IT 2034: winzig, aber nützlich

12.11.2004 von Richard H.
Drei Visionen treiben die Forschung bei Hewlett-Packard: IT als Dienstleistung, allgegenwärtiges Personal-Computing und Nanotechnologie.

Hätte die computerwoche im Jahr 1974 die Welt im Jahr 2004 beschreiben sollen, wäre dies wohl eine äußerst schwierige Aufgabe gewesen. Vor 30 Jahren gab es noch keine Personal-Computer, kein Internet, kein Web und keine Mobiltelefone. Damals war die 8-Zoll-Diskette die neueste Entwicklung in der Speichertechnologie. Im Jahr 1974 stellte Intel den 8080-Mikroprozessor vor, der mit einer Taktfrequenz von 2 Megahertz arbeitete. Selbst für HP war es intern nur schwer vorstellbar, dass wir zu einem führenden Technologieunternehmen im Bereich Computer- und Drucksysteme werden.

HP überraschte sich selbst

Vor 30 Jahren entwickelten wir in erster Linie Test- und Messsysteme und brachten beispielsweise im Jahr 1972 den weltweit ersten wissenschaftlichen Handheld-Computer auf den Markt. Im gleichen Jahr erschlossen wir mit dem "HP 3000" das Business-Computing. Dies war unser erster universell einsetzbarer Computer, der die Ära der verteilten Datenverarbeitung einleitete. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch nicht in den Bereichen der PC-Business- oder Thermo-Inkjet-Drucksysteme vertreten, mit denen wir später das Home- und Office-Printing revolutionierten.

Vorherzusagen, wie die Welt in 30 Jahren aussehen wird, ist heute genauso schwierig wie damals. Aber ich bin sicher, dass große Veränderungen auf uns warten. Ich sehe diese vor allem in drei Gebieten: IT als Dienstleistung, allgegenwärtiges Personal-Computing und Nanotechnologie. So arbeiten wir heute in den HP-Labors daran, "die Wirtschaftlichkeit der IT neu zu erfinden". HPs "Adaptive Enterprise" und andere aktuelle Technologien für Utility-Computing versprechen Geschäftskunden mehr Flexibilität und eine bessere Auslastung ihrer IT-Ressourcen. Der Kunde möchte künftig je nach Bedarf seiner Konfiguration Anwendungen hinzufügen oder entfernen können - und das innerhalb von Tagen oder gar Stunden und nicht erst in Wochen oder Monaten. Und dabei muss die IT absolut sicher und zuverlässig sein.

Zahlreiche Unternehmen nutzen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, den Betrieb ihrer IT-Systeme an Dienstleister auszulagern, um sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen aus der Konsumgüter-, Finanz-, Pharma- oder einer anderen Industrie stammt. Wir denken, dass sich dieser Trend fortsetzt und eines Tages die IT als echte Dienstleistung genutzt wird, wie Stromversorgung oder Telefon.

Einer unserer leitenden Wissenschaftler in den HP-Labors, Bernardo Huberman, und sein Team arbeiten zurzeit an Lösungen zur zuverlässigen Messung der Nutzung von Computersystemen - vergleichbar mit der Messung von Elektrizität in Kilowattstunden. Wir studieren dazu Markt- und Auktionsmechanismen, um festzustellen, wie Anwender mit Ressourcen handeln- intern oder in Zusammenarbeit mit anderen Firmen.

Rechenleistung zu jeder Zeit

Die IT-Dienstleistungen werden weltweit miteinander verbunden sein. Auf Rechenzentren, die in Europa in den Abend- und Nachtstunden weniger genutzt werden, kann dann, bedingt durch die Zeitverschiebung, während der normalen Arbeitszeiten aus den USA von dortigen Unternehmen zugegriffen werden. Geht der Arbeitstag in den USA zu Ende, können die dort angesiedelten Rechenzentren im asiatischen Raum eingesetzt werden usw. Begleitend wird es Services geben, die Unternehmen bei der Berechnung und Konfiguration der benötigten Ressourcen und Anwendungen unterstützen. In den HP-Labors entstehen bereits solche Lösungen. Wir untersuchen zudem Möglichkeiten, IT-Systeme immer sicherer zu machen. In 30 Jahren werden wir wohl die ersten praktischen Einsätze der Quantenkryptografie erleben, die fast vollständig sicherstellen kann, dass Informationen nur denjenigen zur Verfügung stehen, die über die entsprechende Berechtigung verfügen.

