Cloud-Umstieg mit Tücken

Ist SAPs HR-Cloud bereit für Ihre Organisationsdaten?

12.07.2018 von Michael Scheffler  
Organisationsmanagement oder Position Management? Der Umstieg von der SAP ERP HCM Suite auf SAP SuccessFactors will gut durchdacht sein – der Vergleich am Beispiel von Organisationsdaten zeigt, worauf es beim Wechsel in die Cloud ankommt.

Die Human Capital Management Suite der SAP geht in die Verlängerung: Eine neue On-Premise-Version des Personalwirtschaftsklassikers soll auf Basis von SAP S/4HANA mindestens bis 2030 unterstützt werden. An SAPs Ziel, HR-Prozesse künftig in die Cloud zu verlagern, ändert das zwar grundsätzlich nichts, aber Anwenderunternehmen haben nun den nötigen Vorlauf, ihren Umstieg zu planen - denn der ist für viele nicht trivial.

Der Umgang mit dem Human Capital Management erfordert viel Fingerspitzengefühl.
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Vor allem die HR-Core-Funktionen bereiten vielen Firmen Kopfzerbrechen. Während SAP SuccessFactors oft als Ergänzung für Talentmanagement-Lösungen gesehen und genutzt wird, geht es bei den Kernfunktionen um einen (schrittweisen) Systemwechsel. Dieser Umstieg greift tief ins Gefüge und in die Grundstrukturen der HR-Prozesse, welche oftmals über Jahre gewachsen sind. Das betrifft insbesondere die im SAP HCM verankerten, personalwirtschaftlichen Stammdaten - und somit auch die Organisationsdaten beziehungsweise das "Organigramm" des Unternehmens. Dessen Strukturen lassen sich nicht einfach eins zu eins in die Datenwolke übertragen, denn die Cloud-Lösung unterscheidet sich sowohl im grundlegenen Ansatz als auch im Datenmodell erheblich von der On-Premise-Lösung.

Organisationsmanagement - der klassische Ansatz

Als Modul der SAP ERP HCM Suite bildet das Organisationsmanagement (OM) die hierarchischen Strukturen des Unternehmens detailliert in Form der sogenannten Aufbauorganisation ab. Das objektorientierte Datenmodell arbeitet dabei mit mehreren Strukturierungselementen - den sogenannten Objekttypen - wie etwa Organisationseinheiten, Planstellen und Personen. Darüber hinaus existieren diverse weitere Objekttypen im SAP Standard und lassen sich bei Bedarf kundenspezifisch frei definieren. Damit lassen sich disziplinarische Hierarchien über beliebig viele Ebenen darstellen.

Die funktionale Beschreibung der Organisation erfolgt über die Stellen- beziehungsweise Jobarchitektur. Hierbei wird der Objekttyp Stelle, welcher quasi als "Jobbeschreibung" dient, im Verhältnis 1:n den jeweiligen Planstellen zugeordnet. Die Objekttypen Jobfamilie und Funktionsbereich strukturieren entsprechend den Stellenkatalog - also die Gesamtmenge aller Stellen. Weitere Attribute beziehungsweise Infotypen komplettieren die im SAP OM abgebildeten Strukturen und reichern diese um relevante Daten an, zum Beispiel im Hinblick auf wie Vorschlagswerte für die Personaladministration, Kontierungsinformationen, usw. Auf diesem Wege werden neben Auswertungen auf Basis der Aufbauorganisation, zum Beispiel FTE- und Headcount-Reporting, funktionale Fragestellungen möglich wie etwa: "In welchen Abteilungen weicht die Soll- von der Ist-Bezahlung ab?" Oder: "In welchen Unternehmensbereichen sind die für die Organisation wichtigen Schlüsselpositionen angesiedelt?"

