IT-Outsourcing erreicht den Mittelstand

27.06.2005 von von Eberhard
Kostendruck und Liquiditätsengpässe bereiten auch bei mittelständischen Betrieben zunehmend den Boden für Outsourcing-Lösungen geschäftskritischer Anwendungen. Rechenzentren und Softwarehäuser greifen mit Angeboten für dieses Marktsegment den Trend auf. ...

Das Auslagern von IT-Aufgaben an einen externen Dienstleister hat sich in Deutschland nicht nur bei großen Unternehmen, sondern auch im Mittelstand fest etabliert. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Multi-Client-Studie „Outsourcing Services in Deutschland 2004-2006“, in der die Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk und TechConsult 530 Unternehmen nach ihrer Meinung zum Thema befragten. „Die Erfahrungen sind mehrheitlich positiv“, erklärt Hartmut Lüerßen, Geschäftsführer der Lünendonk GmbH

Den Studienergebnissen zufolge haben mehr als 35 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern wesentliche Teile ihrer IT ausgelagert - Tendenz steigend. Bei den Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern sind es 38 Prozent. 23 Prozent der Befragten haben nach den Studienergebnissen gute Erfahrungen mit Outsourcing gemacht, 62 Prozent bezeichnen sie als eher gut, elf Prozent als weniger gut. Schlechte Erfahrungen melden nur vier Prozent der Unternehmen.

Thomas Reuner, Senior Consultant beim Marktforscher IDC, schätzt die Situation im Mittelstand allerdings zurückhaltender ein: „Die Bereitschaft, Kompetenzen abzutreten, ist bei kleinen Betrieben noch geringer als bei Großunternehmen.“ Im Segment der mittelgroßen Firmen seien zahlreiche kleinere Anbieter am Markt, deren Geschäft sich auf spezifische Kundenbeziehungen aufgebaut habe. Mittelständische Betriebe würden daher vorwiegend ihre IT-Lösungen selektiv und nicht komplett outsourcen. Zudem hinke gerade der Markt für Business Process Outsourcing dem Gesamtmarkt hinterher.

Dennoch haben Anbieter von Outsourcing-Lösungen und Hersteller von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware etwa für Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Produktionsplanung oder Warenwirtschaft das durch Kostendruck und Liquiditätsengpässe entstandene Potenzial im Mittelstand erkannt. Nun versuchen sie, diese Klientel mit verschiedenen Angeboten zu gewinnen.

T-Systems hostet SAPs Business One

Der Systemhaus-Gigant T-Systems und der SAP-Partner Teufel Software bieten beispielsweise mit „Business On(e) Demand“ eine Outsourcing-Lösung auf Basis von Business One (SBO) an, dem ERP-Paket (Enterprise Resource Planning) der Walldorfer für den unteren Mittelstand. Kunden übergeben bei diesem Angebot die technische Verantwortung für den Betrieb ihrer ERP-Software komplett an T-Systems. Investitionen in Server- und Softwarelizenzen fallen den Angaben zufolge nicht an. „Sämtliche Kosten sind über die monatliche Mietgebühr abgedeckt - von der Implementierung der Lösung über den Support bis hin zum Service, beispielsweise bei Software-Updates“, berichtet Roland Heun, Produktmanager bei T-Systems. Anwender können Business One über ein getunneltes VPN (Virtual Private Network) beziehen. Die Übertragung sichern die Anbieter zusätzlich über eine SSL-Verschlüsselung (Secure Socket Layer) ab. Die Benutzer haben den Angaben zufolge die Möglichkeit, sowohl den Versionsstand ihrer Software selbst zu bestimmen als auch ihre individuellen Add-ons zu nutzen, da T-Systems die SAP-Software auf geteilten Applikationsplattformen hostet.

Outsourcing-Vorteile

 

Kalkulierbare monatliche Kosten

Konzentration auf Kernkompetenzen

Service Level sichern Verfügbarkeit der Systeme

Wenig bis kein IT-Personal erforderlich

Kompetenz bei komplexen Problemstellungen

Systemüberwachung außerhalb der Geschäftszeit

Physische Sicherheit zum Schutz vor äußeren Einflüssen

Aktuelle Anwendungs-Releases bei Application Service Providing

Senkung des administrativen Aufwands

Einheitliches Sicherheitskonzept

Technische Redundanz der Rechenzentren

Schnelle Anbindung neuer Lokationen

Unabhängigkeit von technischer Entwicklung

Flexibilität bei Personalressourcen und kurzfristigen Hardwareanforderungen

 

Das Geschäft mit Business One befindet sich zwar noch im Aufbau, einen Hosting-Kunden konnten T-Systems und Teufel Software aber bereits von der Software zur Miete überzeugen. Der Berliner Industriedienstleister SinusLogistic hat einen Outsourcing-Vertrag über fünf Jahre abgeschlossen. "Wir wollen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren", begründet Axel Schulze, Gründer und Geschäftsführer des mittelständischen Betriebs mit derzeit rund 80 Mitarbeitern, seine Entscheidung. Dafür sei vor allem die Flexibilität bei der Nutzung der betriebswirtschaftlichen Software ausschlaggebend. „Die Bandbreite unserer Dienstleistungen ist sehr hoch und anspruchsvoll, zudem wachsen wir seit unserer Gründung kontinuierlich“, berichtet Schulze.

