Imageproblem

Ist die IT vielleicht doch besser als ihr Ruf?

16.04.2009 von Karin Quack
Was denken die Fachbereiche über die IT? Und wie sieht diese sich selbst? Das untersuchte die COMPUTERWOCHE in einer exklusiven Umfrage.

Die Anwendungen müssen einfach laufen. Basta! Dieser Aussage stimmen knapp 56 Prozent der IT-Nutzer, aber nur 36 Prozent der IT-Mitarbeiter zu. Der Unterschied zwischen den beiden Werten macht bereits klar: Die IT nimmt sich weit wichtiger, als es ihre internen Kunden tun.

Das ist nur ein Ergebnis der aktuellen COMPUTERWOCHE-Umfrage zum Thema Anwenderzufriedenheit. Insgesamt haben rund 300 Nutzer die Fragebögen vollständig ausgefüllt. Mehr als 70 Prozent davon arbeiten - zumeist in leitender Funktion - innerhalb einer IT-Abteilung. Unter den Teilnehmern aus den Nicht-IT-Bereichen sind Vorstände beziehungsweise Geschäftsführung überproportional vertreten; sie stellen etwa ein Viertel dieser Gruppe. Das ist insofern wichtig, als Topmanager in der IT-Abteilung zumeist einen VIP-Status genießen und bevorzugt bedient werden. Von den IT-Mitarbeitern gaben fast 56 Prozent an, sie seien Gesamt-IT-Leiter oder IT-Leiter.

In der Mehrzahl gerade noch zufrieden

So zufrieden sind die Fachabteilungen mit der IT.

Generell sind die Anwender aus den Fachabteilungen gar nicht mal unzufrieden mit ihrer IT. Allerdings äußerten sie auch wenig Begeisterung. 17 Prozent gaben an, sie seien weniger zufrieden oder sogar unzufrieden, wohingegen mehr als 30 Prozent offenbar "vollkommen" oder "sehr" zufrieden sind. Die überwiegende Mehrheit von 53 Prozent verlieh ihrer IT das Prädikat "zufrieden", was nach dem alten Schulnotensystem wohl einer 3 entspräche - eine Note also, nach der sich allenfalls schlechte Schüler sehnen.

Einverstanden sind die Anwender in aller Regel mit der IT-Ausstattung des Arbeitsplatzes, für die sie die Durchschnittsnote 2,5 vergaben. Mit 3,5 eine ganze Note schlechter schnitten hingegen die IT-Schulungen ab: 48 Prozent der befragten Nicht-IT-Mitarbeiter sind damit weniger zufrieden oder unzufrieden.

Vorstände urteilen milder

Damit steht die IT in der COMPUTERWOCHE-Umfrage insgesamt schlechter da als beispielsweise in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Wiesbadener Unternehmensberatung MC IT Solutions. Dort waren ausdrücklich nur Führungskräfte befragt worden - ohne allerdings die CIOs und IT-Leiter auszunehmen, weshalb ein guter Teil der etwa 1000 Antworten von den IT-Executives stammen könnte. Vielleicht erklärt das den exorbitant guten Wert von 63 Prozent, der auf die Schulnoten 1 oder 2 entfiel.

Topmanager halten die IT-Mitarbeiter für weniger kommunikativ und teamfähig als andere Belegschaftsmitglieder.
Foto: MC IT Solutions

Weniger gut als die technischen Fähigkeiten beurteilten die rund 1000 von MC IT Solutions befragten Führungskräfte die menschlichen Qualitäten der IT-Mitarbeiter. "Der IT-Fachmann hat ein Imageproblem", urteilt Manfred Niedner, geschäftsführender Gesellschafter des Wiesbadener Beratungshauses:

Immerhin können sich die ITler damit trösten, dass die Kollegen auf der Führungsebene ihnen in puncto Ergebnisorientierung mehr zutrauen als Mitarbeitern in anderen Unternehmensbereichen: 55 Prozent gaben an, die IT-Experten steuerten ihre Ziele direkter an als andere. Zudem gelten sie als jünger und besser ausgebildet.

So zufrieden ist das Topmanagement mit der IT.

