IT-Service-Management

Itil aus dem SAP-System

23.02.2012 von Patrick Weck
Der interne IT-Dienstleister K+S IT-Services wollte keine Quick-and-dirty-Lösung, sondern eine "nachhaltige" Verbesserung der IT-Serviceprozesse. In den vergangenen vier Jahren erarbeitete er ein System, das auf der Best-Practices-Sammlung Itil aufsetzt und zu großen Teilen mit dem SAP Solution Manager modelliert wurde.
Im Grubenbetrieb werden die Rohstoffe für die Düngemittel abgebaut.
Foto: K + S

Bei der K+S Gruppe, einem der führenden Anbieter von Standard- und Spezialdüngemitteln mit mehr als 15.000 Mitarbeitern, stehen die Zeichen auf Wachstum. Die seit nunmehr zehn Jahren eigenständige IT-Abteilung zeichnet für den IT-Betrieb und die Weiterentwicklung der standardisierten SAP-Plattform weltweit verantwortlich. Darüber hinaus betreut die K+S IT-Services GmbH mit Sitz in Kassel alle Gesellschaften in Deutschland als IT-Volldienstleister. In der Praxis heißt das, kontinuierlich neue Firmen zu integrieren und rund um den Globus einheitliche Geschäftsprozesse zu schaffen.

Die IT-Mannschaft sieht sich einer ständig wachsenden Zahl von Usern und IT-Lösungen gegenüber. Quasi nebenbei müssen im Alltagsgeschäft zahlreiche Vorgänge, Störungen, Service Requests und Changes bearbeitet werden. Wie kann man mit den vorhandenen Ressourcen immer höhere Anforderungen meistern, sprich die Effizienz steigern? So lautet die Herausforderung. Als Lösung erschien die Orientierung an der IT Infrastructure Library (Itil). Die Sammlung von Best Practices für das IT-Service-Management (ITSM) kam vor einigen Jahren richtiggehend in Mode, aber an einem kurzfristigen Hype wollte sich K+S IT-Services nicht beteiligen.

IT-Prozesse lassen sich nicht kaufen

Von Beginn an war es das Ziel, eine nachhaltige Lösung zu schaffen, mit der sich die IT-Prozesse verbessern und in langfristige strategische Betrachtungen einbetten ließen. "IT-Prozesse kann man nicht fertig kaufen, sondern man muss sie sich erarbeiten", davon ist Horst-Uwe Troschke, bis vor kurzem Bereichsleiter IT-Betrieb bei K+S IT-Services, überzeugt: "Es geht primär darum die IT-Prozesse vernünftig zu gestalten und in die bestehenden IT-Lösungen zu integrieren."

Durch die geschäftliche Eigenverantwortung als GmbH hatte K+S IT-Services die Chance, Strukturen neu aufzubauen und auf die Kundenanforderungen abzustimmen. Dazu der mittlerweile in den Ruhestand gegangene Bereichsleiter Troschke: "Wir haben uns ganz genau überlegt, wie wir ein Qualitäts-Management-System aufbauen und wie wir unsere Qualitätsprozesse gestalten müssen." Das QM-System war 2003 zertifiziert worden. Die darin beschriebenen Prozesse dienten als Grundlage für die neu zu erarbeitenden IT-Service-Management-Prozesse.

IT-Prozessqualität ist schwer zu messen
Wie sehr sind die Geschäftsprozesse von einer hohen IT-Servicequalität abhängig?
Werden regelmäßig systematische Analysen der Qualität der IT-Prozesse durchgeführt?
Worin bestehen die größten Probleme zur Steuerung der ITSM-Qualität?

Die Basis war schon gelegt

Das Team musste keineswegs ganz von vorn beginnen: Ein Helpdesk war bereits etabliert, es gab einen Change-Management-Prozess, die IT-Assets waren in einer Configuration Management Data Base (CDMD) abgelegt. Diese CDMD war auf der Basis von SAP-ERP-Lösungen umgesetzt worden. So stellte sich laut Troschke "auch nie die Frage nach einem weiteren Tool". Die zugehörigen IT-Prozesse waren im QM-Handbuch detailliert beschrieben.

Doch in dieser gewachsenen Struktur waren viele Prozesse nicht vollständig miteinander verzahnt, Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geregelt. Das Management und die Mitarbeiter hatten keine wirkliche Transparenz über die Qualität der einzelnen Prozesse.

