Schwierige Auftragslage

IT-Freiberufler spüren die Krise

11.11.2009 von Ina Hönicke
Weniger Aufträge, niedrigere Honorare und Kettengeschäfte - viele Freelancer müssen sich warm anziehen. Andererseits bieten Großrechner-Welt, öffentlicher Sektor und Outsourcing-Projekte durchaus gute Chancen.

IT-Freelancer haben eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Waren sie im Jahr 2008 begehrter denn je, ist 2009 die Wirtschaftskrise bei ihnen angekommen. Honorare sinken, und Projektaufträge lassen auf sich warten. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich freiberufliche IT-Profis mit Aussagen zu ihrer Auftragslage eher zurückhalten. Doch es gibt auch positive Signale. Projektbörsen und Vermittler beobachten, dass der Projektmarkt stabiler wird, wenn nicht gar anzieht.

Unisono vertreten Personaldienstleister die Meinung, dass die SAP-Welt, wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß wie früher, nach wie vor interessante Jobs zu bieten hat. Dafür sprechen auch die jüngsten Untersuchungen von Projektwerk.de. Die Hamburger Projektbörse gab bekannt, dass seit Juli dieses Jahres wieder mehr selbständige Java- und SAP-Profis gesucht würden. Glaubt man den Ergebnissen, scheint sich der Projektmarkt nach einem Abschwung, der im Mai seinen Höhepunkt hatte, zu stabilisieren. Die Initiatoren der Studie sehen die Talsohle hinter den Freelancern liegen. Dass Externe mit Java-Know-how wieder mehr Projekte und höhere Stundensätze bekommen, bestätigt auch die jüngste Umfrage des Freiberuflerportals Gulp.

Cobol-Experten sind immer noch gefragt

Zu den Branchen, die Freelancer suchen, zählt Mirko Rippolz, Senior Sales Consultant bei GFT Resource Management, den seit Jahren totgesagten Großrechnermarkt. Der Grund für die für Externe günstige Marktsituation sei der mangelnde Nachwuchs. "Junge Cobol-Spezialisten kommen kaum noch nach." Allerdings sind die Unternehmen selbst vorrangig an Externen mit Erfahrung interessiert.

Zurückgegangen sind die Aufträge laut Rippolz aus Banken- und Versicherungen. Während die Banken Freelancer hauptsächlich im Bereich Security-Audits in IT-Projekten einsetzten, benötigten die Versicherungsunternehmen Externe mit versicherungsfachlichem Know-how. Der GFT-Consultant: "Die Anforderungen, die an die Freiberufler gestellt werden, sind auch in der Krise die gleichen: hervorragendes Fachwissen, Sozialkompetenz und Erfahrung." Bei Banken und Versicherungen sei ein gewisser Stallgeruch von Vorteil.

Projekte für Externe bietet seit längerem auch der öffentliche Sektor an. "Sicher ist dieser Bereich für Freelancer gerade in der Krise interessant geworden", meint Christoph Niewerth, Director Contracting Deutschland beim Personaldienstleister Hays. Er rät den Freelancern, bei entsprechenden Projekten mitzumachen: "In einem kommunalen Datenverarbeitungszentrum können Externe jede Menge Erfahrung sammeln." Nach seiner Ansicht haben Freiberufler, die sich in den Strukturen des öffentlichen Sektors auskennen, auch bei privatwirtschaftlichen Firmen gute Chancen.

In der Bankenwelt beobachtet er seit einiger Zeit eine Stabilisierung. Niewerth: "Hier scheint die Krise überstanden zu sein. Die Aufträge ziehen richtig an." Ein Grund seien die zahlreichen rechtlichen Vorgaben, die dringend erfüllt werden müssten.

Outsourcing bringt Aufträge für Freiberufler

embedded-profis
Was Selbständige Embedded-Profis verdienen
Der Online-Freiberuflerdienst Gulp hat im Sommer die Honorare für selbständige Embedded-Experten ausgewertet. Folgende Profile sind identifiziert worden: größer kleiner
1. Open Source-Profis . . .
. . . können 60 Euro pro Stunde verlangen.
2. Die hardwarenahen Programmierer . . .
. . . landen bei 65 Euro ebenso wie . . .
3. . . . die klassischen Entwickler . . .
. . . mit Java- und C/C++-Kenntniss
4. Berater und Systementwickler . . .
. . . bekommen 70 Euro pro Stunde.
5. Softwarearchitekten . . .
. . . können mit 75 Euro pro Stunde rechnen.
6. Architekten, . . .
. . . die zusätzliche den Embedded-Standard Autosar beherrschen und in der Automotive-Branche zu Hause sind, verlangen 85 Euro je Stunde.

