Die IT GmbHs suchen ihre neue Rolle

IT-Töchter: Der Ausverkauf ist vorbei

25.03.2008 von Karsten Leclerque
Der Boom im Verkauf der IT-Ausgründungen ist abgeebbt. Doch die IT-Töchter stehen weiter unter Beobachtung. Sie müssen sich mit innovativen Modellen bewähren.

In den vergangenen Monaten überschlugen sich die Meldungen zu T-Systems und Siemens IT Solutions and Services (SIS). Mit der strategischen Neuausrichtung der früheren SBS und der kürzlich bekannt gegebenen Partnerschaft zwischen T-Systems und Cognizant sind die zuletzt kursierenden Zerschlagungs- und Verkaufsgerüchte zwar zunächst vom Tisch. Doch Ruhe im Markt für IT-Ausgründungen, deren größte und bekannteste Vertreter SIS und T-Systems sind, dürfte dennoch nicht einkehren.

Gründungs-Boom in den 90er Jahren

Die Skepsis ist mit Blick auf die Historie begründet. Seit 2002 hat sich ein gutes Dutzend deutscher Konzerne von seinen IT-Ausgründungen getrennt. Auf der Liste finden sich so prominente Namen wie Rheinmetall, Thyssen-Krupp, Gerling, RAG, die Deutsche Bank oder VW. Als jüngstes Beispiel wechselte der Arcandor-Ableger (vormals Karstadt-Quelle) Itellium den Besitzer.

Dennoch betreiben nach wie vor zirka 100 solche IT-GmbHs die Dienstleistungen für den Mutterkonzern und teilweise auch für externe Kunden. Hinzu kommt eine noch größere Anzahl an Gemeinschaftsrechenzentren, etwa im Stadtwerke-, Finanz- und öffentlichen Sektor. Es gibt also ausreichend Gründe, sich dieses deutsche Phänomen genauer anzusehen.

Peter Kreutter von der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar äußert im Gespräch für CW-TV seine Zweifel an den Erfolgsmöglichkeiten der IT-Ausgründungen. Zwischen der Kerngeschäftdiskussion der Muttergesellschaft und den Zwängen der Globalisierung im IT-Servicegeschäft reiben sich die IT GmbHs auf.

Das Gros der IT GmbHs hat seine Wurzeln in den 90er Jahren. Zeitweilig besaßen 70 Prozent der 30 im Dax notierten Unternehmen eine IT-Tochter. Die wichtigsten Gründe für eine Ausgliederung der IT-Abteilung ähneln denen des klassischen Outsourcings: Die Unternehmen strebten mehr Transparenz und bessere Qualität an. Außerdem wollten sie die Effizienz verbessern und marktübliche Preise. Indem sie die ausgegründete IT jedoch im Konzern verankerten, wollten sie Risiken, Know-how- und Kontrollverlust beschränken. Die angestrebten Erfolge im Drittmarktgeschäft versprach eine bessere Auslastung oder sogar ein echtes Zusatzgeschäft.

Im Drittmarkt erfolglos

Nur sehr wenigen kaptiven, also konzerngebundenen Providern ist es gelungen, überregionale oder gar inter-nationale Bekanntheit zu erreichen und ein signifikantes Drittmarktgeschäft aufzubauen; die Mehrzahl der Unternehmen erzielt mehr als 90 Prozent des Umsatzes mit der Mutter und Schwestergesellschaften. Üblicherweise gibt es zum Start einer IT GmbH eine Art "Schutz" durch den Konzern, weil die IT-Tochter bei Aufträgen bevorzugt behandelt wird. Doch in der Regel muss sich die Ausgründung schon bald gegen externe Wettbewerber bewähren. Eine IT GmbH bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen Konzern- und Marktanforderungen. Für die Mutter gilt es Kosten zu senken und Effizienz zu steigern, was wiederum Umsatz und Marge drückt. Im externen Geschäft muss der Provider hingegen stets die Einnahmen und den Profit verbessern.

Die enge Bindung an den Konzern ist daher Wohl und Übel zugleich. Zum einen versprechen die internen Aufträge Größe, Stabilität und Know-how; zum anderen müssen die Provider jeden IT-Strategiewandel der Mutter mittragen und können nicht frei entscheiden. Sie stehen daher stets im Verdacht, vor allem für den wichtigsten Kunden - die Muttergesellschaft - zu arbeiten und Fremdkunden bei Bedarf fallen zu lassen.

Defizite im Vertrieb und Betrieb

Hinzu kommt, dass aufgrund der gewachsenen Strukturen Vertrieb und Marketing in der Regel nicht für den freien Markt konzipiert sind. Hier haben die konzerngebundenen Anbieter Defizite gegenüber ihren externen Wettbewerbern. Selten unterhalten sie zudem eine konkurrenzfähige Kostenstruktur: Skaleneffekte und weltweite Lieferzentren können sie nur bedingt bieten. Daher wundert es nicht, dass Konzerne ihre IT-Töchter wieder aus dem Drittmarktgeschäft zurückziehen oder im Zuge von Outsourcing-Deals verkaufen.

Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten. Dazu zählen beispielsweise das Debis Systemhaus (Daimler) und EDS (damals Tochter von General Motors). Zudem finden sich unter den zehn größten deutschen Anbietern auch IT GmbHs. Das sind T-Systems, SIS und Lufthansa Systems im Outsourcing-Markt. In der Liste der größten Dienstleister für IT-Projekte haben T-Systems, SIS und Cirquent, vormals Softlab, (BMW) ihren Platz behauptet.

Und auch jenseits dieser "Local Heroes" existiert eine Reihe kaptiver Anbieter, deren Bekanntheit sich zwar auf bestimmte Regionen, Branchen oder Services begrenzt, die aber zum Teil erhebliche Umsätze mit externen Kunden erzielen. Freudenberg IT erwirtschaftet zwei Drittel der Umsätze außerhalb des Konzernverbunds, vorwiegend im Mittelstand. Und auch BASF IT Services, BTC (EWE), Arvato Systems (Bertelsmann), Vattenfall Europe IS, Bayer Business Services oder die Deutsche Börse IT profitieren davon, eine Klientel anzusprechen, die ähnliche Prozesse wie die Mutter betreibt oder zumindest in der Nähe ansässig ist.

Stärken im Prozess-Know-how

Die intimen Kenntnisse der Muttergesellschaft und der spezifischen Prozesse sind aber nicht nur im Drittmarkt hilfreich. Sie helfen insbesondere dann, wenn die Tochter mit externen Wettbewerbern um die Aufträge der Muttergesellschaft konkurrieren muss. Viele Konzernlenker erachten die Ausgründung daher auch als Alternative zwischen Cost-Center und Outsourcing.

Dementsprechend hat sich der Ausverkauf der IT-Töchter seit 2004 deutlich verlangsamt. Unternehmen, die nicht unmittelbaren finanziellen Zwängen unterliegen, tendieren dazu, die Bedeutung der IT für das Unternehmen genau zu prüfen und in vielen Fällen der internen Optimierung den Vorzug zu geben. Das schließt eine gezielte Auslagerung einzelner Services jedoch nicht aus.

Schnelle Sparmaßnahmen - in den letzten Jahren angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Konzerne der häufigste Grund für den Verkauf der IT-Tochter - weichen längerfristigen Investments in IT. Das Potenzial, das sich aus dem Einsatz moderner Technologien und Konzepte ergibt, ist noch lange nicht ausgeschöpft: Shared-Services-Modelle, Virtualisierung und Service-orientierte Architekturen versprechen Effizienzgewinne und erhöhte Flexibilität auch bei interner Umsetzung.

IT GmbHs lagern selbst aus

Entsprechend haben auch die IT-Töchter umgedacht. Klassische Commodity-Dienstleistungen, die keinen Mehrwert für das Unternehmen bringen, betreiben die IT-Ausgründungen nicht mehr zwangsläufig selbst. Sie streben einerseits an, durch innovative Modelle das Kerngeschäft des Mutterkonzerns - oder auch externer Kunden - zu stärken. Andererseits stehen sie in der Pflicht, die Effizienz durch neue Organisations- und Kooperationsformen zu erhöhen.

Dabei beschreiten erste Firmen neue Wege: TUI Infotec hat sich bereits 2006 zu einem Joint Venture mit der indischen Sonata entschlossen. Die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems hat Ende 2007 eine strategische Partnerschaft mit dem ebenfalls indischen Provider Satyam angekündigt. Und pünktlich zur CeBIT 2008 präsentierte T-Systems mit dem US-amerikanischen Anbieter Cognizant einen neuen Partner für das Systemintegrations-Geschäft. Cognizant verfolgt mit rund 40 000 indischen und chinesischen Mitarbeitern eine eindeutige Offshore-Strategie. Ganz andere Ziele hat die Finanzbranche im Auge, sie setzt auf Konsolidierung. Nach der Fusion des bayerischen IZB Soft mit der Sparkassen Informatik ist in einem nächsten Schritt auch der Zusammenschluss mit der in Hannover ansässigen Finanz IT für Mitte 2008 geplant. Der IT-Dienstleistungs-Markt im Umfeld der Volks- und Raiffeisenbanken ist bereits weitgehend konsolidiert. Auch in anderen Branchen zeichnen sich Umwälzungen ab: Die IT-Sparte der RWE Systems soll im Zuge einer weiteren Zentralisierung in die Selbständigkeit entlassen werden. Die Verlagsgruppen Holtzbrinck, Rheinische Post und Girardet haben angekündigt, IT-Töchter RB Presse-Data und Circ IT zu verschmelzen. Natürlich werden auch in Zukunft weitere IT GmbHs den Besitzer wechseln. Allerdings ist der "Boom" der Jahre 2002 bis 2005 vorbei. Die Position vieler Töchter ist derzeit eher gestärkt, solange sie es schaffen, der Idee einer Innovationspartnerschaft zu entsprechen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass eine auf Neuerungen ausgelegte Kooperation mit externen Partnern nur schwer umzusetzen ist. (jha)