Hohe Anforderungen

IT-Berater als Alleskönner?

11.10.2010 von Yasmine Limberger
In Stellenanzeigen versammeln sich unter dem Begriff IT-Berater die verschiedensten Qualifikationen. Zu viele für einen einzelnen Bewerber?
(Foto: Fotolia.com/schmetfad)
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Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren signifikant verändert. Immer mehr Kommunikationswege wie E-Mail, Instant Messenger, Web-Konferenzen und soziale Medien erhöhen Erreichbarkeit und Arbeitstempo, ermöglichen eine virtuelle Projektkultur - und erfordern eine hohe Aufmerksamkeit, um alle Informationen zu erfassen und zu strukturieren. Berater, die in der Regel beim Kunden vor Ort arbeiten, müssen auf unterschiedliche Arbeitsumgebungen und Anforderungen eingehen und sich technisch wie in der Zusammenarbeit mit dem Kunden entsprechend organisieren können.

Herausforderung Multitasking

Viele IT-Berater arbeiten zum Teil zeitgleich in mehreren Projekten. Um beim jeweiligen Kunden professionell aufzutreten, muss der Berater die umfangreichen Projektdokumente, Spezifikationen, Qualitäts-Management-Pläne oder Protokolle in einem Ablagesystem verfügbar halten, zu dem alle Projektbeteiligten Zugang haben. Erfahrung mit Projekt-Management-Tools, Content-Management- und Kollaborationssystemen zur Unterstützung der internen Prozesse ist daher eine Grundanforderung an einen IT-Berater - neben seinen technischen Spezialgebieten.

Beratungshäuser achten heute verstärkt auf kommunikative und soziale Fähigkeiten. Volle Aufmerksamkeit gegenüber dem Kunden und eine sensible Hartnäckigkeit, um die Anforderungen in der Analysephase bis ins Detail aufnehmen und dokumentieren zu können, gehören ebenso dazu wie die Eigenschaft, negative Haltungen erkennen und umwandeln zu können sowie Nicht-Gesagtes zu hören und zu hinterfragen.

Management-Wechsel, Firmenübernahmen, Umstrukturierungen und Schwankungen in der Konjunktur, damit verbundene politische Machtspielchen und Budgetkürzungen beim Kunden: Die Gründe für eine Projektverzögerung sind vielfältig. Deshalb erfordert der Projektalltag Geduld, Loyalität, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz. Möglicherweise wird das Projekt auch gestoppt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgesetzt, nun mit einem anderen Projektleiter und anderen Teamkollegen. Auch darauf muss sich der IT-Berater einstellen können, um die Projektarbeit nahtlos fortzusetzen und erfolgreich abzuschließen.

Pragmatiker statt Theoretiker


Da sich immer neue Techniktrends und Architekturmodelle durchsetzen, müssen sich IT-Berater stetig weiterbilden. Leidenschaft für Technologie ist daher ein weiterer Aspekt, um als IT-Berater zu überzeugen. Auch die Geschäftsabläufe verändern sich. Hierbei helfen betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Prozessdenken, um den Zusammenhang zwischen Geschäftsprozessen und Informations- und Kommunikationstechniken zu erkennen und die technische Lösung entsprechend zu entwerfen und umzusetzen.

Für die technische Implementierung komplexer Architekturen mit ihren Schnittstellen werden von einem IT-Berater neben Praxiserfahrung auch Umsetzungskompetenz und Pragmatismus verlangt. Ein IT-Berater muss es auch selbst machen können! Schließlich soll beim Auftraggeber nicht der Eindruck entstehen, der Berater sei ein teuer bezahlter Beobachter, der nur Anweisungen gibt.

Auch wenn es einem Berufseinsteiger bei seinem ersten Kundenprojekt vielleicht noch nicht transparent wird: Jeder IT-Berater trägt im Projekt ein hohes Maß an Verantwortung. Denn Projekterfolge resultieren immer aus der Zusammenarbeit im Team, innerhalb dessen jedes Projektmitglied seine Aufgabe zu erfüllen hat. Nur die regelmäßige Abstimmung mit den Kollegen macht es möglich, rechtzeitig auf sich ändernde Rahmenbedingungen eingehen und an den Meilensteinen gegensteuern zu können. Teamfähigkeit und die Bereitschaft, vom ersten Tag an Verantwortung zu übernehmen, gehören deshalb zwingend zu den Erfolgsfaktoren eines Beraters.

