CRM

IT-gestütztes Marketing bezieht Internet und Mobilität ein

03.06.2008 von Axel Schmidt
Neben Kundendatenbanken und Software zur Verkaufssteuerung bedarf es eines Rückkanals zur Zielgruppe. Auf diese Weise können Unternehmen das Benutzerverhalten in ihre Vermarktungsstrategie einbeziehen.

Auch das Marketing ist längst weit davon entfernt, ohne die IT leben zu können. Doch Hand aufs Herz: Wer sich mit der Rolle der IT im Marketing auseinandersetzt, denkt zuerst an Database-Marketing und Customer Relationship Management (CRM) oder ähnliche Konzepte. Das aber steckt das Spielfeld der IT nur noch ungenügend und einseitig ab. Denn auch hier geht es schon lange um mehr, als nur Datenbanken und Analysewerkzeuge bereitzustellen. Integrative Konzepte und technologische Unterstützung bei der Zielgruppenansprache und der Kundenbindung - das sind die primären Ziele, die das Ressort Informationstechnologie erfüllen muss.

Anfangs gab es nur Listen und Kundenadressen

Irgendwann in den 60er Jahren des vergangenen Jahrtausends hielt der Computer Einzug in die Unternehmenssparte Marketing. Seine Rolle war dabei zunächst darauf beschränkt, Listen und Kundenadressen zu verwalten. Doch die Informationstechnologie hat seitdem einen rasanten Aufschwung genommen, so dass ihr ehedem sehr begrenzter Aktionsradius sich fast zwangsweise auch im Marketing vergrößern musste.

Zunehmend bessere Rechenleistung, günstigere Preise, immer engere Vernetzung und weitreichendere Telekommunikation sorgen einerseits für ungeahnte Möglichkeiten, verlangen andererseits aber auch nach mehr Strategie. Die Antworten darauf sollen vor allem Ansätze wie CRM und Business Intelligence geben.

Rückkanal zur Zielgruppe

Das allein reicht aber eben nicht mehr aus. Denn Datenbestände sind das eine, und sie genügen zwar, um sich nach draußen zu präsentieren. Daneben bedarf es aber auch eines Rückkanals zur Zielgruppe. Denn erst der ermöglicht Ansätze wie CRM oder Dialog-Marketing und erlauben es, das Benutzerverhaltens in die Vermarktungsstrategie einzubeziehen.

Das ist sicher keine bahnbrechende Erkenntnis, jedoch bleiben Unternehmen hier bislang noch zu viel schuldig. Oft lassen sie wirkliche Interaktivität von vornherein nicht zu. Das bremst und erstickt viele nützliche Entwicklungen bereits im Keim.

Die unter dem Schlagwort Web 2.0 subsumierten Techniken bieten darauf zwar die richtigen Antworten. Marketing-Verantwortliche haben jedoch häufig an den eigentlichen Anforderungen "vorbeigewerkelt", indem sie diese Entwicklungen nur einseitig zur dynamischen Zielgruppenansprache genutzt, also gewissermaßen auf Antworten verzichtet haben.

Hier sind auch die IT-Ressorts verstärkt gefragt, denn sie müssen die Techniken für ihre Marketing-Abteilungen nicht nur nutzbar, sondern auch verständlich machen. Denn die scheinen die daraus erwachsenden Möglichkeiten nicht immer zu begreifen.

Konvergenz von Web, Mobile und Broadcast

Doch der nächste Entwicklungsschub deutet sich schon lange an und geht Hand in Hand mit dem Siegeszug des Web: Jedes Jahr verzeichnen die deutschen Printmedien einen Auflagenverlust, der etwa der Auflage der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" entspricht. Natürlich bedeutet das nicht das Ende der gedruckten Zeitung. Nur findet gegenwärtig eine unverkennbare Umgewichtung von Print nach Online statt. Und diese Entwicklung macht auch vor Rundfunk und Fernsehen nicht halt.

Mit Cross-Marketing-Aktivitäten versuchen die Marketing-Verantwortlichen, den Reichweitenverlusten entgegenzuwirken. Teilweise scheitert das jedoch an Medienbrüchen. Denn wer legt schon gerne bei der Lektüre die Zeitung auf die Seite und wechselt an den PC oder umgekehrt?

Hier sind aber auch die Medienmacher gefragt, und die reagieren: zum Beispiel mit Call-in-Shows, die auch die Möglichkeit zum Voten über Web oder Handy bieten. Wirkliche Interaktivität ist das zwar noch nicht, es verdeutlicht die Absicht, Rezipienten unmittelbar einzubinden. Konvergenz von Web, Mobile und Broadcasting ist - wenn auch nur in Ansätzen - klar auszumachen.

Für die IT sind die Themen Integration sowie Formats- und Ausgabenneutralität Dauerbrenner, auf die sie mit Content-Management-Systemen und Digital-Asset-Management reagiert. Allerdings ließen die sich gerade mit Blick auf den Mobilsektor entsprechende Tools zuweilen viele Fragen offen, meint beispielsweise Sascha Müller, Geschäftsführer von Interactiv, einem Teil des Softwarehauses und Systemintegrators Syskoplan. "Unternehmen müssen sich darauf einstellen, den Bereich mobile Dienste künftig besser zu bedienen." Hier sei man in Deutschland noch am Anfang. Der Blick ins Ausland zeige jedoch, dass erhebliches Potenzial brachliege und nur darauf warte, genutzt zu werden - insbesondere von Marketing-Strategen.

Radiosender bietet Hörern Interaktivität

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Müller verweist dabei auf ein aktuelles Projekt, das die Kölner für die größte Rundfunkanstalt Norwegens umsetzen. Für NRK realisiert Interactiv eine Plattform, die das Archiv des Rundfunks der Allgemeinheit zugänglich machen und mit weiteren Angeboten wie Live-Streams, Voting-Optionen und Shop-Systemen kombinieren soll. Der Zugriff kann dabei gleichermaßen über Web oder Mobile erfolgen. Für die Norweger ist das Projekt wichtig, weil sie für die junge Zielgruppe attraktiver werden wollen. Bei der Verschmelzung von Radio und Internet setzt der Sender auf Interaktivität. NRK offeriert zum Beispiel Playlisten des aktuellen Rundfunkprogramms, die den Nutzern den Download der Musikstücke erlauben, die gerade im Radio gespielt werden.

Backend-Systeme bedienen mobile Endgeräte

Aber auch hier ist es wichtig, einen effektiven Rückkanal von der Zielgruppe zum Anbieter bereitzustellen. Das kann beispielsweise ein Client sein, der dann allerdings auf dem Mobiltelefon zu installieren wäre und damit auch eine gewisse Einstiegshürde für die Nutzer bedeuten würde. Für die Zielgruppe kann dieser Kanal jedoch auch erheblich mehr Komfort beim Abrufen mobiler Inhalte bedeuten. Denn er ermöglicht es, die Informationen zu Styles und Aufbau "auszublenden". Und das beschleunigt den mobilen Zugriff immens, so dass beinahe der Eindruck entsteht, als ob man sich nur lokal auf dem mobilen Endgerät "bewegen" würde. Die Inhalte können dabei jedoch ganz konventionell aus dem Backend stammen und über eine zwischengelagerte Server-Landschaft für die Verwendung auf dem mobilen Client aufbereitet werden.

Auf der anderen Seite bedeutet Konvergenz hier nicht etwa, dass bestehende Systeme abzulösen wären. Vielmehr geht es darum, einen zusätzlichen Kanal zu etablieren und bereits existierende so zu ergänzen. Die Einbindung in die Systemlandschaft kann dabei über Standardschnittstellen wie (Soap, HTTPS und SMTP) geschehen.

Orientierung am Nutzerverhalten

Für Unternehmen kommt es demnach nicht nur auf das richtige Angebot an, sondern auch darauf, es am Nutzerverhalten zu orientieren.

Bei Kundenkontakt Angebot

Viele auf Kunden-Management und Marketing spezialisierte Systemintegratoren und Beratungshäuser sehen einen hohen Bedarf an Kundeninteraktion via Internet. Unternehmen können auswerten, welche Interessen die Surfer haben. "Das geht über das bloße Auslesen von Log-Dateien weit hinaus", so Michael Sauter, Chef der Münchner Dependance von Sapient, einem international tätigen, auf interaktives Marketing spezialisierten Beratungshaus: "Wir können heute sagen, wie Frauen in einem bestimmten Alter auf Web-Seiten reagiert haben." Oft handelt es sich um enorme Datenmengen, weshalb die Unternehmen für das Marketing nicht nur CRM-Tools, sondern auch ausgefeilte Business-Intelligence-Lösungen benötigten. Daten aus Online-Kanälen lassen sich - entsprechend aufbereitet - in bestehende CRM-Software einbinden. Die nächste große Herausforderung bestehe darin, im Web erworbene Informationen zum Kundenverhalten gezielt für andere Kommunikationskanäle zu verwenden.

Banken beispielsweise wollen dem Kontoinhaber ein genau auf ihn zugeschnittenes Angebot machen können, wenn dieser über ein Portal Kontakt ihnen aufnimmt. Programme berechnen hierzu, welche Offerte sich zum Beispiel für einen Kunden eignet, der gerade am Geldautomaten steht oder im Kundenportal seinen Finanzstatus überprüft. Dies macht spezielle Software erforderlich, die in der Lage ist, sofort maßgeschneiderte Angebote herauszusuchen. Geschäftsregeln, Prognosemodelle und die Daten aus der aktuellen Sitzung (etwa der Geldtransaktion oder der Web-Dialog) entscheiden über die Art des Angebots. Hierbei lassen sich die finanzielle Situation des Klienten, seine bisherigen Kontakte zum Geldhaus sowie die aktuelle Vermarktungsstrategie des Finanzdienstleisters berücksichtigen. Nach Angaben des Softwarehauses Chordiant, einem Hersteller von Software, die das ermöglicht, bringen solche gezielten Maßnahmen mitunter deutlich mehr Abschlüsse als klassische Kampagnen. (Frank Niemann)

Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch im mobilen Bereich eine kontinuierliche Zielgruppenansprache auf der Basis gesicherter Daten umzusetzen. Und diese Daten lassen sich beispielsweise durch das Protokollieren der Nutzerbewegungen auf dem Client gewinnen. So lassen sich die begehrten Inhalte viel einfacher produzieren und natürlich auch ganze Marketing-Kampagnen wesentlich besser planen. Wobei hier natürlich auch immer der Datenschutz zu wahren ist.

Bisher nehmen die Nutzer mobile Diensten noch zurückhaltend in Anspruch. Denn die Konsumenten fürchten hohe Kosten und schrecken auch davor zurück, Software auf ihrem Handy zu installieren.

Letztlich werden sich mobile Datendienste aber durchsetzen, ist sich Müller von Interactiv sicher. Viele Angebote seien einfach noch nicht auf die mobile Nutzung zugeschnitten und vermittelten Anwendern deshalb den Eindruck nur ein reines Gimmick zu sein. Bekämen die Benutzer aber einen echten zusätzlichen Reiz geboten, werde es zum endgültigen Durchbruch kommen. (fn)