Aachen

IT-Region Aachen: Im Westen viel Neues

04.03.2005 von Gabriele Müller
Die Region rund um Aachen hat sich mit ihrer großen und erfolgreichen technischen Hochschule sowie ihren zahlreichen Hightech-Neugründungen zu einem der attraktivsten Technologiestandorte gemausert.

"Hier schlägt das Herz Europas" - ein wohlklingender Werbeslogan. Aber nicht ohne Hintergrund: In der Euregio Maas-Rhein, 1976 als einer der ältesten europäischen Arbeitsgemeinschaften gegründet, treffen drei Länder und fünf Regionen aufeinander, die historisch, kulturell und wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind. In der Region Aachen, der niederländischen Provinz Limburg, den beiden belgischen Provinzen Limburg und Lüttich sowie der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens leben rund 3,8 Millionen Menschen, von denen täglich etwa 30 000 die Grenzen überqueren, um ihrer Arbeit nachzugehen. Seit 1991 ist die Euregio eine "Stichtung" nach niederländischem Recht mit Sitz in Maastricht und bemüht, Wirtschaft, Wissenschaft, Natur , Umwelt, Verkehr, Kunst und Kultur der Region zu fördern.

Vor allem die Wirtschaft, insgesamt rund 250 000 Firmen, profitiert von der geographischen Lage der Euregio Maas-Rhein. Denn sie liegt an der Schnittstelle der großen wirtschaftlichen und industriellen Zentren im Nordwesten Europas mit den Seehäfen Antwerpen und Rotterdam, den nationalen und internationalen Flughäfen Lüttich sowie den Städten Maastricht-Aachen, Düsseldorf, Köln, Amsterdam und Brüssel. Im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit leben rund 55 Millionen Verbraucher - ein großer europäischer Markt.

Das haben nicht nur die fünf Industrie- und Handelskammern der Euregio erkannt und einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Wissenschaft und Forschung im Grenzgebiet arbeiten schon längst international Hand in Hand. An den fünf großen Hochschulen der Region, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der Fachhochschule Aachen, der Université de Liège, der Universität Maastricht und dem Limburgs Universitair Centrum Diepenbeek, studieren allein rund 70 000 junge Leute. Dazu kommen zahlreiche Fachhochschulen, Forschungszentren und Universitätskliniken.

Wissenschaft trifft Wirtschaft

Auf deutscher Seite ist das Thema Wissenschaft und Technologietransfer mit einem Namen verbunden: Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH), an der rund 29 000 Studenten nach Wissen streben, wurde 1870 als "Königlich rheinisch-westfälische Polytechnische Schule zu Aachen" gegründet und hat 260 Lehrstühle und Institute mit rund 170 Lehr- und Forschungsgebieten. Damit ist sie einer der größten technischen Hochschulen in Europa und ein Motor des Wandels in der ganzen Region Aachen. "Die Hochschule spielt in der ersten Liga, wenn es um Forschungsqualität, Anwendungsnähe, Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Einwerbung von Forschungsgeldern geht", sagt Professor Manfred Nagl, Inhaber einer der Informatiklehrstühle und Sprecher der Fachgruppe Informatik and der RWTH. Aus der ehemaligen Kaderschmiede für Ingenieure ist längst eine Hochschule geworden, die auf vielen Gebieten bei Hochschul-Rankings Spitzenplätze einnimmt.

Dafür sorgen auch fakultätsübergreifende Kooperationen wie die Foren zu den Themen Informatik, Lebenswissenschaften, Mobilität und Verkehr, Weltraumforschung, Werkstoffe, Umwelt und Technik sowie Gesellschaft. Das Kürzel mit den vier Buchstaben steht aber auch für intensive Kontakte zur Wirtschaft. Die Hochschule arbeitet nicht nur eng mit der örtlichen Industrie- und Handelskammer zusammen, es gibt Stiftungsprofessuren und Kooperationen mit Firmen wie Ford, Siemens, Ericsson, Philips oder der Deutschen Post.

Notwendiger Strukturwandel

Automobiltechnik, Biotechnologie, Medizintechnik und Kunststoffe sind einige der wichtigsten Wirtschaftsbereiche, die sich in der ehemaligen Montanregion angesiedelt haben. Und natürlich steht die Informationstechnologie weiter im Mittelpunkt des Interesses. Das muss auch die Firma Microsoft überzeugt haben: Im April 2004 wurde in Aachen das vierte europäische Entwicklungszentrum des Software-Riesen eröffnet, der hier anwendungsorientierte Forschung betreiben will.

Rund 4000 Studierende sind allein für die zahlreichen Studiengänge der Informationstechnologie an der RWTH eingeschrieben, weitere 580 studieren an der Fachhochschule Elektro- und Informationstechnik. Es gibt enge Kontakte zum Forschungszentrum Jülich und zu den vier Aachener Fraunhofer-Instituten.

"Da ist es eigentlich schon fast selbstverständlich, dass viele Gründungen von jungen Technologiefirmen und Ausgründungen aus der Hochschule stattfinden", weiß Professor Nagl. Nicht nur deshalb nennt sich die Region Technologieregion. So blieben von den 18 000 Beschäftigten im Steinkohlebergbau, die es 1980 im Raum Aachen gab, nur 2700 im Jahr 2002. Dafür gab es nach einer Umfrage der IHK in den vergangenen 20 Jahren 850 neu gegründete Technologiefirmen mit rund 25 000 Beschäftigen. Dass diese Entwicklung weiter anhält, dafür stehen 13 Technologie- und Gründerzentren in der gesamten Region. Allein in den zwei Technologiezentren der Stadt, die von der regionalen Wirtschaftsförderungsagentur Agit betrieben werden, haben sich seit 1984 insgesamt 270 technologieorientierte Unternehmen , davon 168 aus den Hochschulen, gegründet.