Wir bei HP sagen, dass alles, was kommen wird, digital, mobil, virtuell und persönlich sein wird. Schon heute gibt es schon zahlreiche Beweise für diesen zweiten Trend, das allgegenwärtige Computing. Denken Sie nur an Mobiltelefone, PDAs, drahtlose Verbindungen und das Internet. Diese Entwicklung wird anhalten und vieles, was heute wie Science-Fiction klingt, Realität werden lassen. Dinge und auch Menschen werden "intelligenter" - und werden im Zweifel beide ihre eigene Website haben.

Hoffnungsträger RFID

Ein Produkt wird dann beispielsweise Informationen darüber enthalten, wie und wo es gefertigt wurde, und möglicherweise sogar seinen Werdegang von der Fabrik bis zum Geschäft aufzeigen können. Vielleicht können Kunden sogar in dem Moment, in dem sie das Produkt kaufen wollen, auf die Meinungen von anderen zugreifen und später eigene Kommentare zu diesem Produkt hinzufügen. Die Technologie, die diese Entwicklung ermöglicht, ist Radio Frequency Identification (RFID).

Eine solche Umgebung verheißt große Vorteile beispielsweise für die Gesundheitsfürsorge durch den orts- und zeitunabhängigen sowie sicheren Zugriff auf alle wichtigen Informationen oder die Inanspruchnahme von Serviceleistungen, die individuell an die Anforderungen der Nutzer angepasst sind. Im Multimediabereich, wo Nutzer ihre persönlichen Musik-, Video- und Fotosammlungen zusammenstellen und von verscheidensten Geräte auf ihre digitalen Inhalte zugreifen kann, ist dieser Trend bereits sichtbar. Einen anderen Aspekt untersucht derzeit einer unserer Forscher unter der Bezeichnung "Every Day Personal Computing". Ziel ist es, dass jeder Benutzer seine persönlichen Aktivitäten sowie die Position seiner wichtigsten persönlichen Gegenstände, wie Aktentasche, Mobiltelefon, Laptop oder gar Sonnenbrille oder Schlüssel, während des Tages verfolgen kann.

Digitaler Privatsekretär

Wenn er zum Beispiel einen Raum verlässt und eines dieser Objekte vergisst, wird ihn das persönliche Gerät, das er beispielsweise als Pin an seinem Hemd oder an seiner Uhr trägt, darauf hinweisen, dass etwas fehlt. Das Gerät protokolliert hierzu seinen Tagesverlauf lückenlos - wo er war, wen er getroffen hat, was er getan hat. Und niemand außer dem Benutzer hat Zugriff auf diese Informationen. Uns ist natürlich bewusst, wie wichtig der Datenschutz ist. Eine Kombination aus gesellschaftlicher Verantwortung und technologischen Sicherheitsrichtlinien sollte einen umfassenden Datenschutz sicherstellen. Ohne diese Vorgaben wird sich kein System jemals durchsetzen.

Ein sinnvolles allgegenwärtiges Personalcomputing hängt aber nicht nur von drahtlosen Verbindungen und verschiedenen Geräten ab, sondern auch von fortschrittlichen Netzwerken - wenn möglich Breitbandnetzwerken der dritten und vierten Generation. Diese Netzwerke sollen ein konsistent hohes Serviceniveau sicherstellen und Informationen in einer Weise darstellen, dass sie sowohl dem Einzelnen als auch dem Content Provider Vorteile bringen. Dies sind wohl die größten technischen Herausforderungen, die HP und andere Unternehmen heute angehen.

