CIO Kratz. Es sei wichtig, sich von Anfang an darüber klar zu werden, was Itil könne und was nicht, denn es handle sich hier nur um eine Strukturvorgabe. Oder wie Uwe Petersen, IT-Chef des Hamburger Versandhandelsunternehmens Hanseatisches Wein- und Sekt-Kontor (Hawesko), es formuliert: "Ein eher akademischer Rahmen ist an das Unternehmen pragmatisch anzupassen." Wie viele CIOs einräumen, empfiehlt es sich aus diesem Grund, zumindest für die Prozessimplementierung externe Hilfe durch einen Itil-erfahrenen Berater in Anspruch zu nehmen.

Auch Petersen warnt vor überzogenen Erwartungen: "Itil liefert nicht automatisch eine Produktivitätssteigerung, Leistungsverbesserung oder Kosteneinsparung." Im Hinblick auf die Konsolidierungsdebatte ergänzt Lummitsch, dass Itil ein Unternehmen keineswegs in die Lage versetze, "sofort eine Anzahl von Personen einzusparen". Ebenso wenig eigne es sich dafür, eine IT-Strategie für die nächsten fünf Jahre zu entwerfen.

Auf einen wichtigen Aspekt verweist Hubert Dörner, Leiter Informationssysteme bei der Amann & Söhne GmbH & Co. KG in Bönnigheim: "Es macht keinen Sinn, IT zu implementieren, weil es Mode ist. Man muss verstehen, warum man es tut."

"Itil ist kein Allheilmittel und kein Tool; es löst keine vorhandenen Skill- oder Kapazitätsprobleme", fasst Krieg zusammen. Vor allem aber ersetzte es nicht die "laufende intensive Beschäftigung" des IT-Managements mit dem Thema Serviceorientierung.