CRM mit SAP-Anbindung

iPad statt Folder - So geht CRM heute

31.08.2012 von Karin Quack
Aktentaschen voller Ordner und Muster waren gestern. Heute haben die Außendienstler der Hemopharm GmbH alle Informationen im Online-Zugriff.
Stada-CIO Angela Weißenberger (Mitte), im Gespräch mit Projektleiter Dirk Peddinghaus und IT-Consultant Heike Neugebauer.
Foto: Stada

Angela Weißenberger war baff: "Wann hat man schon mal ein IT-Steering-Committee-Meeting, bei dem ein Pilotanwender anruft, um mitzuteilen, wie großartig er das alles findet? Also, das hatte ich bisher noch nicht so oft", schmunzelt die IT-Chefin des Arzneimittelkonzerns Stada. Wenn die Begeisterung der Anwender so hohe Wellen schlägt, ist nicht selten ein iPad im Spiel. So auch in diesem Fall. Konkret handelt es sich um eine CRM-Anwendung, die das Apple-Tablet als Front-end-Gerät verwendet und im Hintergrund auf SAP CRM zugreift.

"Bei diesem Projekt kamen die richtigen Leute zur richtigen Zeit zusammen", so Weißenberger. "Wir von der Corporate IT wollten gern in diese Richtung gehen, das war aber nicht ohne Sponsor möglich. Die Stada-Gesellschaft Hemopharm GmbH wollte so eine Lösung haben, und das ging nicht ohne die IT." Steffen Retzlaff, Director Marketing & Sales der Hemopharm, sei persönlich interessiert gewesen und habe die Sache mit angeschoben. Zum Team stießen Vertriebsexperten vom Außen- und Innendienst, ein Werbedesigner, Experten für SAP-CRM und andere IT-Themen, Entwickler für die Umsetzung sowie der Projektleiter und CRM-Profi Dirk Peddinghaus.

Im März 2011 trafen sich die Protagonisten zum ersten Mal, um über das Thema zu diskutieren. Im April wurde das Projekt aufgesetzt, Ende August konnten die ersten Pilotanwender die Applikation in Betrieb nehmen. Seit Ende November ist die Lösung nun vollständig produktiv.

Neue Trends im CRM-Markt
xRM, Social CRM, Mobile CRM
Im CRM-Markt zeichnen sich wichtige Entwicklungen ab, die neue Anwendungen sowie mehr strategischen Nutzen versprechen. Welche, lesen Sie hier.
Trend 1: CRM strategisch nutzen
Gegenwärtig gehen Analysten davon aus, dass etwa 80 Prozent der deutschen Firmen Software zum Management ihrer Kundenbeziehungen einsetzen. Allerdings nutzt nur etwa die Hälfte davon CRM-Software in Verbindung mit einer kundenorientierten Unternehmensstrategie. Der Grund: Viele Betriebe haben in der mittlerweile 14 Jahre andauernden Historie CRM lediglich als Softwarethema betrachtet und nur technisch umgesetzt. Die eigentlichen CRM-Ziele wie Kundenbindung und Neukundengewinnung - also messbare Ergebnisse - blieben hingegen auf der Strecke.
Trend 2: Verschärfter Datenschutz
Mit der Integration von Social Media und Cloud Computing müssen Unternehmen noch mehr datenschutzrechtliche Richtlinien erfüllen. In beiden Fällen kommen besonders schützenswürdige, personenbezogene Daten ins Spiel. Die teilweise noch fehlende Rechtssicherheit und Verunsicherung in diesen Punkten führt jedoch noch zur Zurückhaltung potenziell an CRM interessierter Betriebe.
Trend 3: Social CRM
Nach Angaben der Marktforscher von Gartner entfielen 2010 rund 90 Prozent der Ausgaben für Social Media beziehungsweise Social CRM auf den Business-to-Consumer-Markt. Inzwischen schätzen die Analysten das Volumen des Marktes für Social-CRM-Produkte bis Ende 2012 auf eine Milliarde Dollar. Gemessen am gesamten CRM-Geschäft macht dies momentan nur einen Anteil von fünf Prozent aus.
Trend 4: Cloud Computing
Im Gegensatz zu den USA ist der Mittelstand in deutschsprachigen Ländern von Cloud Computing noch nicht restlos überzeugt. Für die ablehnende Haltung sind wohl weniger wirtschaftliche und rechtliche Bedenken verantwortlich als vielmehr psychologische. Trotzdem geht der Trend auch in Sachen CRM in Richtung Cloud. Oracle hatte vor kurzem mit RightNow einen CRM-Anbieter übernommen, der seine Lösungen ausschließlich über das Internet anbietet.
Trend 5: Mobile CRM
Für die meisten CRM-Hersteller ist der Trend zu immer schlankeren Geräten wie Smartphones und Tablet-PCs eine natürliche und notwendige Entwicklung. Viele CRM-Anbieter haben auch schon Apps für solche Endgeräte im Angebot. Laut CRM-Hersteller CDC Software in München fordern die Kunden eine Benutzeroberfläche für den Zugriff auf Daten und Funktionen ihres CRM-Systems über das Web. Damit sollen mobile Anwender im Vertrieb oder Service wie gewohnt in ihrer Kundendatenbank arbeiten können.
Trend 6: Von CRM zu xRM
Bemerkenswert ist im CRM-Markt auch die Entwicklung neuer Anwendungsszenarien außerhalb der direkten Kundenbeziehungen. Auf der Basis von CRM-Standardsystemen werden zunehmend neue Anwendungsgebiete mit ähnlichem Anforderungsprofil entwickelt und unter dem Kürzel xRM eingeführt, das für "any Relationship Management" steht.

