Neben aktuellen Entwicklungen in der IT wie Digitalisierung, Internet of Things und Industrie 4.0 ist allerorten ein weiteres Trendthema auf der Tagesordnung: die IT-Konsolidierung. Auf den ersten Blick scheinen entsprechende Projekte praktisch nur Vorteile zu eröffnen. Sie versprechen beispielsweise ein besseres Nutzererlebnis, mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit, eine erhöhte Effizienz, geringere Lizenzkosten und einen reduzierten Supportaufwand.
Eine nähere Betrachtung zeigt aber, dass IT-Konsolidierung oft, aber durchaus nicht immer sinnvoll ist. Sie ist kein Allheilmittel. Letztlich gilt, dass ein IT-Konsolidierungsvorhaben nur dann sinnvoll ist, wenn es einer kritischen Überprüfung anhand konkreter Bewertungsparameter, sogenannter Indikatoren, standhält. Solch ein Indikatoren-Modell bewahrt davor, dass IT-Konsolidierung zum Selbstzweck wird.
In Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung gleichermaßen Trend
In der Wirtschaft ist das Thema IT-Konsolidierung schon lange präsent. Es zeigt sich beispielsweise im IT-Outsourcing, beim Merger von Unternehmen oder im Rahmen der Zentralisierung der IT innerhalb größerer Unternehmensgruppen. Aber auch in der Bundesverwaltung sowie in Ländern und Kommunen gewinnt IT-Konsolidierung an Bedeutung - wobei die Herausforderungen und Versprechen denen in der Wirtschaft weitgehend ähneln.
Auf Bundesebene beispielsweise wird die IT-Konsolidierung derzeit im Rahmen der Digitalen Agenda vorangetrieben, auf Länder- und kommunaler Ebene gibt es wettbewerbsorientierte IT-Dienstleister, die sich ihren Auftraggebern erfolgreich als Betreiber einer konsolidierten IT anbieten. Ob in Unternehmen oder Behörden: In der Regel ist die Motivation für eine IT-Konsolidierung, dass man sich davon eine Optimierung der IT-Organisation bezüglich Aufbau und Ablauf verspricht - und dabei insbesondere Kosteneinsparungen im Blick hat.
Die Vor- und Nachteile
In der öffentlichen Verwaltung wie auch in der Wirtschaft kommen üblicherweise dieselben Vor- und Nachteile einer IT-Konsolidierung zum Tragen - und meistens überwiegen Vorteile wie
einfacheres Management und stringentere Steuerung,
bessere Nutzung der Ressourcen (Kostensenkung),
technische und betriebliche Skalierbarkeit,
zentralisierte und einheitliche Beschaffung von Soft- und Hardware,
funktionale Entflechtung,
bessere Abbildung von IT-Modernisierungsbedarfen,
Datenschutz und Datensicherheit werden besser umsetzbar und
eine konsolidierte IT erscheint als attraktiverer Arbeitgeber und adressiert zugleich den Fachkräftemangel.
Allerdings gibt es auch deutliche Nachteile, darunter etwa
das Risiko einer monolithischen Softwarearchitektur,
ein höheres Fehlerpotenzial in der Dimensionierung der IT-Systeme,
Risiken durch die Migration etwa in Form von Datenverlusten,
höheres Angriffspotenzial durch Zentralisierung,
Verlust vielleicht sinnvoller standortspezifischer Applikationen,
längere Support-Reaktionszeiten und Mehraufwand in den Fachabteilungen oder auch
eine hohe Abhängigkeit von einem Rechenzentrumsbetreiber, der sich mangels Wettbewerber weniger bemühen muss.
Das Innovationsdilemma
Bleibt die Frage: Wie weit sollte eine IT-Konsolidierung gehen? Allein auf mögliche Kostensenkungen zu setzen, ist keinesfalls zielführend. Hier greift das oft zitierte Innovationsdilemma, mit dem sich letztlich alle Technologiebranchen konfrontiert sehen: Innovationsprozesse sind in aller Regel kostspielig, aber ihre Resultate spiegeln sich im Unternehmensgewinn oft nicht unmittelbar wider. Während die Effekte einer IT-Konsolidierung meist schnell messbar sind, sind Innovationsanstrengungen häufig scheinbar weniger lukrativ.
Dennoch haben Innovationen entscheidenden Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg und -gewinn. Wer nur auf eine kurzfristige Kostenreduktion setzt, wird immer der leicht messbaren und einfachen Konsolidierung den Vorrang vor der nur schwer abbildbaren Innovation einräumen. Die langfristige, positive Wirkung der Innovationen für den Gesamtwert der Organisation lässt solch eine Sicht ebenso außer Acht wie die langfristigen Kosten einer IT-Konsolidierung.
Weitergehende Entscheidungsparameter
Wie wägt man also sinnvoll zwischen den Vor- und Nachteilen einer IT-Konsolidierung ab? Wie bestimmt man, in welchem Umfang sie sinnvoll ist? Und wie bewahrt man trotz effizienzgetriebener, kurzfristiger Konsolidierung die langfristige Innovationsfähigkeit der Organisation? Um dies zu klären, ist eine ganzheitliche Betrachtung unabdingbar. Neben der reinen Personal- und Kostenperspektive müssen für die Entscheidung weitere Parameter herangezogen werden.