Schaltbare Moleküle

Bei der Nanotechnologie, als dritte wichtige Veränderung, erwarten wir, dass die Wissenschaft auf diesem Feld bis zum Jahr 2034 signifikante Fortschritte machen wird und winzig kleine Geräte zu einem wichtigen Bestandteil unserer IT-Umgebung werden. Motivation für die Forschungen auf diesem Gebiet ist das fundamentale Problem in der Chip-Entwicklung, dass sich das Moore’sche Gesetz auf Kollisionskurs mit den Gesetzen der Physik befindet und heutige Siliziumtechnologie vielleicht schon in einem Jahrzehnt an ihre Grenzen stoßen wird. Viele Forscher suchen daher nach Lösungen, um diese Grenzen zu überwinden. Bei HP beschäftigen wir uns beispielsweise mit einfachen Halbleiter-Chips, die aus einer Schicht elektrisch schaltbarer Moleküle bestehen, die zwischen zwei sich kreuzende Gitter aus Drähten in Nanogröße eingebettet sind.

Jede Stelle auf dem Chip, an der sich die Drähte kreuzen und Moleküle einschließen, hätte das Potenzial für ein Bit an Informationen. Chips würden ihre Funktionalität durch das elektronische Laden ihrer Architektur erhalten. Die mechanische Präzision, die heute als größter Kostenfaktor bei der Fertigung und letztendlich auch als Wachstumshemmer gilt, würde dann unwichtig werden. Solche Chips könnten kostengünstig von der chemischen Industrie gefertigt werden und müssten auch nicht absolut perfekt wie konventionelle CMOS-Chips sein, da ihre Funktionalität erst herunter geladen wird. Entwickler könnten zudem defekte Drähte ganz einfach über eine Umleitung umgehen.

Entsprechende Geräte mit Nanotechnik werden unglaublich winzig sein. In den HP-Labors wurde zum Beispiel ein Prototyp eines 64-Bit-Speichers gefertigt, der nur etwa ein Qudratmikron groß ist (Ein Mikron entspricht einem tausendsten Millimeter). 1000 dieser Speicherprototypen würden also auf die Spitze eines menschlichen Haares passen. Es ist heute noch fast unmöglich, die vielfältigen Auswirkungen vorherzusagen, die dieses Leistungspotenzial auf die Lebensqualität haben wird. Mit der IT, wie wir sie kennen, könnten wir dann sprichwörtlich unsere Wände tapezieren. Wir werfen einfach eine Hand voll winzig kleiner Computer in Molekülgröße in einen Farbeimer und überstreichen damit die Tapeten. Oder stellen Sie sich Folgendes vor: Diese Mikrocomputer werden in Hemdenstoff eingewebt, so dass Sie über natürliche Sprache mit den Computern kommunizieren könnten.

Die Welt voller kleinster Geräte

Unzählige neue Geräte könnten auf den Markt kommen. Die Molekularelektronik wird aller Voraussicht nach elementarer Bestandteil moderner Messsysteme sein. Zumindest wird die Nanotechnologie dazu beitragen, die konventionellen Siliziumschaltkreise über ein kombiniertes Gebilde zu optimieren, bei dem Silizium die Basis, das "Motherboard", für die Geräte in Molekülgröße darstellen wird. Der leitende HP-Wissenschaftler Stan Williams, in dessen Quantum-Science-Research-Labor diese Forschungsarbeiten laufen, erklärte dazu, dass sich die IT-Effizienz bei den heutigen Handheld-Geräten im Vergleich zum ENIAC-Computer aus den 50er-Jahren um den Faktor eine Milliarde verbessert hat. Zudem deute die Grundlagenphysik darauf hin, dass dieser Effizienzfaktor um eine weitere Milliarde erhöht werden kann. "Dadurch würde die Rechenleistung aller heutigen Computersysteme praktisch in Ihre Handfläche passen", sagt Stan Williams. "Für mich heißt das, dass das Zeitalter der IT noch gar nicht richtig begonnen hat."

Wie ich bereits zu Beginn erwähnte, ist es sehr gewagt, die kommenden 30 Jahre zu prognostizieren. Es ist möglich, dass unvorhergesehene Entwicklungen aktuelle Prognosen radikal verändern können. Es erscheint jedoch für den Bereich Entwicklung und Forschung sinnvoll, die Wege zu verfolgen, die am viel versprechendsten sind. Aus diesem Grund setzt man in den HP-Labors auf die Vision der IT als Dienstleistung, auf den Trend, dass alles, was kommen wird, digital, mobil, virtuell und persönlich sein wird, und auf die praktische Umsetzung von Technologien wie Molekularelektronik. Wie sagte schon unser leitender HP-Wissenschaftler und PC-Pionier Alan Kay: "Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden."