IT-Outsourcing - Erfolg durch Eigeninitiative

08.01.2004 von Carsten Glohr
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wer seine IT erfolgreich auslagern und davon profitieren will, muss klar die Richtung weisen: Günstige Konditionen können nur Unternehmen aushandeln, die den Verhandlungsprozess aktiv gestalten und Outsourcing-Vertrag, -Leistungsscheine sowie -SLAs selbst vorgeben.

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Nahezu jedes zweite Unternehmen baut seine Outsourcing-Vereinbarungen auf den Angeboten des Dienstleisters auf. Wen wundert's? Schließlich hat hier der Provider seinem Kunden in der Regel einiges an Erfahrung voraus. So mancher Auftraggeber ist daher dankbar für Vorschläge und akzeptiert diese allzu schnell. Das bringt jedoch nicht selten folgenschwere Nachteile mit sich: Entstammen sowohl Rahmenvertrag als auch Leistungsscheine der Feder des Dienstleisters, enthalten sie meist auftraggeberfeindliche Klauseln, die den Provider einseitig begünstigen und sich nur mühsam rückgängig machen lassen. Das größte Risiko an Provider-bestimmten Vorgaben sind fehlende Regelungen zur Absicherung des Auftraggebers.

Zielkosten müssen festgelegt sein

Das wichtigste Erfolgskriterium für jede Outsourcing-Transaktion ist ein klar definierter Business-Case. Dabei gilt es, ausgehend von den Ist-Kosten einen klaren Zielkostenkanal für bestimmte Zeiträume zu definieren. Handelt es sich um ein Komplett-Outsourcing, kann es beispielsweise sinnvoll sein, die IT-Gesamtkosten innerhalb von drei Jahren von drei auf zwei Prozent des Unternehmensumsatzes zu reduzieren. Diese Kostensenkungen sind dem Auftragnehmer als Grundlage der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu nennen und als preislicher "Deckel" für die prognostizierten und bestehenden Mengengerüste in den Rahmenvertrag aufzunehmen.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, dem Dienstleister zu vermitteln, dass die eigene IT derzeit unwirtschaftlich und unprofessionell arbeitet. Denn nur, wo hohes Potenzial winkt, wird der Provider bereit sein, dieses über vertraglich vereinbarte Kostensenkungen auch an seinen Kunden weiterzugeben. Da die Übernahme einer hocheffizienten IT aber wenig Raum für Kostensenkungen bietet, sondern eher zu einem Anstieg der Ausgaben - etwa in Höhe des Provider-Profits - führt, wird manches Unternehmen in Bezug auf seine IT-Kompetenz tiefstapeln müssen. Schließlich kann der Provider schlecht dagegen argumentieren, wenn von ihm als Profi im Gegensatz zu einer "ineffizient arbeitenden" IT hohe Synergien und spürbare Einspareffekte erwartet werden. Da zum einen die Zeit für eine detaillierte "Due Dilligence" häufig knapp bemessen ist, zum anderen die Anbieter erhebliche Risiken in Kauf nehmen, um sich noch in letzter Minute in einen Deal einzukaufen, lassen sich

durchaus günstige Konditionen aushandeln.

Häufig liegt Provider-Angeboten keine "Bottom-up"-Kalkulation zugrunde. In diesem Fall setzen diese nicht selten auf ein riskantes Target-Costing, das einem Blindflug gleichkommt: Ausgehend vom vorhandenen IT-Budget wird dabei lediglich ein Prozentsatz an mutmaßlichen Kosteneinspareffekten geschätzt. Gelingt es dem Auftraggeber, hohe bisherige Insuffizienzen glaubhaft zu machen, verpflichten sich die Provider häufig zu drastisch sinkenden Zielkosten. Aber Vorsicht: Hat sich der Dienstleister zu ungünstigen Bedingungen in die Transaktion "eingekauft", wird er im Nachhinein versuchen, den Deal zu Lasten des Auftraggebers profitabel zu gestalten - über Change Requests und Nachforderungen, notfalls auch über schlechtere Leistungen.

