Gerade im produzierenden Gewerbe ist dem Konkurrenzdruck nur mit einer Steigerung der Produktivität und Flexibilisierung der Geschäftsmodelle zu begegnen. In der Konzentration auf Kernkompetenzen wie Produktentwicklung und Vermarktung wird die IT oft als hinderlicher, aber leider notwendiger Störfaktor empfunden. Zuwenig Augenmerk wird darauf gerichtet, die IT als Katalysator zu nutzen, um Effizienz und Flexibilität zu steigern. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die IT selbst diesen Maßstäben genügt. Um dieses Ziel zu erreichen, erwägen viele Unternehmen ein Outsourcing der IT-Infrastruktur. Das sollten sie mit Augenmaß und vor allem auf Augenhöhe mit dem Partner angehen.
Die Herausforderungen im Mittelstand
IT ist heute eine in allen Ebenen eines Unternehmens vertreten: Web-Shops für neue Kundensegmente, Build-to-Order-Fertigung, um den Lagerbestand zu optimieren, sowie eine Kennzahlen-basierende Geschäftssteuerung sind nur ein paar Beispiele. Neu sind Anforderungen an die Flexibilität, wenn Firmen etwa in kürzester Zeit neue Geschäftsstellen eröffnen oder die Produktion an kostengünstige Standorte verlagern wollen. Dazu bedarf es einer flexiblen und elastischen IT, die sich schnell den wechselnden Anforderungen des Geschäftsumfeldes anpasst und diese proaktiv unterstützt. Eine solche IT kann zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.
Eine wichtige Rolle spielen die IT-Budgets. Die Anschaffung von Hardware und Software sowie die Installation und Integration durch eigenes Personal oder externe Dienstleister binden Kapital. Die Investitionen werden im Rahmen der Abschreibungen nur bilanztechnisch bewertet. Faktisch ist dieses Kapital für andere wichtige Unternehmensanforderungen wie Forschung und Entwicklung oder eine Expansion in neue Märkte verloren.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass ein mittelständisches Unternehmen sich mit gleicher Intensität und Kompetenz seiner IT widmen muss, wie seinem Kernprodukt. Damit tun sich die Firmen immer schwerer. Weil ihre eigenen IT-Spezialisten damit beschäftigt sind, die Business-Applikationen anzupassen und zu betreiben, wird die IT-Infrastruktur oft vernachlässigt. Nur wenn Performance- oder Stabilitätsproblemen auftreten, reagiert die interne IT. Innovationen gibt es aufgrund der Finanzierungshürden nicht. In diesem Umfeld fallen die Angebote großer IT-Outsourcer auf fruchtbaren Boden. Sie bieten die vollständige Übernahme der IT-Infrastruktur und den Rückverkauf von vertraglich festgelegten IT-Services an. Auf den ersten Blick ist dies eine attraktive Lösung.
Die Gefahren des Outsourcing
Anwender sollten zwischen Angeboten von herstellerneutralen Outsourcern und Hardwareherstellern unterscheiden. Letztere finanzieren die Services mit Server-Verkäufen quer. Darunter leidet die Transparenz von Produkt- und Dienstleistungspreisen. Ein herstellerneutraler Outsourcing-Anbieter liefert dagegen die Kapazitäten und Funktionen aus der eigenen Fabrik. Beiden gemeinsam ist, dass zugesagte Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich nur erzielen werden können, wenn sie Shared Services aus Niedriglohnländern beziehen.
Die eigene Fertigungstiefe eines Outsourcers deckt üblicherweise nur 30 bis 70 Prozent der vom Kunden benötigten Leistungen ab. Fehlende Komponenten werden am Markt zugekauft. Selbst wenn diese Leistungen ohne Aufschläge an den Kunden durchgereicht werden (was faktisch nicht stattfindet), verwässert dieses Vorgehen die Marge. Damit hat ein Outsourcer keine Reserven, um Unwägbarkeiten oder Risiken abzufedern. Um die vertraglich zugesicherten Leistungen und Preise zu erfüllen, muss ein Outsourcer deshalb streng darauf achten, exakt nur seine Shared-Services-Standards an den Kunden zu liefern. Individuelle, kundenspezifische Services oder Kulanz haben keinen Platz mehr.