Aufbauorganisation / Stellen- bzw. Jobarchitektur
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Darüber hinaus lassen sich komplexe Anforderungen im Berechtigungswesen mittels struktureller und/oder kontextbezogener Berechtigungen realisieren, so dass zum Beispiel eine Führungskraft im Rahmen von SAP Manager Self-Services (MSS) beispielsweise nur auf ihren individuellen Verantwortungsbereich zugreifen kann. Ferner dient das SAP OM als Grundlage für (automatisierte) Workflows wie beispielsweise Genehmigungsprozesse, zum Beispiel Urlaubsantrag, Zeitbuchungskorrektur, etc. Weitere Integrationsaspekte innerhalb des SAP Human Capital Managements und darüber hinaus sind im SAP OM Standard gegeben.

Anforderungsprofil (Soll) vs. Mitarbeiterqualifikationen (Ist)
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Als ein Beispiel sei an dieser Stelle das Qualifikations- beziehungsweise Kompetenzmanagement genannt. Hierzu werden Anforderungsprofile (Soll) entlang der Stellen- beziehungsweise Jobarchitektur und ergänzend auf Planstellenebene im SAP System verankert: zum Beispiel Muss-Anforderung: Fremdsprachenkenntnis "Spanisch" in der Ausprägung "Verhandlungssicher". Auf Mitarbeiterebene wird das Ist-Profil an vorhandenen Qualifikationen hinterlegt, zum Beispiel Fremdsprachenkenntnis "Spanisch" in der Ausprägung "Grundkenntnisse". Diese so im System erhobenen Informationen erlauben anschließend Soll/Ist-Vergleiche und analytische Fragestellungen beispielsweise im Rahmen einer strategischen Personalplanung. Aber auch operative Auswertungen hinsichtlich des Weiterbildungsbedarfs werden somit möglich.

Wenn der Talentmanagement-Gedanke die Kernfunktion prägt

Das SAP SuccessFactors Modul Employee Central (EC) umfasst die verschiedenen Core HR-Themen wie Mitarbeiterstammdaten, Zeitwirtschaft, Abrechnung, ESS/MSS Funktionalitäten und schließlich das Position Management, also das Organisationsmanagement aus der Cloud.

Auch bei der Ausgestaltung der Kernfunktionen bleibt SuccessFactors seinem Ansatz treu: Es geht primär um die Unterstützung von strategischem HR und Talentmanagement, weniger um die Abbildung bestehender Hierarchien. Das Position Management ist in erster Linie ein Arbeitsmittel, um Vakanzen zu erkennen, Talente zu entwickeln und die Nachfolge zu planen. Der wesentliche Aspekt dreht sich dabei um die Frage: Welche Kompetenzen, welche Positionen werden für das Geschäftsmodell gebraucht - jetzt und in Zukunft?

Die eigentliche Aufbauorganisation lässt sich, anders als bei der On-Premise Variante, auch ohne Position Management in SuccessFactors abbilden. Die vorgegebene Gliederung umfasst hierbei drei Ebenen:

  1. Unternehmenseinheit,

  2. Geschäftsbereich und Abteilung sowie

  3. die Zuordnung zu Standort und Kostenstelle.

Das On-Premise Organisationsmanagement ist daher nicht ausschließlich mit Position Management gleichzusetzen, sondern eine Mischung aus Abbildung der Organisationsstruktur, sowie dem Position Management, welches der strukturierten Planung der notwendigen Personalressourcen dient und bei der Förderung von Talenten und deren Entwicklung in wichtige Schlüsselpositionen unterstützt. Mit Hilfe des sogenannten "Job Profile Builders" lassen sich Stellenprofile mit den benötigten Qualifikationen und Kompetenzen beschreiben. Über "JobCodes", die beispielsweise Informationen zur Stellenbezeichnung, Stellenart, regelmäßiger Arbeitszeit oder Gehaltsrange enthalten können, werden Planstellen klassifiziert, mit den Stellenprofilen verknüpft und bilden so die Basis für Ausschreibungen im Personalbeschaffungs-Modul (Recruiting). Ferner werden diese in Entwicklungs- und Nachfolgeplänen und somit in den Talentmodulen Succession Management und Goals & Performance herangezogen.

