Viele Mitarbeiter wollen ein Tablet, aber welche brauchen es wirklich? Das sind vor allem diejenigen, die viel unterwegs sind, die im Kundengespräch und möglicherweise im Stehen schnell und einfach auf Daten und Applikationen zugreifen müssen. Und es sind diejenigen, die das Unternehmen nach außen repräsentieren. Deshalb finden sich die ersten Tablet-Implementierungen in den Unternehmen vor allem in Marketing und Vertrieb.
Bayer: Schon Tausende von iPads
Ein Pionier war hier der Pharmahersteller Bayer Health Care. Wie CIO Matthias Moritz berichtet, nutzt der Gesundheitskonzern bereits seit 2010 Apple iPads. Die Tablets kommen unter anderem für Business Analytics zum Einsatz, aber auch im direkten Kundenkontakt, beispielsweise zur Besuchsberichtsserfassung der Außendienst-Mitarbeiter. Weltweit seien rund 8.500 Geräte im Einsatz; ein "hoher zweistelliger Prozentsatz" der Marketiers und Vertriebler arbeite bereits damit. Die Gründe für die iPad-Nutzung seien die üblichen:
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Sie sind leicht zu tragen und zu nutzen.
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Sie haben eine lange Akku-Laufzeit.
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Und sie lassen sich - im Vergleich zu PCs und Laptops - unkompliziert supporten.
Stada: Anbindung an SAP
In eine ähnliche Richtung weisen die Aufgaben, die ein anderer Pharmakonzern dem iPad zugedacht hat: Bereitstellen tagesaktueller Informationen, Online-Produktpräsentationen vor Ort, Online-Auftragserfassung, so umschreibt Stada-CIO Angela Weißenberger die Anforderungen. Die Anbindung an die Backend-Software von SAP sorgt für einen durchgängigen Prozess.
Winterhalter: Display der Zukunft
Bei Winterhalter werden derzeit 80 iPads im internationalen Vertrieb genutzt. Dem Hersteller von gewerblichen Spülsystemen dienen die Tablets dazu, die Produktpräsentationen lebendiger und überzeugender zu gestalten. Zudem können die Außendienstler über das iPad fünf Winterhalter-Apps aufrufen, um beispielsweise eine Maschie zu konfigurieren oder dem Kunden mögliche Einsparpotenziale vorzurechnen.
Wie Marketing-Leiter Thomas Böhme berichtet, suchte Winterhalter urspünglich nach einem Display für Animationen, Daten und PDF-Dokumenten am Messestand. Dabei wurden unterschiedliche Optionen erwogen und verworfen - unter anderem auch digitale Bilderrahmen.
Schließlich entschied man sich für eine zukunftsträchtige Lösung. Im Oktober 2011 war die erste iPad-Applikation fertiggestellt; sie kombinierte den Produktkatalog mit dem Konfigurator und sollte den Verkäufern alle Informationen an die Hand geben, um im Dialog mit dem Kunden die passende Spülmaschine zu konfigurieren.
Lidl: Produktivere Verkaufsleiter
Ein anderes Einsatzgebiet für die Apple-Tablets hat die Discounter-Kette Lidl für sich entdeckt: Der Handelskonzern stattet seine Verkaufsleiter mit iPads aus, um ihnen administrative Arbeit zu sparen. Durch die Anbindung auf eine Business-Intelligence-Lösung von Microstrategy können die Markt-Manager ad hoc fundierte Entscheidungen für die Produktplatzierung in den einzelnen Filialen treffen.
Innerhalb der kommenden zwei Jahre will Lidl europaweit knapp 4000 Geräte ausrollen. Derzeit ist etwa die Hälfte der Verkaufsleiter in Deutschland mit iPads ausgestattet. Im Sommer sollen weitere Länder folgen.
Rödl & Partner: Zwei Geräte imTest
Das Dienstleistungsunternehmen Rödl & Partner testet Tablet-Piloten in allen vier Unternehmensbereichen: für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Unternehmensberater. Allerdings ist der Einsatz noch nicht allzu weit fortgeschritten: Anfang März dieses Jahres wurde mit dem Pilotprojekt begonnen.
In jedem Bereich kamen fünf iPads und ebensoviele Samsung Galxy Tab zum Einsatz. Erprobt wird, inwieweit sich Geschäftsprozesse und Tätigkeiten für die Mandaten mit Hilfe der Tablets verbessern lassen. Laut CIO Ingo Wolf zeichnet sich ab, dass die Apple-Geräte hinsichtlich Usability und Administration wohl Vorteile gegenüber dem Mitbewerb haben.