Die relativ hohe Zufriedenheit der Management-Ebene bestätigte übrigens auch die COMPUTERWOCHE-Umfrage. Demnach sind die Vorstände und Geschäftsführer zu mehr als 88 Prozent der Ansicht, ihre Mitarbeiter müssten mit der Leistung der IT-Abteilung zufrieden (29 Prozent), sehr zufrieden (35 Prozent) oder sogar vollkommen zufrieden (24 Prozent) sein. Sie selbst gehen jedoch ein weniger härter mit der IT ins Gericht: 17 Prozent von ihnen sind persönlich nicht ganz zufrieden. Als Durchschnittsnote billigen sie der IT eine 2,4 zu.

Fachabteilungen fordern Kompetenz und Freundlichkeit

So glaubt die IT, dass sie beurteilt werden müsste.

Die ITler selbst beurteilen sich in der COMPUTEWOCHE-Umfrage besser, als es die Mehrzahl ihrer Kunden tut: Nur etwa neun Prozent der IT-Mitarbeiter können sich vorstellen, dass die Anwender nicht ganz zufrieden mit ihrer Leistung wären. 61 Prozent hoffen darauf, dass ihre internen Kunden nichts Gravierendes zu bemängeln haben, und knapp 30 Prozent sind sicher, dass sie die Anwender "sehr" oder "vollkommen" zufrieden stellen. (Siehe auch: "Jede erfolgreiche IT-Strategie beginnt mit einer Befragung".)

Um konkret zu erfahren, wie die internen Kunden die IT sehen, hat die COMPUTERWOCHE ihnen eine Liste von möglichen Statements vorgelegt, die sie im Zustimmungsfall ankreuzen konnten. Mehrfachnennungen waren möglich. Mehrheitlich, sprich: zu 58 Prozent, bestätigten die Mitarbeiter in den Fachabteilungen die Aussage: "Ich brauche in der IT-Abteilung kompetente und freundliche Ansprechpartner, die weiterhelfen können, wenn etwas nicht funktioniert." Die Vorstände finden diesen Aspekt sogar noch wichtiger; hier liegt die Zustimmungsquote bei 63 Prozent.

Auf Platz zwei rangiert für die Fachbereichsmitarbeiter (mit 56 Prozent der Nennungen): "Die Anwendungen müssen einfach laufen. Basta!" Diese doch sehr betriebsorientierte Sicht auf die IT teilen die IT-Experten erwartungsgemäß nicht. Für sie rangiert dieser Punkt unter ferner liefen - wie übrigens auch für die Vorstandsebene der Unternehmen.

Vorstände erwarten vom CIO Innovationsvorschläge

Die IT-Mitarbeiter und -Manager sind dagegen zu zwei Dritteln der Ansicht: "Die IT muss einen nachweisbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten." Dem pflichten die Anwender nur zu 50 Prozent, die Topmanager erstaunlicherweise nur zu 37 Prozent bei.

Deutlich mehr Kopfnicken aus der Vorstandsgruppe erntete die Forderung: "Der CIO sollte von sich aus Innovationsmöglichkeiten aufzeigen." 79 Prozent der Topmanager äußerten diese Ansicht. Und genau in diesem Punkt sehen die Vorstände und Geschäftsführer am meisten Nachholbedarf: Die Zufriedenheit liegt hier bei einem Durchschnittswert von 2,7 - dem schlechtesten in dieser Teilauswertung.

Eher reaktiv als konsequent proaktiv

Dass die IT den Fachabteilungen als nicht besonders innovativ gilt, bestätigt auch die Unternehmensberatung Compass. "Generell sieht die IT sich selbst wesentlich besser, als die Business-Seite sie wahrnimmt", so Jörg Hild, Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH, Wiesbaden. Befragungen im Rahmen von Kundenprojekten hätten in der Regel - auf einer Skala von eins (schlecht) bis vier (sehr gut) - eine Diskrepanz um einen Punkt ergeben. Ins Auge springe vor allem der Unterschied in der Beurteilung der Innovationsfähigkeit: Während die IT sich hier für gut (3) halte, stufe das Business sie eindeutig als schlecht (1) ein.

Allerdings könne der Mangel an Innovationen nicht allein der IT zur Last gelegt werden, räumt Hild ein. Es sei keineswegs gang und gäbe, dass die IT Einfluss auf Veränderungen der Organisation nehmen könne: "Die Fachabteilungen wollen die IT gern strategischer sehen, aber sie sind nicht immer bereit, die Konsequenzen zu tragen."