T-Systems konfigurierte Business One nach den Vorgaben des Kunden, passte zunächst die Module Kostenrechnung sowie Produktionsplanung und Steuerung an dessen Bedürfnisse an und integrierte eine vollautomatische Hochregalanlage in die Lösung. „Unser Ziel ist es, sämtliche Prozesse des Unternehmens in Business One abzubilden und effizient miteinander zu vernetzen“, sagt Schulze. Die Ausgründung der Berliner Borsig-Werke least die Softwarelizenzen und bezahlt 150 Euro pro Monat für die Netzwerkübertragung und die Betreuung der Serverlandschaft. "Ich wollte meine finanziellen Ressourcen nicht einschränken", erklärt Schulze.

TDS adressiert den Mittelstand

Im Gegensatz zur Telekom-Tochtergesellschaft T-Systems ist der Outsourcer TDS mit 750 Mitarbeitern selbst ein mittelständisches Unternehmen und adressiert neben Großunternehmen auch dieses Marktsegment. „Unser Kundenstamm setzt sich zu 80 Prozent aus mittelständischen Firmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern zusammen“, berichtet Michael Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der TDS AG. Der Provider aus Neckarsulm bietet die gesamte Palette vom Hosting einzelner Anwendungen bis hin zum Komplett-Outsourcing der gesamten IT an. „Mittelständische Unternehmen entdecken Outsourcing zunehmend als wirksames Werkzeug, um ihr eigenes Geschäft effizienter und flexibler zu gestalten“, erklärt Eberhardt. Diese Klientel würde nicht nur den Betrieb einzelner Applikationen nachfragen, sondern zunehmend auch die Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse wie zum Beispiel im Personalwesen.

Gilbert Sebille, Leiter Organisation und Datenverarbeitung bei Minol: Outsourcing spart 30 Prozent der IT-Kosten

Zu den mittelständischen Kunden von TDS gehört die Unternehmensgruppe Minol mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Das Heizkostenabrechnungsunternehmen beschäftigt rund 600 Mitarbeiter. Mit der Einführung von SAP R/3 im Jahr 2001 entschloss sich Minol, die Hardware, die Betriebssystemsoftware und die Datenbanken auszulagern. R/3 ist ebenfalls im TDS-Rechenzentrum auf Servern installiert und wird von dort abgerufen. „Dafür ist kein Wissen über unsere Geschäftstätigkeit notwendig“, erklärt Gilbert Sebille, Leiter Organisation und Datenverarbeitung bei Minol.

Die Anwendungsentwicklung betreiben die Stuttgarter jedoch in eigener Regie. „Einem externen Anbieter fehlt dafür das Branchenwissen, und wir würden uns von ihm abhängig machen“, begründet Sebille seine Entscheidung. Durch das Outsourcing spare Minol 30 Prozent seiner IT-Kosten ein. Dazu tragen beispielsweise nicht anfallende Personalkosten für die Administration der Systeme und die ebenfalls entfallenden fortlaufenden Schulungen der damit betrauten IT-Mitarbeiter bei. Im Gegensatz zu Konzernen mit großen IT-Abteilungen sei das vor allem für mittelständische Betriebe von Vorteil.

Dem IT-Chef von Minol zufolge lohnt es sich auch nicht, Angestellte für komplexe Probleme auszubilden. Doch wenn solche auftreten, müssten externe Mitarbeiter eingekauft werden: „Das wird unterm Strich teuerer.“ Zudem eliminiere Outsourcing ein durch Krankheit der eigenen Mitarbeiter bedingtes Ausfallrisiko. „Gerade bei kleinen Betrieben ist das wichtig“, betont der Minol-Manager. Dass ein Outsourcer über Personal verfügt, das auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten und Geschäftstätigkeit die Systeme überwacht, sieht er als weiteren Pluspunkt. Auch die Flexibilität bei kurzfristigen Anforderungen an die Hardware sei ein Argument für Outsourcing.

Führt ein Unternehmen beispielsweise ein neues Software-Release ein, benötigt es für ein paar Monate zusätzliche Server, um ein Testsystem parallel zu fahren. Bei einem Outsourcer ist das mittels eines temporären Mietvertrages einfach zu bewerkstelligen. „Bei einem Hersteller oder Händler findet so ein Ansinnen wenig Gegenliebe“, berichtet Sebille. Neben den Einsparungen nennt der der DV-Chef die physische Sicherheit als Kriterium für Outsourcing im Mittelstand: „Das ist ein Hauptgrund für mich.“ Dazu zählen beispielsweise Schutzvorkehrungen im Rechenzentrum des Outsourcers gegen Brand, gegen Anschläge oder Flugzeugabstürze.