Wirtschaftsinformatiker bevorzugt

Welche Ausbildung qualifiziert einen Bewerber zum IT-Berater? Beste Chancen haben Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsinformatik, Informatik oder anderer Ingenieurwissenschaften. Aber auch eine mit gutem Ergebnis abgeschlossene technische Ausbildung, etwa zum Fachinformatiker, bildet eine gute Basis für den Jobeinstieg.

IT-Beratung ist kein Job mit starrem Korsett. Agilität, Multitasking-Fähigkeit und Reisebereitschaft sind weitere Erfolgskriterien: Wer erwartet, jeden Abend zur selben Zeit zuhause zu sein, oder regelmäßige Termine in einem lokalen Verein wahrnehmen möchte, ist in der Beratung falsch aufgehoben! Die Beratungshäuser locken mit guten Einstiegsgehältern und abwechslungsreichen Tätigkeiten in unterschiedlichen Branchen. Der Preis dafür ist eine Einschränkung der Freizeitgewohnheiten, weshalb vor dem Einstieg in die Beratung auch Familie und Freunde in die berufliche Entscheidung einbezogen werden sollten. Umfangreiche Work-Life-Balance-Modelle der Beratungsunternehmen zeigen zwar, dass Beratung und Familie sich durchaus vereinbaren lassen - es ist jedoch erforderlich, dass die Familie Verständnis zeigt und mit der Reisetätigkeit zurechtkommt.

Traineeprogramm oder Direkteinstieg?

Große Beratungshäuser bieten oft den Vorteil eines strukturierten Karrieremodells mit klar definierten Trainingsplänen und regelmäßigen, leistungsabhängigen Beförderungsschritten.

Der Einstieg in die Beraterkarriere kann verschieden sein: Absolventen beginnen zunächst meist als Trainee. Diese Phase der strukturierten Einarbeitung bereitet einen Berater auf die Anforderungen im Projektalltag vor - vorausgesetzt, das Trainee-Programm unterliegt einem klaren Ausbildungsplan, der die wichtigsten Aspekte beinhaltet und von einem erfahrenen Kollegen oder Coach begleitet wird. Für Hochschulabgänger, die während des Studiums schon ein Praktikum oder ihre Diplomarbeit in einem Beratungsunternehmen gemacht haben, ist durchaus auch der Direkteinstieg zu empfehlen.

Einsteiger werden zunächst auf diversen Projekten eingesetzt, um unterschiedliche Branchen und Technologie-Umgebungen kennenzulernen. Eine tiefere Spezialisierung erfolgt dann meist nach den ersten zwei Jahren. Begleitet werden die jungen Berater während dieser Zeit durch einen Mentor, der gemeinsam mit dem Mitarbeiter die Zielrichtung festlegt und einen entsprechenden Trainingsplan aufsetzt.

Nächster Schritt: Projekt-Manager

Viele IT-Berater entwickeln sich mit den Jahren zum Projekt-Manager, der neben der technischen Verantwortung auch das Qualitäts-Mangement überwacht und die Projektkoordination übernimmt. Bei größeren Beratungsunternehmen gibt es zudem den Programm-Manager, der ein ganzes Portfolio an Kundenprojekten oder aber ein Großprojekt mit einzelnen Teilprojekten verantwortet. Der Programm-Manager besitzt zwar ein solides technisches Know-how und langjährige Erfahrung in der Umsetzung technischer Projekte, er ist in der Regel jedoch nicht mehr an der Entwicklung und Implementierung direkt beteiligt.

Neben der Weiterentwicklung zum Projekt-Manager gibt es zudem die Möglichkeit, die Fachlaufbahn einzuschlagen und als technischer Experte und Architekt für Speziallösungen in Kundenprojekten zum Einsatz zu kommen. Mit steigender Erfahrung werden IT-Berater häufig auch verstärkt in Pre-Sales-Aktivitäten eingebunden und bekommen als Teamlead Personalverantwortung für ein Team von Spezialisten und Einsteigern übertragen.

In international tätigen Beratungsunternehmen besteht für Mitarbeiter oft die Chance, entweder auf internationalen Projekten tätig zu werden oder an einen anderen Standort im Ausland zu wechseln. Kenntnisse in der Landessprache, vor allem aber sichere Englischkenntnisse, sind in diesen Unternehmen Voraussetzung.