Der Pilotanwender

  • Die Hemopharm GmbH ist eine von 27 Tochtergesellschaften der serbischen Hemofarm Group, die seit 2006 zur Stada Arzneimittel AG gehört.

  • Sie bietet schnell wirksame Mittel gegen Alltagsbeschwerden wie Schmerzen, Durchfall, Husten, Allergien oder Schlafstörungen an.

  • Hemopharm-Prudukte wie Eunova, Uzara, Freka-CID, Kalma und Ibu-Hemopharm sind apothekenpflichtig, aber frei verkäuflich.

Die Ziele des Projekts

Auftragserfassung online auf dem iPad
Foto: Stada

Aber der Reihe nach. Auch ein Projekt, das iPads einbezieht, braucht Business-Ziele. Das war in diesem Fall nicht anders.Laut Weißenberger gehören dazu einfaches und tagesaktuelles Bereitstellen aller für das Beratungs- und Verkaufsgespräch notwendigen Informationen; Online-Produktpräsentation in der Apotheke mit PDFs, Videos und Bildern; Online-Auftragserfassung im Gespräch mit Übertragung an das SAP-System; Ersetzen des Laptops, der Verkaufsmappe und der Verkaufs-Folder durch ein einziges Gerät; und last, but not least ein zeitgemäßer Auftritt der Hemopharm in der Apotheke.

Offenbar sind diese Ziele erfüllt. Stellvertretend für andere Pilotanwender zitiert Weißenberger den Gebietsleiter in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bei der Hemopharm GmbH, Christian Kornberg: "Früher ging ich in die Apotheke mit einer Aktentasche voller Papier, Folder und Muster. Oft suchte ich lange, bis ich in meiner Tasche etwas fand. Heute klappe ich das iPad auf und habe alle Angebote, Bilder, Apothekendaten, Statistiken etc. in diesem kleinen Kasten."

Die Außendienstmitarbeiter laden die für sie relevanten Stammdaten (Kunden, Kundenstatistiken, Besuchsplanung, Produkte, Sortiment, Kampagnen, Auftragshistorie) und Medien (PDF, Videos und Bilder) einmal täglich vom SAP CRM durch die App auf ihr iPad herunter. Umgekehrt lassen sich die erfassten Kundenaufträge bei Bedarf sofort an das SAP CRM übertragen. Im SAP CRM werden darüber hinaus die Auftragsbearbeitung (einschließlich IC Web Client), das Kampagnen-Management, die Aktivitätsplanung, das Gebiets-Management sowie E-Mail, Faxversand und Business-Intelligence-Reports genutzt.

Die Vorteile der Lösung

Mit dem iPad kommt der Außendienstler ganz anders rüber (hier Karin Polk, Gebietsleiterin der Hemopharm GmbH,mit Apotheker Alexander Schröder in der Rosen-Apotheke Melsungen).
Foto: STADA

Die Auftragserfassung im iPad während des Verkaufsgesprächs und die automatische Übertragung an das SAP CRM schufen echten Mehrwert. Aber die Liste der Pluspunkte ist noch länger, wie Weißenberger erläutert. So kann der Außendienstler vor Ort eine Produktpräsentation anhand von PDFs, Videos und Bildern abrufen. Diese Funktionalität ist direkt bei den Produktgruppen hinterlegt. Die kundenspezifischen Daten sind ebenfalls auf dem iPad im Zugriff.

