IT-Projektarbeit geht an die Substanz

21.04.2006 von Hans Königes
Permanenter Zeitdruck, widersprüchliche Arbeitsanforderungen und überlange Arbeitszeiten - IT-Spezialisten weisen viermal häufiger Stress-Symptome auf als der Durchschnitt deutscher Beschäftigter, so eine aktuelle Untersuchung.

"Der IT-Sektor stellt eine Art Leitbranche für die Arbeit in der Wissensgesellschaft dar, die für die öknomische Entwicklung eine wichtige Rolle spielt", so Anja Gerlmaier vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen, die die Studie verfasste. Insofern präge der Sektor das allgemeine Bild vom modernen Arbeiten. Wenn die Einschätzung zutrifft, sieht dieses Bild nicht gut aus: Gerlmaier prophezeit chronisch übermüdete Zyniker, desillusioniert und ausgebrannt. Das, was sie an ihrem Beruf schätzen - interessante Aufgaben und das Gefühl, sich selbst zu verwirklichen - reicht nicht mehr aus, um die Frustration zu stoppen.

Als konkrete Stressfaktoren in IT-Projekten nennen die IAT-Wissenschaftler:

- Widersprüchliche Arbeitsziele, wenn Kunden während der Arbeit am Projekt Zusatzaufträge erteilen, die ursprünglich vereinbarten Aufgaben aber trotzdem termingerecht und ohne zusätzliche Kosten erfüllt werden müssen;

- Widersprüche zwischen Aufgaben und Ausführungsbedingungen, etwa wenn Mitarbeiter unangemessene Hard- und Software zur Verfügung haben;

- Lernrestriktionen, wenn Mitarbeiter Software für Kunden erstellen müssen, ohne deren Echtbetrieb zu kennen;

- Widersprüche, wenn IT-Spezialisten entgegen ihren Ansprüchen an die eigene Professionalität nicht ausreichend getestete Systeme ausliefern, weil an Testbudgets gespart wird;

- Widersprüche zwischen arbeits- und lebensweltlichen Anforderungen, wenn wegen des hohen Termindrucks regelmäßig am Wochenende gearbeitet wird und die IT-Fachleute nicht mehr dazu kommen, ihre Familie zu sehen.

Infolgedessen leiden IT-Spezialisten häufiger als der Durchschnitt deutscher Beschäftigten unter psychosomatischen Beschwerden, so die Studie. Demnach fühlen sich 72 Prozent der Projektmitarbeiter übermüdet, im Schnitt geben das 17 Prozent an. Danach folgen Nervosität (IT-Branche: 58 Prozent, Durchschnitt: 21 Prozent) und Rückenschmerzen. Dabei allerdings liegen IT-Fachleute mit 41 Prozent knapp unter dem Schnitt von 42 Prozent.

Mehr Pausen einlegen

Als Lösung schlägt das IAT vor, Projektmitarbeiter stärker in die Verhandlungen über Verträge und ihre Rahmenbedingungen einzubeziehen. Außerdem sollten IT-Fachleute immer wieder Pausen einlegen und konsequent das Wochenende freihalten. "Das ist zur Stressprävention deutlich wirksamer als Angebote von Blockurlaubszeiten oder Sabbaticals", so Gerlmaier.

Gerlmaier und ihr Kollege Erich Latniak vom Forschungsschwerpunkt Arbeitszeit und Arbeitsorganisation am IAT haben für die Untersuchung 16 Monate lang sieben Mitarbeiterteams in Softwareentwicklungs- und -beratungsprojekten beobachtet.