Wenig Eigenantrieb bescheinigt auch das Schweizer Beratungsunternehmen Boydak Management Consulting der IT. Es wertete die Fragebögen von 1200 Online-Nutzern der COMPUTERWOCHE aus und stellte fest, dass drei von vier Teilnehmern die IT für rein reaktiv - im Gegensatz zu "konsequent proaktiv" - halten. Laut einer ergänzenden Studie, an der 60 Großunternehmen teilnahmen, hält denn auch jeder zweite C-Level-Manager die IT-Ausgaben teilweise für hinausgeworfenes Geld.

Was die IT-Leistung heben könnte

Dass es in der IT Verbesserungsbedarf gibt, sehen laut COMPUTERWOCHE-Studie allerdings nur 60 Prozent der Topmanager. 22 Prozent räumten ein, dass die IT personell unterbesetzt sei und mehr Leute auch eine bessere Qualität liefern könnten. 17 Prozent schlugen vor, den Erfolg der IT-Vorhaben auch im Nachhinein zu überprüfen, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Die IT-Abteilungen empfinden den Personalmangel noch gravierender. Fast die Hälfte der leitenden IT-Mitarbeiter (48 Prozent) macht ihn für Qualitätsdefizite verantwortlich. Den Vorschlag, die Projektergebnisse nachträglich zu hinterfragen, begrüßten zwei Fünftel dieser Gruppe. Ein knappes Viertel (24 Prozent) hingegen sieht das Problem offenbar ganz woanders: "Wir brauchen weniger Tekkies und mehr Leute mit Business-Know-how in der IT." Und beinahe ebenso viele forderten mehr Investitionsbereitschaft von der Unternehmensspitze: "Wenn mehr in neue Technik investiert würde, käme am Ende auch mehr dabei heraus."

Kommentar: Falsche Prioritäten?

Kommentar

Falsche Prioritäten?

CW-Redakteurin Karin Quack
Foto: Jo Wendler

An erster Stelle stehen die IT-Kosten; hier sollten wir führend sein. Wie viele Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, denken Sie, würden diese Aussage unterschreiben? Alle? Falsch! Einer brandaktuellen, wenn auch nicht repräsentativen Umfrage der Computerwoche zufolge setzt das Topmanagement hinsichtlich seiner Anforderungen an die IT ganz andere Prioritäten. Vier von fünf der Befragten äußerten die Ansicht: "Der CIO sollte von sich aus Innovationsmöglichkeiten aufzeigen." Eine Kostenführerschaft ihrer IT-Abteilung hingegen fordert gerade einmal ein Viertel.

Nun wird in solchen Umfragen sicher gern geschwindelt. Auf der anderen Seite lief die Befragung völlig anonym ab. Welche Gründe sollten also die Teilnehmer haben, ihre Antworten zu schönen? Wo sie doch diese Gelegenheit nutzen könnten, um endlich einmal zu sagen, was ihnen wirklich unter den Nägeln brennt.

Womöglich sollten die CIOs derartige Meinungsäußerung ja durchaus ernst nehmen und sich klarmachen: Sparmaßnahmen werden zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber Respekt verschafft sich die IT nur, indem sie neue Wege aufzeigt - um den Anwendern die Arbeit zu erleichtern, um die Business-Prozesse zu verbessern und vor allem, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen.

Jetzt verdrehen vermutlich viele die Augen: Wissen wir schon, machen wir längst, erzähl doch mal was Neues! Wenn dem so ist, hinterlässt die Computerwoche-Umfrage allerdings ein dickes Fragezeichen: Die ebenfalls befragten leitenden IT-Mitarbeiter sind nämlich zu knapp 70 Prozent der Ansicht, sie würden vor allem nach den IT-Kosten beurteilt. Nur 44 Prozent können sich vorstellen, dass sie am nachweisbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg gemessen werden.

Sollten die IT-Leiter etwa die falschen Prioritäten setzen? Versäumen sie aus Furcht davor, die Erwartungen der Business-Seite zu enttäuschen, genau das, was ihnen deren Anerkennung einbrächte? Nein, da ist es doch viel wahrscheinlicher, dass die befragten Topmanager reine Lippenbekenntnisse abgegeben haben. Oder?