Vereinbarungen über geschäftskritische Dienstleistungen wie Reaktionszeiten auf Ausfälle und Performance hat Minol über ein Service Level Agreement mit TDS sichergestellt. „Werden diese nicht erfüllt, haben wir Regressanspüche an TDS“, hebt Sebille hervor. Bei internen Mitarbeitern sei das nicht möglich. Für die Verfügbarkeit der Systeme habe Minol einen Vertrag über 98,5 Prozent der Betriebszeit mit dem Dienstleister abgeschlossen. In der Praxis habe der Outsourcer aber sogar einen Wert von 99,8 Prozent erfüllt. Die Reaktionszeiten auf Serviceanfragen würden zu über 90 Prozent eingehalten.

ERP-Anbieter reagieren auf Outsourcing-Potenzial

Ralf Gärtner, Vorstand Vertrieb und Marketing SoftM: Mittelstand konzentriert sich auf KernkompetenzenWie Rechenzentren registrieren auch auf mittelständische Betriebe fokussierte Softwarehäuser, dass in dem von ihnen adressierten Marktsegment Outsourcing-Lösungen zunehmend Akzeptanz finden. “Im Mittelstand sehen wir schon immer einen Trend, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und in schlanken IT-Organisationsstrukturen zu denken”, erklärt Ralf Gärtner, Vorstand Marketing und Vertrieb bei SoftM. Der Softwarehersteller aus München praktiziere seit längerem bei einem Teil seiner Kunden Outsourcing im Sinne von "Inhouse-Outsourcing". Das heißt, SoftM betreut die IT des Unternehmens einschließlich Netzwerk, Software und Hardware. Bei diesem Geschäftsmodell verbleibt jedoch die gesamte Installation beim Kunden. Neuerdings stelle der SoftM-Vorstand aber vor allem bei kleineren Mittelständlern einen Trend fest, auch die Server außer Haus zu geben. „Dieses Modell haben wir bisher bei gut einem Dutzend unserer Kunden realisiert”, berichtet Gärtner.

Collmex, Anbieter der gleichnamigen ASP-Lösung für kaufmännische Anwendungen, hat ebenfalls den Trend erkannt und laut Geschäftsführer Bastian Wetzel über Schlund+Partner Rechenzentrumskapazität beim Provider United Internet eingekauft. Das Softwarehaus aus Saarbrücken ermöglicht es Kleinbetrieben und Freiberuflern, betriebswirtschaftliche Lösungen wie Buchhaltung über das Internet zu nutzen. Kunden erhalten eine Zugangskennung und loggen sich mit Benutzername und Passwort über einen Browser in ihr System ein. Für Geschäftsvorfälle bietet der 2003 gegründete Softwarehersteller Betrieben Buchungsvorlagen inklusive Dokumentation an, die Anwender durch eigene Vorlagen ergänzen können. Die Preise betragen 60 Euro pro Jahr für die Light-, 120 Euro für die Standard- und 420 Euro für die Pro-Version jeweils inklusive 3000 Belegen. Für weitere angefangene 1000 Belege stellt Collmex 25 Euro pro Jahr in Rechnung. „Wir haben 200 zahlende Kunden“, berichtet Wetzel. Für das Jahr 2006 hofft der Collmex-Geschäftsführer auf 500 bis 600 Benutzer, und 2007 soll die 1000er-Grenze überschritten werden. Das Potenzial dafür ist da. 5000 Kunden nutzen nach Angaben von Wetzel beispielsweise das von Collmex für MacIntosh-Anwender programmierte kostenlose Elster-Programm zur elektronischen Steueranmeldung an das Finanzamt.

Microsoft macht Druck

Kleine Anbieter wie Collmex reagieren oft schneller auf neues Geschäftspotenzial als Software-Giganten wie Microsoft. Aber Douglas Burgum, Chef der Microsoft Business Solutions (MBS), deutete auf der diesjährigen Kundenveranstaltung Convergence an, dass auch die Gates-Company sich nicht nur auf ASP-Angebote für ihre CRM-Software beschränken wird. Noch in diesem Jahr will Microsoft mit Small Business Accounting (SBA) ein Softwarepaket mit in die Bürosoftware Office integrierter kaufmännischer Funktionalität - zunächst in den USA - auf den Markt bringen. „SBA eignet sich für Application Service Providing“, erklärte Burgum. In Deutschland auftretenden Anbietern wie Collmex dürften somit maximal noch zwei Jahre Zeit bleiben, eine größere installierte Basis für ihr Angebot zu gewinnen, um dann dem Ansturm aus Redmond erfolgreich begegnen zu können. (uk)

Weiterlesen

Standardisierte Dienstleistungen  Vertrauen braucht klare Regeln  ERP-Software aus der Steckdose Was muss raus? Themenschwerpunkt Outsourcing auf computerwoche.de