Vorteilhaft ist stets, wenn die Planung von steigenden Mengen (etwa Nutzerzahlen) ausgeht. In diesem Fall lassen sich Kosten über eine bessere Auslastung bisheriger Ressourcen senken. Die schwierige Reduzierung von Fixkostenblöcken entfällt somit.

Laufzeiten nicht zu kurz

Aus Gründen der Flexibilität werden zunehmend kürzere Laufzeiten von drei bis fünf Jahren oder weniger vereinbart - wer weiß schon, ob sich der Servicebedarf im Lauf von fünf Jahren nicht grundlegend ändert, Leistungen komplett entfallen oder der Provider auch dann noch der beste Lieferant für die jeweilige Leistung ist, respektive neu anfallende Services kompetent erbringen kann? Allerdings lassen sich bei sehr kurzen Laufzeiten die erwünschten Kosteneinsparungen nicht immer realisieren. Besonders bei sinkenden oder stagnierenden Mengen sind Fixkostenblöcke zunächst über teure Restrukturierungsmaßnahmen zu senken oder bestehende Investitionskosten abzuschreiben. Längere Laufzeiten eignen sich hier teilweise besser, können zudem als Verhandlungsargument für günstigere Preise genutzt werden und bieten ebenfalls Flexibilierungspotenzial: So lässt sich die Mindestvergütung des Gesamtvolumens nach drei Jahren auf 70

und nach fünf Jahren auf 50 Prozent reduzieren. Die ordentliche Kündigung einzelner Leistungsscheine und ein variables Preismodell können dann ausreichend Spielraum gewähren.

Wichtig ist es, bestehende Lücken im Leistungsumfang zu schließen, um zu verhindern, dass notwendige IT-Services mit dem vereinbarten Preis nicht abgedeckt sind. Diesbezügliche Versäumnisse können zu einer Kostenexpansion von über zehn Prozent führen. Vom Provider offerierte Leistungskataloge sind meist bewusst lückenhaft und schlecht strukturiert. Das Unternehmen sollte daher eigene Leistungskataloge in den Verhandlungsprozess einbringen. Hilfe bieten vorgefertigte Musterkataloge, die die wichtigsten Leistungen umfassen und sich den Unternehmensanforderungen anpassen lassen. Dennoch ist nicht ganz auszuschließen, dass einzelne, vor dem Betriebsübergang durch die eigene IT erbrachte Services in den Leistungsscheinen vergessen werden. Daher ist es ratsam, eine Absicherungsklausel in den Rahmenvertrag aufzunehmen, die den Provider verpflichtet, mindestens die vorherigen Eigenleistungen der Firma zu erbringen. Darüber hinausgehende Servicequalität

muss in Form von Service-Level-Agreements (SLAs) vereinbart werden.

Sinnvolle SLAs für den Server-Betrieb sichern vor allem Verfügbarkeit, maximale Ausfalldauer und -häufigkeit sowie Antwortzeiten ab. Für jeden einzelnen Server ein individuelles SLA zu definieren ist angesichts der meist hohen Zahl jedoch sehr aufwändig. Es empfiehlt sich daher, drei bis fünf Serviceklassen mit absteigendem Qualitätsniveau zu definieren und die Systeme entsprechend zuzuordnen.

Wichtig für die Sicherung der Servicequalität im User Helpdesk (UHD) ist die Definition einer Selbstlösungsrate. Professionelle UHD-Provider sind in der Lage, hier einen Wert von mindestens 70 Prozent anzubieten. In diesem Fall kann der Helpdesk eine Vielzahl der Probleme selbst lösen und muss diese nicht an Second-Level-Mitarbeiter eskalieren. Das erhöht zum einen die Zufriedenheit der Anwender, da das Gros der Störungen schnell zu beheben ist. Zum anderen lässt sich eine solche Selbstlösungsrate nur in einer standardisierten IT-Umgebung realisieren und garantiert somit eine effiziente Arbeitsweise. Ferner wird auf diese Weise teures Second-Level-Personal entlastet. Die Selbstlösungsrate sollte über Pönalien, sprich: Vergütungsreduktionen bei nicht erbrachter Leistung, abgesichert werden. Weitere wichtige UHD-SLA-Kriterien sind Erreichbarkeit, Reaktionszeiten und verfügbare Sprachen.