Was war zu tun? 2006 wurde die Sirius Consulting & Training AG mit einer Analyse beauftragt. Das Ergebnis: Eine IT-Service-Management-Lösung auf der Basis von Itil und SAP ERP versprach genügend Potenzial, um die Serviceprozesse schlanker und effizienter zu machen. Mit dem Beratungsunternehmen arbeitete K+S im gesamten Itil-Einführungsprogramm zusammen, einem mehrjährigen Vorhaben, das in unterschiedliche Projekte unterteilt wurde.

Am Anfang stand das Vorgehensmodell

Allen Beteiligten war klar, dass ein Komplettumbau der bestehenden Prozesse nur Schritt für Schritt geschehen konnte. Die größte Herausforderung in der Umsetzungsphase waren das Motivieren und Mitnehmen der Mitarbeiter. Im ersten Einführungsprojekt "Incident- und Problem Management" wurde ein Vorgehensmodell entwickelt, das zum Standard für alle folgenden Prozesseinführungen werden sollte. Es sollte von Anfang an eine gute Einführungsqualität und eine kontinuierliche Verbesserung der jeweils definierten Prozesse gewährleisten.

In der Analyse und Prozessdokumentation wurden zunächst die Prozesse für die IT-Services der K+S kundenspezifisch definiert. Besondere Aufmerksamkeit bei der Neugestaltung schenkte das Team verbesserten Abläufen und Rollendefinitionen sowie der Feinabstimmung zwischen den einzelnen Fachteams.

Nun mussten die neuen Prozesse mit Leben gefüllt und verinnerlicht werden. Der Schlüssel zum Erfolg bestand darin, die Mitarbeiter frühzeitig in das Prozessdesign einzubinden, so dass sie mitreden und mitgestalten konnten. "Trotz der hohen Belastung haben alle an einem Strang gezogen, weil sie wussten, dass es der richtige Weg ist" erinnert sich Troschke.

Mit einer relativ kleinen Mannschaft musste ein breites Spektrum von Aktivitäten abgedeckt werden. In dieser Situation sei es wichtig, dass die Prozesse klar beschrieben sind und die Mitarbeiter ihre Entscheidungsspielräume kennen, erläutert Troschke: "Das Ziel sind standardisierte Abläufe. Denn die Erfahrung zeigt, dass in der IT die meiste Effizienz durch unabgestimmtes Handeln verloren geht." Echte Prozessorientierung bedeute: Es gibt für jeden Prozess einen Verantwortlichen und ein definiertes Ziel, dessen Erreichung messbar sein muss.

SAP folgte den Unternehmensprozessen

Auf die Analyse und Prozessdokumentation folgten Entwicklung und Customizing. Die Prozesse wurdne teilweise im SAP Solution Manager umgesetzt. Dabei folgte jedoch die SAP-Implementierung der Prozessdefinition - nicht umgekehrt. Speziell entwickelte Cockpits vereinfachen das Handling für die IT-Mitarbeiter. Ein integrativer Test und eine formelle Abnahme der Systemfunktionen beendeten diese Phase.

Wichtig war es, die Funktionen des SAP-Systems - vor allem für die Nicht-IT Prozesse - ausgiebig zu testen. Schließlich wurde die Lösung im zentralen ERP-System der K+S Gruppe umgesetzt. Zeitgleich erhielten die IT-Mitarbeiter immer wieder aktuelle Informationen über die anstehenden Veränderungen. Das Projektteam wurde intensiv in die Systementwicklung eingebunden.

In der dritten Phase, "Schulung und Go-Live", wurden dann alle IT Mitarbeiter intensiv im Umgang mit dem System unterrichtet. Dabei fanden der neue Prozess und die zugehörigen Systemfunktionen jeweils gleichwertige Berücksichtigung.

Auf jedes Go-Live folgte ein Prozess-Review

Immer wenn ein Prozess produktiv gesetzt war, wurde ein geregeltes Verfahren zur Prozess- und Systemoptimierung etabliert. Laufende Anpassungen wurden gesammelt, von den Prozess-Managern bewertet und zeitnah umgesetzt.

