IT-Profis entdecken die Zeitarbeit

03.06.2004 von iweidner 
Die Aussichten für IT-Profis, über die Zeitarbeit eine Karriere aufzubauen oder aus der Arbeitslosigkeit heraus ins Berufsleben zurückzufinden, gelten als vielversprechend. Doch für gut qualifizierte IT-Spezialisten bietet die Selbständigkeit oft eine bessere Alternative.

Die Flaute am Arbeitsmarkt bekamen im letzten Jahr auch die Zeitarbeitsfirmen zu spüren. Nach Expertenschätzung betrug das Marktvolumen 2003 rund 5,5 Milliarden Euro, das sind etwa vier Prozent weniger als 2002. Die Lünendonk GmbH aus Bad Wörishofen veröffentlichte eine Liste der größten Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland, die von der Randstad Deutschland GmbH & Co. KG aus Eschborn angeführt wird. Entgegen dem Trend legte das Unternehmen im letzten Jahr beim Umsatz zu und verbesserte sich von 526 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 538 Millionen Euro im vergangenen Jahr, das entspricht einem Marktanteil von knapp zehn Prozent. Auf den zweiten Platz schaffte es die Adecco Personaldienstleistungen GmbH mit Firmensitz in Fulda, gefolgt von der Manpower GmbH in Frankfurt am Main. Die 15 größten Zeitarbeitsfirmen der Lünendonk-Liste erzielten im Jahr 2003 einen Gesamtumsatz von mehr als 2,6 Milliarden Euro und sicherten sich damit einen Marktanteil von 47 Prozent.

Verglichen mit anderen europäischen Ländern hinkt Deutschland in Sachen Zeitarbeit noch immer hinterher. Während in Großbritannien 3,8 Prozent und in den Niederlanden 3,3 Prozent der Beschäftigten Zeitarbeitskräfte sind, entscheidet sich hierzulande nur rund ein Prozent für diese Beschäftigungsform. In Deutschland waren Mitte 2003 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) 6652 Zeitarbeitsfirmen registriert. Die Zahl der Unternehmen, die Mitarbeiter verleihen könnte, ist jedoch deutlich höher: Insgesamt besitzen 14 400 deutsche eine Verleiherlaubnis, nehmen diese aber nur zu einem Drittel wahr. rbeitskräfte an andere Firmen verleiht. Unternehmen wollten damit ihre Flexibilität erhöhen, so eine Sprecherin der BA.

Im IT-Sektor sind bisher eine Festanstellung oder eine Tätigkeit als Freiberufler die bevorzugten Beschäftigungsformen. Doch je schwieriger die Lage für IT-Arbeitskräfte, desto mehr gewinnt die Zeitarbeit an Terrain. Zum 1. Januar dieses Jahres liberalisierte der Gesetzgeber die Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes weiter. Zeitarbeitskräfte können jetzt unbefristet an Unternehmen verliehen werden. Gerade für längerfristige Projekte in der IT-Branche gewinnt die flexiblere Arbeitsform an Attraktivität.

Viele der großen Zeitarbeitsunternehmen tummeln sich bereits im IT-Umfeld. Manpower beschäftigt seit 1998 IT-Arbeitskräfte und gründete im Jahr 2000 das 100-prozentige Tochterunternehmen Elan IT-Resource. Momentan beschäftigt das Unternehmen 400 IT-Fachkräfte, doch Geschäftsführer Werner Kubosch rechnet damit, dass es im Laufe des Jahres noch 70 bis 80 Neueinstellungen gibt. Auch die Zahl der Werkverträge steige. "Der Zeitarbeitsbranche ist es gelungen, Vertrauen aufzubauen", erklärt Kubosch den Erfolg. Trotzdem sieht er gerade auf Kundenseite noch viel Erklärungsbedarf.

Die DIS AG gründete ebenfalls 1998 einen eigenen Geschäftsbereich Information Technology und beschäftigt heute rund 250 IT-Mitarbeiter. Geschäftsbereichsleiterin Christina Mankus geht davon aus, dass bis zum Jahresende bereits 300 IT-Zeitarbeitskräfte in ihrer Unternehmenssparte sein werden. "Die Unternehmen setzen stärker auf befristete Arbeitsverhältnisse und sehen die Zeitarbeit als einfachste Variante", erklärt sie den Trend. Die Arbeitnehmer seien der Arbeitsform Zeitarbeit gegenüber sehr aufgeschlossen, dagegen fehle es auf Unternehmensseite oft noch an der nötigen Flexibilität, hat die DIS-Managerin beobachtet. Gerade IT-Freiberufler wüssten die Vorteile der Zeitarbeit zu schätzen. "Wir übernehmen die Akquise neuer Projekte und die soziale Absicherung", so Mankus.