Brita: PIM für das Topmanagement
Als klassische Personal Information Manager (PIM) für die oberen Management-Etagen sind iPads beim Filterhersteller Brita im Gespräch. Im zweiten Schritt sollen sie den mobilen Mitarbeitern in Vertrieb und Serviceunterstützung das Tagesgeschäft erleichtern - idealerweise mit Integration in Backend-Systeme, wie Brita-CIO Frank Nittka sagt. Allgemein verfügbare, aber auch Brita-eigene Apps sollen die angepeilte Lösung ergänzen. "Wir versprechen uns davon zufriedenere Nutzer - und damit auch Reputation für die IT", so beschreibt Nittka die Motivation seines Teams.
Der erhoffte Business-Nutzen bestehe in besseren Prozessen, aktuelleren Daten und im Imagegewinn für das Unternehmen. Allerdings seien diese "Benefits" noch nicht quantifizierbar. In Verbindung mit Thin Clients vor Ort dürften die iPads außerdem die Anzahl der Unternehmens-Notebooks verringern helfen. Wie Nittka einräumt, geht es ihm aber auch darum, die "ohnehin nicht zu vermeidende iPad-Nutzung kontrolliert zu legalisieren."
IT und Fachbereich wollen Dasselbe
Anders als in anderen Bereichen der IT kommt es beim Tablet-Einsatz häufig vor, dass IT und Fachbereich an einem Strang ziehen. Bei Stada suchte die Corporate IT einen Sponsor für ein iPad-Projekt - und fand im Vertrieb der Tochtergesellschaft Hemopharm potenzielle iPad-Anwender, die nach IT-Unterstützung verlangten.
Auch in anderen Unternehmen kommen die Ideen für den Einsatz ursprünglich aus der Fachabteilung. Und nicht nur, weil die dortigen Manager ein chickes Gadget zum Vorzeigen wollen. Im Marketing lasse sich schnell ein Business Case ausmachen, so Bayer-CIO Moritz: Das kostspielige Ausdrucken von Werbe- und Informationsmaterial entfalle. Zudem spare ein Vertriebler im Außendienst mit Hilfe des Tablet rund eine halbe Stunde Zeit pro Tag. Die IT habe folglich den Anstoß von Seiten der Anwender rasch aufgegriffen.
Bei Winterhalter war es ebenfalls das Marketing, das für den iPad-Einsatz plädierte. Die Informatiker seien zunächst skeptisch gewesen, erinnert sich IT-Chef Erhard Klein: Es gab ja bis dato kein Apple-Know-how im Unternehmen, und viele Fragen der Sicherheit waren ungelöst.Tatsächlich ist es höchste Zeit für die IT, sich um das Tablet-Thema zu kümmern, will sie nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das gilt umso mehr, als die meisten CIOs dem BYOD-Trend (Bring your own Device) skeptisch gegenüberstehen. Anstatt Privatgeräte in die Unternehmens-IT zu integrieren, stellen sie lieber unternehmenseigene Devices zur Verfügung.
Own Device oder Firmen-Tablet
Für Winterhalter-CIO Klein ist BYOD kein Thema, weil er Sicherheitsbedenken hat. Den "mündigen Mitarbeiter" sieht er derzeit noch nicht: "Der User klickt auf alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist", sagt er. "Ich bin von der alten Schule", so beschreibt Klein seine Einstellung: "Früher war der Schutz der Daten das höchste Gut - heute werden, dem Zeitgeist geschuldet, diese Hürden einfach eingerissen."
Eine abweichende Ansicht vertritt der CIO von Rödl & Partner. "Mittlerweile ist der Nutzen von BYOD höher oder äquivalent zum Risiko." Deshalb werde einem "ausgewählten" Kreis von Mitarbeitern ermöglicht, mit Privatgeräten die Arbeitsplatzausstattung zu ergänzen.
Security durch Management
Wolf ist keineswegs arglos. Juristische Fragen sowie Sicherheits- und Compliance-Aspekte spielen bei Rödl & Partner eine tragende Rolle. So hat die Rödl IT Operations GmbH für das Pilotprojekt eine MDM-Plattform aufgebaut, die sie auch betreibt. "Eine solche Lösung ist unabdingbar - einschließlich der zugehörigen Policies und Betriebsrichtlinien", beteuert Wolf. Neben der Rechtsabteilung und dem Datenschutzbeauftragten wurde auch der HR-Bereich in die Ausgestaltung der Regeln einbezogen.
Stada setzt ebenfalls auf ein ausgefeiltes Mobile Device Management. Das Unternehmen nutzt dazu die Konsole von Absolut Manage. Andere Unternehmen wie Lidl oder Winterhalter haben sich für das Konkurrenzprodukt von Mobileiron entschieden, um ihre Tablets zu verwalten und abzusichern. Saftety-First-Befürworter Klein will bei Winterhalter demnächt die Lösung Mobile Iron Sentry installieren lassen. Deren Aufgabe es ist, das Befolgen der Policies zu überwachen. Weicht der Mitarbeiter von der Vereinbarung ab, so wird ihm der direkte Zugang zum Mail-Server verweigert. Zur Winterhalter-Policy gehört, dass keine kritischen und persönlichen Daten auf dem Gerät gespeichert werden dürfen.
Mehr Apple-Unterstützung gefragt
Mit Hilfe des Autorisierungs- und Authentifizierungsverfahrens von Mobileiron lassen sich der Zugriff auf eine App und die Datenspeicherung auf dem Tablet zentral überwachen und steuern, geht Klein ins Detail. So sei es möglich, bei Policy-Verstößen den jeweiligen Nutzer selektiv vom App-Zugriff auszuschließen oder im Extremfall sogar per "Remote Wipe" Apps und Daten vom Tablet zu löschen. Vom iPad-Hersteller Apple komme in dieser Beziehung wenig Hilfestellung, klagt der Winterhalter-CIO: "Da muss noch Apple zulegen und auf die Unternehmen zugehen." Die Android-Geräte seien in dieser Hinsicht allerdings noch schwieriger: "Die wären mir nie ins Hausgekommen."
Restriktiv oder weiche Linie?
Lidl hat mit Apple ebenfalls noch das eine oder andere Hühnchen zu rupfen - auch wenn die Zusammenarbeit mittlerweile recht gut ist, wie Projektleiter Mirko Saul versichert. Lidl vertraut auf das Sandbox-Prinzip der Apple-Tablets, mit dem sich unautorisierte Zugriffe abblocken lassen. Um das Installieren eines zusätzlichen WLAN durch den User zu verhindern, musst sich Lidl jedoch mit einem Workaround behelfen.
Hinsichtlich des Ladens fremder Software geht der Handelskonzern restriktiv vor: Die Verbindung zum Appstore von Apple wurde gekappt, alle Anwendungen kommen über das Device-Management-System. Unternehmenskritische Daten werden auf den Tablets nicht gespeichert.
Eigener AppStore ist sicherer
Bayer Health Care betreibt auch ein striktes Mobile Device Management mit Monitoring der Applikationen. Zu den weiteren Sicherheitsvorkehrungen zählt der hauseigene Appstore, über den alle Tablet-Anwendungen - teilweise Eigenentwicklung wie der Ärzte-bezogene Routenplaner, aber auch zugekaufte Apps - angeboten werden. Grundsätzlich ist die Download-Funktion nicht gesperrt, aber private Daten und Applikationen dürfen auf die Geräte nicht heruntergeladen werden. Wobei es allerdings Grenzbereich gibt, wie CIO Moritz einräumt.
Bislang habe es noch keine größeren Missbrauchsfälle gegeben, beteuert der IT-Verantwortliche. Darüber hinaus seien die Anwender mit der Lösung sehr zufrieden. Folglich sieht sich der CIO in seiner "weichen Linie" bestätigt: "Wenn ich den Endkunden zu sehr bevormunde, bin ich dann ein guter Service-Provider?", so seine rhetorische Frage. Ganz davon abgesehen, dass findige Anwender meistens Mittel und Wege fänden, Sperren zu umgehen.
"Wir müssen halt so gute Lösungen anbieten, dass die Mitarbeiter gar keinen Bedarf für andere sehen", schmunzelt Moritz. Einige Anwendungen, die lange als Teufelszeug gegolten hatten, seien heute ja auch schon gang und gäbe: "Wir lassen beispielsweise die Skype-Nutzung zu."
Auch bei Rödl & Partner soll ein eigener Basis-AppStore aufgebaut und betrieben werden, sobald die Entscheidung über die Umsetzung der Lösung getroffen ist. Darüber erhalten die Anwender dann Applikationen des IT-Dienstleisters Datev und anderen relevate Apps.
Was es bringt
Hinsichtlich der erzielten Ergebnisse sind die IT-Verantwortlichen noch sehr vorsichtig. Die Vorteile der Tablet-Lösungen lassen sich zwar beschreiben, aber nur schwer quantifizieren, so der Tenor.
Bayer-CIO Moritz sieht den erwähnten Business Case für das Marketing als erreicht an - "auch wenn das selbstredend etwas schwer nachzuweisen ist". Für die Tablets spreche nicht zuletzt, dass die Devices relativ preiswert seien - vor allem dann, wenn sie als vollwertiger Ersatz für einen PC oder Laptop dienen. Last, but not least bedeute der iPad-Einsatz auch einen Image-Gewinn: "Wir werden als das innovative Unternehmen wahrgenommen, das wir sind", freut sich Moritz.