Für die interne Kostenbetrachtung müssen Anwender zudem den finanziellen Aufwand für die Retained-IT berücksichtigen. Mit dem Übergang der eigenen IT-Mitarbeiter zum Outsourcer wechselt das kundenspezifische Know-How. Um den Partner nach Betriebsübergang steuern zu können, sollte das wesentliche Know-how im Unternehmen verbleiben. Das ist auch vor dem Hintergrund einer möglichen Neuvergabe oder Rückabwicklung nach der Vertragslaufzeit wichtig.
Tipps zur Vertragsgestaltung
Der Outsourcer hat ein hohes Interesse, Interpretationsspielräume für seine vertraglich vereinbarten Pflichten zu vermeiden. Idealerweise möchte er Leistungsverzeichnisse für einen möglichst langen Zeitraum, typischerweise über mehrere Jahre, festschreiben. Dadurch wäre er zu keinen teuren Innovationen in seiner Servicefabrik angehalten. Das auslagernde Unternehmen gefährdet damit jedoch die eigene Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit. Es kann während der Vertragslaufzeit nicht von den Innovationen des IT-Marktes profitieren.
Häufig steht dem Anwenderunternehmen ein großes, erfahrenes Team aus Juristen und Vertragsprofis auf Seiten des Outsourcers gegenüber. Vertragsgespräche auf Augenhöhe sind unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Dabei besteht die Gefahr, dass kritischen Punkte nicht angesprochen und geregelt werden. Hier müssen IT-Manager wachsam sein und nur Arbeitspakete verhandeln, die bezogen auf Umfang und Komplexität beherrschbar sind.
In den Verhandlungen sollten nicht nur Leistungsumfang, Service-Levels und Preises vereinbart, sondern auch Preiskorridoren definiert werden, wenn sich etwa die Abnahmemengen und Service-Levels ändern. Wer hätte vor zwei Jahren an die rasch wachsende Bedeutung von Cloud Computing gedacht? Anwender sollten daher eine Übereinkunft anstreben, die die Lösung stets auf dem aktuellen Stand der Technik (State of the Art) hält. Dazu gehören beispielsweise regelmäßige Refreshes. Häufig überarbeiten die Service-Provider die IT-Installation erst zum Ende der Laufzeit, um für eine Vertragsverlängerung zu werben.
Weil Leistungen und Preise für einen langen Zeitraum festgelegt werden, ist das Change-Management in den Vertragsverhandlungen besonders wichtig. In aller Regel versucht der Outsourcer, für anfallende Changes die Preise frei zu gestalten und den Kunden mit Benchmark-Klauseln abzusichern. Doch die Sicherheit ist trügerisch, denn ein Kunde, der an einen Anbieter gebunden ist, hat den Wettbewerb faktisch ausgesperrt. Damit wird er kaum konkurrierende Angebote einholen können, um Preise zu vergleichen.
Besonders problematisch ist der Umgang mit Softwarelizenzen. Die Nutzungsrechte sowohl von Server- wie auch PC-Software kann der Kunde nicht eigenmächtig auf den Outsourcer übertragen. Dazu benötigt er generell die Zustimmung des Lizenzgebers. Insbesondere für Server-Software verlangen diese in der Regel erhebliche Übertragungskosten. Diese gilt sowohl für den Übergang zum Outsourcer als auch für eine mögliche Rückabwicklung. Um hier einen gangbaren Weg zu finden, bedarf es umfangreicher Erfahrungen im Lizenzrecht. Damit ist die Wirksamkeit des Outsourcing-Vertrages in Teilen von Dritten abhängig. Es droht eine juristisch komplexe Situation.
Die Aufgaben der internen IT
Wer auslagern möchte, sollte die eigenen IT-Kosten für jeden IT-Service und idealerweise sogar pro Leistungseinheit beziffern können. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist eine IT-Leistungsverrechnung (Cost Charge-Out) gegenüber den internen Kunden unüblich. Ohne Transparenz ist der Vergleich der eigenen IT-Kosten mit den Einheitspreisen des Outsourcers jedoch unmöglich. Damit geben die Unternehmen Optimierungspotenzial aus den Händen. Sie können beispielsweise nicht solche IT-Leistungen identifizieren, die sie zu günstigeren Kosten als der Outsourcer erbringen. Es fällt ihnen auch schwer, IT-Services zu isolieren, die aus strategischen Gründen im Unternehmen bleiben sollen, weil beispielsweise sensible Daten verarbeitet werden.