Krise beeinflusst IT-Gründer

Dieser Wandel entspringt der Einsicht in Notwendigkeiten. "Als sich in den siebziger Jahren das Ende der Steinkohleförderung in der Region abzeichnete, war eine wirtschaftliche Umstrukturierung zwingend notwendig", sagt Bernd Thomas, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsagentur Agit. So entstand 1984 das erste Technologie- und Gründerzentrum in Westdeutschland, in dem innovative Firmen beraten und unterstützt wurden. Noch heute liegt die Gründerquote für technologieorientierte Unternehmen über dem Landes- und auch über dem Bundesdurchschnitt. "Wir unterstützen jährlich rund 90 Gründungsinteressenten, und die Zahlen sind in den vergangenen Jahren stetig angestiegen", zieht der Agit-Geschäftsführer Bilanz. Dass die tatsächlichen Gründungen, vor allem im IT-Bereich, zurückgegangen sind, führt Thomas auf die Krise der Branche zurück: "Ein Gründer mit einer innovativen Idee, der genügend Zeit in die Vorbereitung steckt, hat immer noch Chancen, Risikokapital zu akquirieren und am Markt zu bestehen."

"Auf allen Technologiegebieten spielt die Informatik eine große Rolle - reine IT-Unternehmen sehr unterschiedlicher Größe gibt es in Aachen rund 2500", weiß Daria Dovern, Geschäftsführerin des regionalen Industrie-Club Informatik Aachen e. V. (Regina). Neben den großen Namen wie Siemens, Ericsson, Mitsubishi oder Philips finden sich unter den mehr als 90 Mitgliedern viele mittelständisch strukturierte Firmen, die typisch für die Region sind. Dabei sind auch Unternehmen, die sich aus kleinen Anfängen zu Weltmarktführern auf ihrem speziellen Gebiet entwickelt haben: etwa Aixtron in der Halbleitertechnologie, DSA bei Prüfsystemen für die Automobilindustrie, Parsytec bei Oberflächeninspektionssystemen und CSB bei der Branchensoftware für die Nahrungsmittelindustrie.

Vor allem treffen sich innerhalb von Regina die beiden Hochschulen, die IHK, die Forschungszentrum Jülich GmbH und die Agit zum Austausch mit den Unternehmen. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Dialog zwischen Wirtschaft sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Region noch weiter zu verstärken", erklärt Daria Dovern. Zum Erfahrungsaustausch sollen die regelmäßigen Management-Treffen ebenso beitragen wie die aktuellen Arbeitskreise "Softwaretests", "Einkauf" oder "Projekt-Management".

Alle sollen sich vernetzen

Zusätzlich vermittelt der Verein Diplomarbeiten für Studenten sowie Weiterbildungsangebote für Mitglieder. Dazu kommen eine eigene Stellenbörse und gemeinsame Ausbildungsangebote. "Wir sind stolze darauf, dass inzwischen rund die Hälfte aller Ausbildungsplätze in den IT-Berufen hier in Aachen von Regina-Mitgliedern angeboten wird", so die Geschäftsführerin.

"Initiativen, Kooperationen und Kompetenznetze wie Regina, in denen sich Städte, Wirtschaftsförderer, Hochschulen, Kammern und Unternehmen treffen, gibt es viele in der Region in und um Aachen, denn Vernetzung wird groß geschrieben", zählt Agit-Chef Thomas auf. Ein Beispiel ist "Heartbeat of Business in Europe - Meuse Rhine Triangle". Mit den Partnern in Belgien und den Niederlanden hat die Agit eine Ansiedlungskampagne gestartet, die die Zahl der derzeit rund 600 ausländischen Investoren in der Euregio noch erhöhen soll. Bereits in Betrieb ist der internationale Wirtschafts- und Wissenschaftspark Avantis zwischen Heerlen und Aachen, genau an der Staatsgrenze gelegen.

Aachen und das belgisch-niederländische Grenzland - das ist eine europäische Region, ein Wirtschafts- und Technologiestandort, dem beste Wachstumschancen vorausgesagt werden. Aber neben all dem haben Stadt und Umland noch mehr zu bieten: eine hohe Lebensqualität. "Man kann in Maastricht arbeiten, in Aachen wohnen und in Lüttich die Gastronomie genießen", bringt es Bernd Thomas auf den Punkt. "Nicht zu vergessen die Lebenshaltungskosten, die hier erheblich niedriger sind als in anderen Ballungszentren."

Infos zur IT-Region Aachen

Stadt Aachen: www.aachen.de

Regionale Wirtschaftsförderung: www.agit.de

Region Aachen und Technologiefelder:

www.technologieregion-aachen.de

www.kompetenznetze.de

www.regina.rwth-aachen.de

Euregio: www.heartbeatofbusiness.org

Gründungsinitiativen:

www.gruenderregion.de

www.euban.net

www.technologiezentrum-aachen.de

Forschung:

www.rwth-aachen.de

www.fh-aachen.de

www.fz-juelich.de