Im Rahmen aller Einführungen fand drei Monate nach dem Go-Live ein Prozess-Review mit Mitarbeitern aller Einheiten statt, wo die Verbesserungspotenziale in den verschiedenen Bereichen - Prozesse, Menschen und Tools - aufgenommen und bewertet wurden. Aus diesem Review wurde abgeleitet, ob im jeweiligen Prozess größere Veränderungen notwendig waren.

Change-Mangement - Die Vorteile
Change-Mangement - Die Vorteile
Change-Management ist nötig, um projektbedingte Veränderungen frühzeitig vorzubereiten. Change-Mangement bietet folgende Vorteile:
Vorteil 1:
Die intrinsische Projektbeteiligung und das Commitment der Beteiligten nehmen zu.
Vorteil 2:
Die Betroffenen verstehen den Gesamtzusammenhang einer Veränderung.
Vorteil 3:
Zudem haben sie mehr Einblick in die Projektinhalte und -ziele.
Vorteil 4:
Sie können die Projektaufgaben effektiver wahrnehmen und lösen.
Vorteil 5:
Externe Partner und Lieferanten werden sensibilisiert und motiviert, die geforderten Leistungen zeitnah, hochwertig und wirtschaftlich zu erbringen.
Vorteil 6:
Der Projektbetrieb ist durch geeignete Infrastrukturen und Systeme gesichert.
Vorteil 7:
Die Endanwender können die neue Lösung relativ problemlos einsetzen.
Vorteil 8:
Das administrative Personal aus IT und Fachbereichen kennt die Zusammenhänge.
Vorteil 9:
Das Personal für den operativen Betrieb des künftigen IT-Systems ist ausreichend ausgebildet und befähigt, zudem leichter verfügbar und motivierter.

Von V2 schrittweise nach V3

K+S IT-Services muss mit seinen Ressourcen maßvoll umgehen. Itil sorgt dafür, dass die vorhandenen Kapazitäten vernünftig eingesetzt werden können. Itil V2 passt vom Prozessverständnis gut zu der Art und Weise, wie das Unternehmen Themen behandelt, vorantreibt und lebt. Die Neuerungen der Version 3 werden seit einiger Zeit kontinuierlich beobachtet und bewertet. Sie sollen, wenn sie sich als zielführend herausstellen, Schritt für Schritt eingeführt werden.

Mit den Itil-konformen Prozessen auf Basis von SAP erreichte der interne IT-Dienstleister, dass seine Serviceprozess deutlich effizienter wurden, obwohl die Aufgaben der IT in noch höherem Umfang gewachsen sind als die Zahl der Mitarbeiter. Die Durchlaufzeit konnte im Schnitt um 50 Prozent verkürzt werden. Regelmäßige Umfragen innerhalb der K+S Gruppe bestätigen die Zufriedenheit der Kunden.

Die gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen und Normen wurden ebenfalls beachtet. Alle IT-Prozesse sind "GMP-compliant" (Good Manufacturing Practices) abgebildet.

Die kritischen Erfolgsfaktoren

Als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren wurde die Verfügbarkeit der internen Ressourcen betrachtet. In der Projektlaufzeit kann die Verfügbarkeit ja weitgehend als gesichert angenommen werden. Ander verhält es sich im laufenden Betrieb. Hier muss die Notwendigkeit einer kontinuierliche Prozesspflege immer wieder kommuniziert werden. Das kostet Zeit, die oft nicht verfügbar ist.

Wegen der langen Laufzeit ist auch die Fluktuation der Mitarbeiter ein kritischer Faktor. Sie muss durch kontinuierliche Mitarbeiterentwicklung abgefangen werden.

Durch höhere Komplexität und größeren Druck auf Termine erhält man keineswegs bessere Prozesse. Konsequenterweise hat K+S IT-Services deshalb, soweit möglich, den Druck aus den Itil-Projekten herausgenommen. Auch das war ein wichtiger Beitrag zum Erfolg des gesamten Einführungsprogramms.

Mindestens ebenso bedeutsam war jedoch das hohe Commitment des IT-Managements. Nur dadurch ließ sich die langfristige und nachhaltige Vorgehensweise bei der Itil-Einführung durchhalten. Das Vorgehen in kleinen Schritten ist sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Qualität der Prozesseinführung von Vorteil. Aber es führt auf der anderen Seite zu höheren Kosten und größerem internen Aufwand. (qua)