Randstad beschäftigt deutschlandweit 22 000 Zeitarbeitskräfte in unterschiedlichen Branchen. Für das kommende Jahr sieht das Unternehmen durchaus einen Aufwärtstrend, vor allem im IT-Umfeld. Seit 2000 gibt es dafür einen eigenständigen Unternehmensbereich. Momentan arbeiten 600 IT-Spezialisten für die Eschborner. Alexander Tan, für den IT-Service bei Randstad in Deutschland verantwortlich, rechnet damit, dass sich die Zahl der IT-Experten, die als Zeitarbeitskräfte bei Randstad unter Vertrag sind, 2004 verdoppelt.

Alexander Tan, Randstad: "Viele Firmen kommen erst fünf vor zwölf zu uns, wenn sie ein neues Projekt startken möchten."Gründe für die gestiegene Nachfrage sieht Tan vor allem in den flexibleren Arbeitsformen. "Das projektbezogene Denken hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Viele Firmen kommen erst fünf vor zwölf zu uns, wenn sie ein neues Projekt starten möchten, und dann schnell qualifizierte Mitarbeiter brauchen", schildert der Randstad-Mann die Situation. Aber auch die veränderte Lage in den Unternehmen erhöht die Nachfrage. In den letzten Jahren schrumpften die IT-Abteilungen durch die Entlassungswellen. Wenn jetzt Projekte wieder aus der Schublade geholt und umgesetzt werden, heuern viele Unternehmen lieber kurzfristig und auf Zeit neue Mitarbeiter an, als welche fest einzustellen.

Auch Adecco-Mann Gerhard Kohls rechnet damit, dass die Arbeitnehmerüberlassung im IT-Sektor für Unternehmen attraktiver wird. Momentan beschäftigt die Sparte Adecco Engineering rund 282 Mitarbeiter, von denen 33 Zeitarbeitskräfte der Sparte IT zugeordnet werden. Neben der Zeitarbeitssparte sucht Adecco für Firmen Personal oder vermittelt Freiberufler für Projekte.

Manche Zeitarbeiter hoffen, dass ihre befristete Tätigkeit möglichst bald in eine Festanstellung übergeht. Andere verstehen Zeitarbeit auch auf längere Sicht als Chance, sich viel Wissen in unterschiedlichen Projekten und Aufgaben anzueignen. Das Alter steht dem nicht zwangsläufig im Weg. "Zwar ist das Gros unserer IT-Mitarbeiter zwischen 25 und 40 Jahren, doch wir setzen bewusst auch auf ältere Mitarbeiter, denn sie bringen die nötige Erfahrung und Coolness in der Projektarbeit mit. Die Unternehmen honorieren das", schildert Tan von Randstad seine Einstellungspraxis.

Die Gehälter der Zeitarbeitskräfte liegen allerdings oft deutlich unter denen der Festangestellten oder der Freiberufler. Wer über genügend Kontakte und spezielle Kenntnisse verfügt, versucht sein Glück üblicherweise als Freiberufler. Für Berufseinsteiger und Umschüler kann es allerdings ein guter Weg sein, die nötige Berufspraxis zu sammeln und in der Branche Fuß zu fassen.

Das Personaldienstleistungsunternehmen Hays Ascena in Mannheim vermittelt vor allem freiberufliche IT-Mitarbeiter an Unternehmen. Die überwiegende Zahl der Zeitarbeitskräfte ist weiterhin selbständig und arbeitet als Business-Partner jeweils für ein bestimmtes Projekt mit Hays Ascena zusammen. Der Akademikeranteil ist mit 90 Prozent bei den Mannheimer Vermittlern sehr hoch.

Hays Ascena fungiert als Vermittlungsplattform zwischen den Auftraggebern und den IT-Freiberuflern. "Firmen wollen hoch qualifizierte Mitarbeiter für Projekte, aber sie wollen die Leute nicht fest an sich binden", erklärt Tom Schoenrock, Finanzvorstand bei Hays Ascena, den Erfolg des Konzepts. Während momentan weniger Java- und C++-Spezialisten gesucht werden, fragen heute viele Firmen verstärkt Projektleiter nach. Zum Kundenstamm der Agentur gehören 23 der Dax-30-Unternehmen. Momentan arbeiten rund 1200 IT-Experten in Projekten des Mannheimer Vermittlers, für 2004 rechnet Schoenrock mit einem Wachstum von rund 20 Prozent.

Die Umfrage

Die Lünendonk GmbH in Bad Wörishofen befragte mittels eines Fragebogens 400 Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland, von denen 50 Firmen den Marktforschern Auskunft gaben. Aus den Befragungen und einer Marktrecherche entstand ein Ranking der 15 größten Zeitarbeitsfirmen, bemessen nach ihren Umsatzzahlen.