Eine Neuerung gegenüber der SAP On-Premise Lösung findet sich auch im Bereich Berechtigungen. Basis für die Berechtigungsrolle bildet in der Cloud die Organisationsstruktur. Wechselt der Mitarbeiter die Planstelle, passen sich die Berechtigungen automatisch den neuen Attributen an. Die manuelle Verknüpfung der Person mit einer entsprechenden Berechtigungsrolle entfällt.

Funktionslücken bei Zeitwirtschaft und Abrechnung

Die Teilbereiche des Employee Central-Moduls Zeitwirtschaft und Abrechnung liefern jedoch noch keine vollumfassenden Funktionalitäten. So sind beispielsweise komplexe Zeitwirtschaftsberechnungen für Schichtarbeit derzeit noch nicht möglich. Die zuletzt geäußerte Kritik bezüglich der Funktionslücken im Employee Central Standard, vor allem auch durch die deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG), hat sicherlich stark dazu beigetragen, dass SAP den Support für die On-Premise Lösung bis 2030 verlängerte.

Nichts desto trotz führt der Weg in die Cloud. Und das heißt nicht nur für die Talentmanagement-Bereiche, sondern auch für die Core-Prozesse, denn eine ganzheitliche HR-Lösung braucht immer auch ein stabiles Fundament. Die folgende Gegenüberstellung von SAP Organisationsmanagement und SuccessFactors Position Management unter den Aspekten Flexibilität, Integration, Visualisierung und Benutzerfreundlichkeit soll deren Vor- und Nachteile verdeutlichen.

Organisationsstruktur Employee Central
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Flexibilität und spezifische Ausgestaltung

Flexibilität ist ein Vorzug des Organisationsmanagements. Die Vielzahl der gegebenen und frei definierbaren Objekttypen erlaubt es, jede noch so komplexe und spezifische Aufbauorganisation über beliebig viele Hierarchiestufen abzubilden. Da sich diese Struktur aufgrund der unterschiedlichen Datenmodelle nicht einfach 1:1 in die Cloud-Welt übertragen lässt, macht es für Unternehmen mit komplizierten, gewachsenen Strukturen nicht gerade einfacher.

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Für Unternehmen mit flachen Hierarchien dagegen ist die vorgegebene dreistufige Struktur in SuccessFactors gerade richtig. Die Reduzierung ist zudem gewollt. Simplifizierung und Agilität der HR-Kernprozesse steigert die Effizienz, lautet das Credo. Mehr Zeit für strategische Entscheidungen, so stets der Grundsatz der SAP-Cloudlösung für HR. Nicht jede Unternehmensstruktur lässt sich jedoch auf drei Ebenen begrenzen. Mit Hilfe von sogenannten Parent/Child-Beziehungen kann die Struktur weiter differenziert werden, sodass auch eine mehrstufige Organisationsstruktur im Standard abbildbar ist. Zudem können über das MetaData Framework (MDF) zusätzliche Objekttypen bereitgestellt werden. Es bleibt jedoch dabei, komplexe Strukturen stets zu hinterfragen: Ist man mit dieser Struktur für die Zukunft richtig aufgestellt oder könnte man mit flacheren Hierarchien flexibler arbeiten?

Integration in andere Anwendungen

Die zweite Stärke der On-Premise Lösung liegt in ihrer hochgradigen Integration, nicht nur innerhalb des SAP HCM sondern in die komplette SAP Business Suite. Ob Logistik, Supplier Relationsship Management (SRM) oder Customer Relationship Management (CRM) - alle Softwaremodule können bei Bedarf auf die Hierarchien im SAP OM zurückgreifen. Hinzukommen Technologien wie etwa der SAP Business Workflow oder die strukturellen Berechtigungen.