Eine verstärkte Nachfrage sei zudem bei Outsourcing-Projekten zu beobachten. Hier würden freie Mitarbeiter für die koordinierende Funktionen gebraucht. Der Hays-Manager: "Gesucht werden Externe, die über hohe soziale Kompetenz verfügen. Denn der Freiberufler muss mit den Betroffenen kommunizieren und auf die jeweiligen Ansprechpartner zugehen können." Erfahrung stehe auf der Wunschliste der Unternehmen ganz oben. Niewerth weiter: "Das gilt für Berater, die als Embedded-Profis auf den Gebieten Automotive, Luft- und Raumfahrttechnik, aber auch bei mobilen Endgeräten wie Handys und medizinischen Geräten eingesetzt werden. Je erfahrener, desto größer die Chancen." Freiberuflern, die frisch von der Universität kommen, rät der Hays-Manager, sich vor der Selbständigkeit einen Job bei einem Consulting-Unternehmen zu suchen. Auch wenn das in diesen Zeiten nicht mehr so einfach sei wie früher.

Achtung vor Kettengeschäften!

Ingo Glaser, Mitglied der Geschäftsführung bei der Geco Deutschland GmbH, sieht gute Chancen für Spezialisten, die sich mit Microsoft Dynamics oder Siebel, heute Oracle, auskennen. Glaser: "Je höher der Spezialisierungsgrad, desto mehr sind die Externen ausgelastet." Der Freelancer-Experte fürchtet indes, dass die Wirtschaftskrise eine ganz andere Gefahr für Freiberufler mit sich bringt: "Kettengeschäfte können dazu führen, dass Externe wirtschaftlich ausgebeutet werden." Obwohl es in der Branche eine Art Ehrenkodex gebe, dass zwischen Auftraggeber und Freiberufler maximal ein Vermittler stehen dürfe, würden sich nicht alle Vermittler daran halten. Aufgrund dieser schwarzen Schafe kann es laut Glaser passieren, dass der Freelancer als letztes Glied in der Kette ein deutlich reduziertes Honorar erhalte.

Der Geco-Vermittler rät Externen, darauf zu achten, den Vertrag immer direkt mit der Projektagentur abzuschließen, die sie an den Endkunden oder das Systemhaus vermittelt hat. Glaser: "Es darf nur zwei Verträge geben. Das kann sich der Consultant auch offenlegen lassen." Professionell geführte Unternehmen würden häufig Open Book Policies betreiben. Dazu gehöre die faire Bezahlung des Freelancers genauso wie die Transparenz der Honorare. Der Geco-Manager: "Gerade in Krisenzeiten muss der Consultant sehr aufmerksam sein. Den Letzten in der Kette beißen nämlich die Hunde."

Ein paar Schrammen hat die Wirtschaftslage auch bei der Sulzer GmbH, einer IT-Unternehmensberatung, bei der überproportional viele Freelancer tätig sind, hinterlassen. Da Sulzer viel für Automotive-Zulieferer arbeitet, ist der Druck groß. Geschäftsführer Albert Euba: "Es ist zu befürchten, dass die mittlerweile bereits gesunkenen Honorarsätze auch künftig niedrig bleiben werden." Allerdings sieht er die Existenz der Freiberufler nicht gefährdet. Euba: "Gerade für einen kurzfristigen Auftrag, der noch dazu ohne Folgeauftrag bleibt, sind Externe nun einmal die beste Lösung." Der Geschäftsführer rät Freelancern, die in einer wirtschaftlich angeschlagenen Branche tätig sind, einen Blick über den Tellerrand zu wagen. "Heutzutage ist Flexibilität gefragter denn je."

Die Stundensätze fallen

Wie aber erleben Betroffene die Krise? Während die einen überhaupt keine Rückschläge hinnehmen mussten, haben andere das ganze Jahr über noch kein einziges Projekt erhalten. Oliver Knittel, IT-Freelancer in der Versicherungsbranche, räumt ein: "Bei mir ist die Krise angekommen." Zwei Jahre lang hatte er zu den gleichen Konditionen gearbeitet. Jetzt verhandelte der Auftraggeber neu. Die Folge: verschlechterte Rahmenbedingungen sowie Kürzung des Stundensatzes. Knittel: "Früher erhielt ich die Mehrarbeit vergütet, in Zukunft werden nur acht Stunden pro Tag bezahlt. Wenn ich länger arbeite, ist das sozusagen mein Privatvergnügen."

Oliver Knittel musste sich selbst als 'IT-Freiberufler des Jahres' mit einem niedrigeren Stundensatz zufriedengeben.
Foto: Oliver Knittel

Letztlich hatte der Versicherungsexperte noch Glück. Sein Projekt wurde im Gegensatz zu anderen im Unternehmen nicht gestoppt. Auch wenn Knittel noch keine schriftliche Zusage erhalten hat, signalisierte ihm das Versicherungsunternehmen, dass es auch im kommenden Jahr an einer Zusammenarbeit interessiert sei. Knittel blickt einigermaßen positiv in die Zukunft. Er glaubt, dass das Schlimmste schon vorbei ist. Der Freelancer: "Ich möchte in der jetzigen Situation nicht nach neuen Aufträgen suchen müssen. Das stelle ich mir schwierig vor."

Kettenverträge

Bei der Vermittlung eines freiberuflichen IT-Experten in ein Kundenprojekt entsteht immer dann ein Kettengeschäft, wenn zwischen dem Freiberufler und dem Kunden mehr als eine vermittelnde Person oder Gesellschaft, typischerweise eine Projektagentur, stehen. Je mehr "Vermittler" in diese Kette eingebunden sind, desto niedriger fällt der Stundensatz für den Freiberufler aus, da alle an der Kette beteiligten Personen oder Unternehmen ein Stück der Marge für sich beanspruchen, der Kunde aber nur bereit ist, einen marktkonformen Preis zu zahlen. Der Freiberufler sollte deshalb darauf achten, dass er nur einen einzigen Vertrag hat, und zwar mit der Projektagentur, die ihrerseits den Vertrag mit dem Endkunden abschließt beziehungsweise die Kundenbeziehung unterhält.