Application-Management

Beim Application-Management empfiehlt es sich, Reaktions- und Lösungszeit festzulegen. Unter Ersterer wird lediglich der Zeitraum zwischen dem Eingang der Fehlermeldung und der Abstimmung der Vorgehensweise mit dem Meldungsverursacher verstanden. Die Lösungszeit, von der die schnelle Problemlösung abhängt, stellt die eigentlich interessante Messgröße dar.

Ebenso wichtig ist die SLA-Definition für LAN und WAN. Je nach Netztopologie kann der Anwender eine zentrale Applikation nur nutzen, solange die gesamte Netzstrecke - vom zentralen Rechenzentrum über alle Einzelkomponenten bis hin zum lokalen Endgerät - verfügbar ist. Die Netztopologie muss demnach mit ihren Leistungsübergabepunkten genau analysiert werden. Für wichtige Wegstrecken sollte die End-to-End-Verfügbarkeit definiert werden. Pönalien und Sonderkündigung

Alle wichtigen SLAs sollten über Pönalien abgesichert sein. Meist empfiehlt es sich, diese in den Leistungsscheinen und nicht pauschal im Rahmenvertrag zu vereinbaren. Pönalien dienen als Kompensation für festgelegte, jedoch entgangene Leistungen. In diesen Fällen ist eine Rückvergütung in Höhe der Provider-Margen angemessen: Bei Rechenzentrumsleistungen betragen diese fünf bis zehn, bei Netz-Services etwa zehn und beim Application-Management bis zu zwanzig Prozent. Darüber hinaus sind in kritischen Bereichen schmerzhaftere, die reine Gewinnmarge des Dienstleisters übersteigende Maßnahmen auszuhandeln, die dann in Kraft treten, wenn SLAs drastisch oder wiederholt unterschritten werden. Im schlimmsten Fall greift ein Sonderkündigungsrecht des Gesamtvertrages - entsprechende Regelungen gehören in jeden Rahmenvertrag.

Ein Hauptziel des Outsourcing-Kunden ist es, Zusatzkosten zu vermeiden. Doch gerade über den Verkauf zusätzlicher Leistungen oder Mehr- beziehungsweise Mindermengenregelungen gelingt es Providern immer wieder, die eigene Profitabilität zu Lasten des Auftragnehmers zu erhöhen. Erhebliche Zusatzkostenrisiken bergen technische Preismodelle, da sich Größen wie Gigabyte und Netzbandbreite nur schwer prognostizieren lassen. Auch Preise und Mengen für den Betrieb "kleiner", "mittlerer" und "großer" Server sind aus Kundensicht nicht leicht überprüfbar, da die jeweilige Zuordnung vergleichsweise schwer nachzuvollziehen ist. Das dazu erforderliche Know-how ist nach der Auslagerung im Unternehmen meist nicht mehr vorhanden. Besser kontrollieren lassen sich Business-orientierte Preismodelle, die sich nach dem Geschäft des Kunden richten.

Differenzierte Preismodelle für Mehr- und Mindermengen bringen grundsätzlich mehr Flexibilität. Schlägt der Provider ein Modell mit etwa 300 Einzelpositionen vor, kann der Kunde jedoch schwer feststellen, ob diese marktgerecht sind. Bei Business-orientierten Preismodellen lassen sich die vereinbarten jährlichen Zielkosten - etwa auf Grundlage der Nutzerzahlen - relativ einfach auf Einzelpreise herunterbrechen. Der Kostensenkungseffekt wird so direkt auf die einzelnen Preise übertragen und damit auch auf Mehr- und Mindermengen angewendet. Letzteres lässt sich ebenfalls vertraglich vereinbaren.