Besonders wichtig ist dabei die grundsätzliche Rolle der IT im Unternehmen und ihr Wertbeitrag. Gilt es abzuwägen, ob ein bestimmter Bereich oder eine IT-Funktion konsolidiert werden sollte, ist die Frage wichtig, ob die IT marktdifferenzierenden Charakter hat, also ein Wettbewerbsfaktor ist, ob sie als geschäftskritische IT zentrale Geschäftsprozesse unterstützt oder ob sie als fachseitige IT dazu dient, spezifische fachliche Anforderungen abzudecken.
Das Indikatoren-Modell als Entscheidungsgrundlage
Das nachfolgend beschriebene Indikatoren-Modell soll dazu dienen, die Entscheidung für oder gegen eine IT-Konsolidierung in einem konkreten Fall sachgerecht treffen zu können. Dazu ziehen wir fünf Indikatoren heran, die es in ihrer Bedeutung für die jeweilige Organisation einzuschätzen gilt:
Innovationsnotwendigkeit: Handelt es sich um IT-Funktionen mit kurzen Innovationszyklen, ist anzunehmen, dass diese nach einer IT-Konsolidierung gegebenenfalls nicht mehr abbildbar sind beziehungsweise einer Standardisierung entgegenstehen.
Fachlich geprägte Funktionalität:Wenn es ein hohes Maß an fachlichem Know-how in den IT-Funktionen gibt, ist deren Nähe zu eben diesen Fachexperten unerlässlich. Im Ergebnis kann eine IT-Konsolidierung aber dazu führen, dass diese Nähe nicht mehr gegeben ist.
Flexibilität in Entwicklung und Bereitstellung: Wenn IT-Funktionen flexibel entwickelt und bereitgestellt werden müssen, besteht die Gefahr, dass diese Beweglichkeit durch eine IT-Konsolidierung verlorengeht.
Spezifische Nutzergruppen:Handelt es sich lediglich um eine spezifische Zielgruppe, wird sie tendenziell eher klein sein. In solch einem Fall kann eine IT-Konsolidierung kaum zu positiven Skalierungseffekten führen.
Bedarfskontinuität:Wenn die Nutzerzahlen stabil und die Ressourcen bereits allokiert sind, ergibt sich kaum die Notwendigkeit für eine Skalierung. Auch dann ist gegebenenfalls die Fortsetzung des bestehenden Betriebs sinnvoller als eine Konsolidierung.
Vorgehen und Auswertung
Im Indikatoren-Modell lässt sich die Relevanz der genannten fünf Dimensionen beurteilen, indem man ihnen einen Wert zwischen 0 und 5 zuweist. Sollten einzelne Indikatoren stark ausgeprägt sein (wie es in der Grafik beim Konsolidierungsgegenstand 1 durchgehend der Fall ist), besteht weiterer Untersuchungsbedarf. Erst tiefergehende Analysen werden in solch einem Fall abschließend klären können, ob eine Konsolidierung wirklich sinnvoll ist oder nicht. Die Indikatoren weisen hier auf Risiken hin: Eine Konsolidierung könnte zur Bremse der IT-Entwicklung werden, und es wäre gegebenenfalls besser, die betroffenen IT-Funktionen weiterhin dezentral zu entwickeln und zu betreiben.
Eine erste Bewertung der fünf Dimensionen im Indikatoren-Modell erfolgt idealerweise zweifach, aus verschiedenen Perspektiven: einmal aus Sicht der potenziell zu konsolidierenden IT und einmal aus Sicht der Ziel-IT-Verantwortlichkeiten. Wenn die Einschätzungen zu den einzelnen Indikatoren aus diesen beiden Perspektiven heraus stark differieren, ist das ein Hinweis auf weiteren Analysebedarf. Erst nach einer ersten Risikoeinschätzung mithilfe des Indikatorenmodells und gegebenenfalls nach einer tiefergehenden Analyse - ist eine sachgerechte Entscheidung möglich, ob die IT-Konsolidierung sinnvoll ist. Diese Ergebnisse lassen sich auch für strategische Überlegungen mit Blick auf die IT nutzen. Sie geben Hinweise darauf, ob die Ausrichtung der IT mit der grundsätzlichen strategischen Ausrichtung der Organisation übereinstimmt.
Unerwünschte Nebenwirkungen verhindern
IT-Konsolidierung ist für viele Unternehmen und auch in der öffentlichen Verwaltung ein wichtiges und sinnvolles Instrument, wenn es darum geht, Synergien und Skaleneffekte zu nutzen und Kosten zu senken. Dennoch kann es unangenehme Folgen haben, kritiklos diesen Weg zu gehen. Die Konsolidierung ist kein Allheilmittel, und es gilt, alle Auswirkungen zu durchdenken. Es ist wichtig, sich über die Konsequenzen in jedem konkreten Fall im Klaren zu sein und auch die konzeptionelle Vereinbarkeit mit der Unternehmensstrategie zu prüfen. Hier gestattet das Indikatoren-Modell eine erste Bewertung. Es hilft, einen sinnvollen Umfang zu bestimmen und insbesondere Einschränkungen zu identifizieren. Auf dieser Grundlage wird eine IT-Konsolidierung tatsächlich die beabsichtigten Effekte entfalten - ohne unerwünschte Nebenwirkungen.