Business-Netzwerke
1. Lassen Sie sich von Kollegen empfehlen
Eine Empfehlung von Seiten Ihrer Kollegen und Geschäftspartner hebt nicht nur Ihre Stärken hervor sondern zeigt auch, dass Sie ein geschätzter Mitarbeiter sind. Als Führungskraft können Empfehlungen der Mitarbeiter zum Beispiel Ihre Führungsqualitäten unterstreichen. LinkedIn gibt Ihnen die Möglichkeit, ganz einfach andere Mitglieder in Form eines kurzen Texts auf dem Profil des jeweiligen Kontakts <b>weiterzuempfehlen</b>.
2. Schauen Sie nach, wo Menschen mit ähnlichen Qualifikationen arbeiten
Suchen Sie nach Unternehmen, die Personen mit ähnlichen Qualifikationen einstellen. Wenn Sie zum Beispiel ein Webentwickler in Hamburg sind, suchen Sie anhand der <b>Postleitzahlen und Stichwörter</b> (JavaScript, XHTML etc.) nach Personen mit LinkedIn Profilen in Ihrer Umgebung. Hieran können Sie sich orientieren und ein Gespür dafür entwickeln, welche Unternehmen ein Interesse an Personal haben, die Ihren Qualifikationen entsprechen.
3. Recherchieren Sie, wo die Angestellten eines Unternehmens vorher beschäftigt waren
Finden Sie heraus, wo Angestellte eines bestimmten Unternehmens vor ihrer jetzigen Stelle gearbeitet haben. Diese Informationen sind für Ihre Suche sehr hilfreich. Sie können so erfahren, auf welche Kriterien ein Unternehmen bei Neuanstellungen besonderen Wert legt. LinkedIn bietet hierfür eine <b>erweiterte Unternehmenssuche</b>. Auf den recherchierten Unternehmensprofilen können Sie den Werdegang der Angestellten nachverfolgen, bevor diese Ihre Arbeit bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber aufgenommen haben.<br /> Beispiel:<a target="_blank" href="http://www.linkedin.com/companies/1009/IBM?csrfToken=ajax%3A3353221444473669875">"Laufbahn von Mitarbeitern bei IBM vorher"</a>
4. Finden Sie heraus, wohin die Angestellten eines Unternehmens wechseln
Die LinkedIn Unternehmensprofile (<b>"Unternehmenssuche"</b>) geben Ihnen auch darüber Auskunft, für welchen Arbeitgeber die Angestellten als nächstes arbeiten, nachdem sie ein Unternehmen verlassen haben. Diese Informationen können Sie wiederum nutzen, um weitere potenzielle Arbeitgeber zu erschließen.<br /> Beispiel: <a target="_blank" href="http://www.linkedin.com/companies/1009/IBM?csrfToken=ajax%3A3353221444473669875">"Laufbahn von Mitarbeitern bei IBM nachher"</a>
5. Überprüfen Sie, ob ein Unternehmen momentan Arbeitskräfte einstellt
Unter der Rubrik <b>"Neue Mitarbeiter"</b> zeigen Ihnen die Unternehmensprofile auf LinkedIn Personen, die erst kürzlich eingestellt wurden. Mit diesen neuen Angestellten können Sie Kontakt aufnehmen und nach wertvollen Tipps fragen. Dazu können Sie den gesamten Werdegang einsehen und herausfinden, was sie für den Arbeitgeber so attraktiv gemacht hat.
6. Nehmen Sie Kontakt mit Personalentscheidern auf
Jobbörsen auf Online-Businessnetzwerken bieten Ihnen neue Kontaktmöglichkeiten. Achten Sie bei den Kontaktpersonen zu den ausgeschriebenen Stellen besonders auf diejenigen Kontakte, die nicht mehr als zwei Beziehungen von Ihnen entfernt sind. Ideal wäre, wenn Sie jemanden kennen, der diejenige Person kennt, welche das Jobangebot aufgegeben hat. Tipp: Weniger als <b>zwei Personen</b> sollten Sie bei einer direkten Ansprache nicht von dem zuständigen Personalleiter trennen. Weitere Unternehmen, zu denen Sie über Kontakte verfügen, finden Sie unter "Unternehmen in Ihrem Netzwerk" auf Ihrem LinkedIn <b>Stellenmarkt</b>.
7. Knüpfen Sie Kontakte mit dem richtigen Ansprechpartner für Personalfragen
Der beste Weg, um mit dem Personalleiter in Kontakt zu treten, führt über eine Person, die ihm <b>persönlich bekannt</b> ist. Verfügen Sie nicht über einen solchen Kontakt, können Sie LinkedIn dazu nutzen, jemanden innerhalb des Unternehmens zu finden, der für Sie den Kontakt herstellt. Erhält der Personalverantwortliche Ihre Bewerbung von einem seiner Kollegen, dann wird sie weitgehend auch beachtet.
8. Lüften Sie geheime Qualifikationsanforderungen
Stellenanzeigen sagen nicht immer alles darüber aus, welche Qualifikationen der Personalverantwortliche für eine bestimmte Stelle tatsächlich sucht. Versuchen Sie über <b>Kontakte innerhalb des Unternehmens</b> einen Einblick darüber zu erhalten, was wirklich für diesen Job zählt. Über LinkedIn können Sie mit Hilfe der <b>Unternehmenssuche</b> herausfinden, welche Beziehungen Sie innnerhalb Ihres Netzwerks mit dem Unternehmen verknüpfen. Fehlen Ihnen diese Kontakte, dann sehen Sie sich die Profile derjenigen an, die in diesem Unternehmen arbeiten und ziehen Sie hieraus Schlüsse, welche Qualifikationen besonders gefragt sind.
9. Steigen Sie bei Startups ein
Wenn Sie bei großen Unternehmen keinen Erfolg haben, ist es möglicherweise an der Zeit, es mit einem Startup zu probieren. Netzwerke wie LinkedIn erlauben eine <b>erweiterte Suche</b>, bei der Sie "Startup" als Stichwort eingeben können. Sie können die Suche im Weiteren auf bestimmte Branchen (Web 2.0, Biotechnologie, etc.) und Standorte einschränken.
10. Bauen Sie sich Ihr Netzwerk auf, bevor Sie es tatsächlich brauchen
Ein letzter Tipp: Abgesehen von der wirtschaftlichen Lage und dem Verlauf Ihrer Karriere stellt ein starkes Netzwerk immer eine gute Basis für die Sicherheit Ihres Jobs dar. Warten Sie mit dem Aufbau Ihres Netzwerks deshalb nicht, bis die Zeiten sich zum Schlechten wenden. Der Schlüssel zu erfolgreicher Netzwerkarbeit ist nicht die Antwort auf die Frage, wen Sie kennen, sondern vielmehr <b>wer kennt Sie</b>. Und weiterhin gilt: Verschwenden Sie keine Zeit damit, sich zu fragen, was bestimmte Personen für Sie tun können, sondern bedenken Sie immer, was Sie für Ihre Kontakte leisten können.