Sind diese Hürden genommen und wurden die zu beschaffenden Leistungsblöcke identifiziert, müssen die Verantwortlichen die aktuellen und wenn möglich zukünftigen technischen Anforderungen festlegen. Diese müssen sie möglichst gegenüber den Standardangeboten der externen Lieferanten durchsetzen.
Der letzte Schritt in der Vorbereitung gilt der kommerziellen Strategie. Die entscheidende Frage lautet, ob die gesamte IT einem Anbieter (Outsourcing) oder individuelle Leistungsblöcke mehreren Lieferanten (Multiple Sourcing) übergeben werden sollen. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Flexibilität bietet das Multiple-Sourcing mehr Spielraum.
Den Service-Verantwortlichen obliegt die Aufgabe, für jeden Leistungsblock den jeweiligen Service-Level und das passende Preismodel (etwa Pay-per-Use) zu spezifizieren und mit den Bietern zu verhandeln. Wird die Übergabe der jeweiligen IT-Service individuell gestaltet, können die Unternehmen den Big-Bang eines umfassenden Outsourcings vermeiden.
Die Aufgaben des IT-Leiters
Für die Entscheidung darüber, ob die IT intern oder im Rahmen von Multiple-Sourcing- sowie Outsourcing-Abkommen betrieben werden soll, gibt es keine allgemein gültige Empfehlung. In die Beantwortung der Frage fließen Aspekte wie die Ausrichtung, Bandbreite und Kernkompetenz der internen IT sowie der Grad an Commodity-Services ein. Folgende Faktoren können bei der Entscheidungsfindung helfen:
IT-Roadmap
Im alltäglichen IT-Betrieb besteht die Gefahr zur Eigendynamik: Die Ausrichtung der Geschäftseinheiten und der IT verläuft nicht mehr synchron. Empfehlenswert ist es, mit den Geschäftseinheiten im Rahmen eines gemeinsamen Workshops eine IT-Roadmap zu formulieren, die sich an den Anforderungen der Geschäftseinheiten in den kommenden drei Jahren orientiert. Diese legt die Anforderungen an Dynamik, Flexibilität, Innovation und Kostenentwicklung der IT-Leistungen fest.
Eigene Stärken
Wichtig ist, die eigenen IT-Kernkompetenzen beziehungsweise die Bereiche mit hoher IT-Wertschöpfung für das Unternehmen zu identifizieren. Oft ergibt sich daraus ein verschwommenes Bild, da sich eine klare inhaltliche Abgrenzung nicht in der Organisation widerspiegelt. Gegebenenfalls müssen Abläufe angepasst werden.
Kosten-Benchmark
Da IT oft als Unterstützungsfunktion im Unternehmen gilt, werden die IT-Gesamtkosten beispielsweise nur relativ zum Firmenumsatz budgetiert. Eine Transparenz der Kosten pro Service-Segment und Leistungseinheit ist selten, da die firmeninternen Kunden nicht verbrauchsabhängig mit den Kosten belastet werden. Ein wesentlicher Schritt ist die Erfassung und Dokumentation der Kosten sowohl horizontal je Servicesegment (Server, Netwerk, Software, PCs, usw.) als auch vertikal (User Helpdesk, Rechenzentrum, Monitoring, externe Leistungen). Mit den technischen Quantitäten können daraus Einheitskosten abgeleitet und mit Marktpreisen im Benchmark verglichen werden.
Lagebewertung
Mit diesen Informationen kann das Unternehmen abschätzen, in welchen Bereichen es IT zu marktgerechten Kosten produziert. Ebenso werden Problemzonen sichtbar. Das gilt oft für Commodity-Services, die intern häufig zu teuer betrieben werden und die weder flexibel noch innovativ sind. Diese Leistungsblöcke sollten optimiert und je nach Strategie mit eigenem Personal oder per Sourcing transformiert werden.
Fazit
Die optimale Sourcing-Strategie hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt keine Regel, welches Vorgehen das Beste für ein Unternehmen ist. Wesentlich ist immer, dass die Unternehmen in der Lage sind, die Anforderungen, die eigenen Stärken und die Angebote des IT-Marktes zu bewerten. In jedem Falle, auch wenn die IT ausgelagert wurde, muss ein Unternehmen über ausreichend IT- Kompetenz verfügen, um den oder die Sourcing-Partner kontrollieren und führen zu können.
Helmut Walter ist Geschäftsführer der IT-SCM.com. Das Unternehmen hat sich auf betriebswirtschaftliche IT-Sourcing-Beratung spezialisiert.