Die hohe und schnelle Systemverfügbarkeit umgeht Pausen, die durch einen langwierigen Systemstart entstehen. Der Außendienstler konzentriert sich auf das Verkaufsgespräch mit dem Apotheker, nicht auf die Technik.Das iPad ist nicht nur einfach in der Handhabung, sondern auch repräsentativ. Marketing und Außendienst können über eine iPad-App kommunizieren. Die Produktstruktur lässt sich durch den Vertrieb direkt im SAP CRM pflegen. Marketing-Abteilung und Werbeagenturen können die iPads ad hoc mit neuen Medien versorgen, die im SAP CRM gepflegt und täglich aktualisiert werden.

Über das Kampagnen-Management kann das Marketing dem Außendienst Aktionen zur Verkaufsunterstützung vorgeben. Im Gegenzug ist der Außendienstler in der Lage, eigene Sortimentvorschläge für die Apotheke zu hinterlegen. Das Backend bietet voll integrierte SAP-CRM-, -BW- und -ERP-Funktionen. So sind beispielsweise tagesaktuelle Umsatzdaten aus dem SAP BW verfügbar. Die Aufträge lassen sich online zum sofortigen Order Fulfilment übertragen. Alle Daten befinden sich auf dem iPad, Aufträge können zwischengespeichert und später übertragen werden.

Praktische Helfer fürs iPad
GoToMeeting
GoToMeeting, die Webkonferenzlösung von Citrix.
GoToMeeting
Die App ist kostenlos, setzt aber eine entsprechende Umgebung voraus.
DropBox
Dropbox erlaubt den Abgleich von Dateien über verschiedene Geräte
DropBox
Die App ist kostenlos
Cortado Workplace
Cortado Workplace bringt den Netzwerkdruck auf das iPad
Cortado Workplace
Die App ist kostenlos
Dragon Dictation
Mit der App von Nuance kann man dem iPad Texte diktieren.
Dragon Dictation
Die App ist kostenlos
Lync
Microsoft bringt die Lync-Umgebung aufs iPad
Lync
Die App ist kostenlos, setzt aber eine entsprechende Lync-Umgebung voraus.

Die technische Umsetzung

Aus der IT-Sicht betrachtet, handelt es sich um eine Frontend-Applikaton für SAP CRM. Das heißt: Die iPads stehen mit dem zentralen SAP-CRM-System in Verbindung, wo die für die Außendienstler wichtigen Daten stets aktuell gehalten werden. Der Datenaustausch zwischen iPad und SAP CRM geschieht mit Hilfe einer VPN-Verbindung (Virtual Private Network) über SAP Webservices. Die Datenübertragung erfolgt via 3G oder Wifi; es werden gezippte XML-Daten übertragen. Die heruntergeladenen Daten lassen sich lokal in Form von XML-Daten oder in der SQLight-Datenbank vorhalten.

Für die Programmierung der iPad-App kommt die native Apple-Sprache Objective C zum Einsatz. Verwendet wird die Development-Suite "Xcode". Die Entwicklung ist plattformabhängig, also konsequent auf das iPad zugeschnitten. Wie Weißenberger erläutert, lassen sich auf diese Weise die Möglichkeiten der Plattform voll ausschöpfen. Ein kritischer Punkt ist die Verwaltung der Endgeräte. Diese Aufgabe erledigt die Mobile-Device-Management-Konsole von Absolut Manage.

Alle wollen iPads

Der gesamte Außendienst der Hemopharm GmbH arbeitet mit der CRM-App. Das sind heute insgesamt 23 Mitarbeiter; hinzu kommen fünf Innendienstmitarbeiter, ein Key User und ein Mitglied der Unternehmensleitung. Auch in die Muttergesellschaft hat die Applikation mittlerweile Einzug gehalten: Hier sind es insgesamt 57 Mitarbeiter, die sie verwenden.

Und damit nicht genug: Laut Weißenberger ist die Lösung auch in anderen Stada-Gesellschaften auf Interesse gestoßen. Eine von ihnen verwende seit Ende 2011 schon Teilfunktionen wie die Online-Produktpräsentation auf dem iPad, und demnächst erfolge der Kickoff für ein Projekt zur erweiterten Nutzung à la Hemopharm.