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Position Management ist innerhalb der SAP SuccessFactors Suite vergleichbar tief integriert. Um allerdings bestimmte Funktionalitäten und Prozesse auf On-Premise-Ebene wie etwa in den non-HR-Bereichen der SAP Business Suite zu unterstützen, muss das Organisationsmanagement technisch gesehen auf Basis der Cloud Daten nachgebildet (repliziert) werden. Die nötigen Strukturen sind dann anhand von Schnittstellen zu generieren, womit sich allerdings der Implementierungs- und Wartungsaufwand spürbar erhöht. Es spielt also auch eine Rolle, welche und wie viele weitere SAP Module im Einsatz sind. Dafür lassen sich im Position Management aber auch Ressourcen außerhalb des Unternehmens mit einbinden: Externe Projektmitarbeiter sind im System durch die Integration mit SAP Fieldglass visualisierbar und planbar.

Visualisierung - keine Stärke im SAP-Standard

So präzise OM die hierarchische Struktur abbildet - die Visualisierung dieser Strukturen in Form von Organigrammen (OrgCharts) gehört nicht zu den Stärken des SAP Standards. Dazu braucht es zusätzliche Produkte von Drittanbietern. Ingentis etwa bietet hier mit dem org.manager eine Lösung, die neben der flexiblen Darstellung von OrgCharts ein "Visuelles Personalcontrolling", also die Darstellung von Kennzahlen entlang der Organisationsstruktur, ermöglicht. Auch eine grafische Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Reorganisationen wird von der Software abgedeckt.

Im Position Management dagegen ist eine professionelle Visualisierung out-of-the-Box im Standard verfügbar. Nichtsdestotrotz ist die Einbindung externer Lösungen von Drittanbietern aber auch hier möglich und dann sinnvoll, wenn umfassende Individualisierungsanforderungen bestehen. Im Falle vom org.manager wird dies anhand einer speziellen App, die im SAP App Center verfügbar ist, für SAP SuccessFactors realisiert.

Cloud punktet mit Benutzeroberfläche und Bedienbarkeit

Auch hier kann die Cloud punkten. SuccessFactors wurde nicht als Enterprise-Lösung für HR-Professionals konzipiert, sondern als eine "Consumer Cloud" und eignet sich somit auch für Gelegenheitsanwender wie Mitarbeiter und Manager. Nutzerfreundliche Oberflächen im SAP Fiori look-and-feel sind ebenso Bestandteil wie die Visualisierung von HR-Daten. Beispielsweise in Form von Dashboards auf der Startseite, die auf die individuelle Rolle (Manager, Recruiter, Business-Partner, usw.) zugeschnitten sind. Darüber hinaus stehen diverse Funktionen für mobile Endgeräte zur Verfügung. Mit einem Klick von unterwegs den Urlaub genehmigen oder ein schneller Blick aufs Organigramm - kein Problem.

DSAG HCM-Umfrage
Klassisches SAP-HCM
Fast alle SAP-HCM-Anwender setzen nach wie vor das klassische Softwaremodul ein.
Betriebsmodell On-Premise
Die meisten Anwender setzen beim Betrieb ihrer SAP-HCM-Lösung auf On-Premise beziehungsweise eine Kombination aus On-Premise und Cloud-Bestandteilen.
Funktionslücken
Vor allem funktionale Lücken lassen viele Anwender noch vor einem Umzug ihres SAP-HCM in die Cloud zurückschrecken.

Die Bedienung der On-Premise-Lösung hingegen obliegt speziell geschulten HR-Professionals und läuft in der Regel anhand der klassischen - also weniger ansprechenden - SAPGUI Benutzeroberfläche. Seit HR Renewal besteht die Möglichkeit für diese Anwender-Klientel, alternative Oberflächen auf Basis von Web Dynpro ABAP einzusetzen. Unternehmen, die davon bereits Gebrauch machen, haben diesbezüglich sicher weniger Druck, die Core-Funktionen auf Cloud-Nutzung umzustellen; andere werden diesen Sachverhalt bei Überlegungen einer System-Transformation abwägen.

Mögliche Wege in die Cloud

In welcher Form, in welchem Tempo Cloud-Anwendungen in der eigenen Personalarbeit genutzt werden, muss letztlich jedes Unternehmen für sich entscheiden. Aus technischer Sicht lassen sich fünf Bereitstellungsoptionen unterscheiden.

Bereitstellungsoptionen
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