Vorstandschef Streibich im CW-Gespräch

Interview: "Die Software AG verlässt sich nicht nur auf SOA"

14.02.2008 von Wolfgang Herrmann
Trotz konjunktureller Risiken und steigendem Wettbewerbsdruck hält die Software AG an ihrem ehrgeizigen Wachstumskurs fest. Vorstandschef Karl-Heinz Streibich kündigt im Interview mit CW-Redakteur Wolfgang Herrmann weitere Zukäufe an und erläutert, wie die Integration von Webmethods verlaufen ist.

CW: Vor knapp einem Jahr haben Sie ein ambitioniertes Wachstumsziel verkündet. Bis zum Jahr 2011 soll sich der Umsatz der Software AG auf eine Milliarde Euro verdoppeln. Wie weit sind Sie 2007 gekommen?

Streibich: Wir gehen davon aus, dass wir dieses Ziel nicht erst 2011, sondern schon früher erreichen. So etwas kann man nur sagen, wenn die Dinge besser laufen als geplant.

CW: Mit der Wachstumsstrategie verwettet die Software AG ihre Zukunft auf den SOA-Markt. Ist das nicht sehr riskant?

CW-TV: Wie riskant ist die Strategie der Software AG?

Streibich: Wir verlassen uns nicht ausschließlich auf den SOA-Markt. Unser ETS-Geschäft (Enterprise Transaction Systems, Anm. d. Red.) mit Adabas und Natural macht derzeit etwa 60 Prozent des Geschäftsvolumens aus.

CW: Aber dieser Geschäftsbereich wächst erheblich langsamer als die relativ jungen SOA-Produkte.

Streibich: Die Zukunftspotenziale sind natürlich im SOA-Markt größer. Und darauf setzen wir auch. Allerdings gibt es einige Sicherungsmechanismen. Zum einen gehen wir das Thema horizontal an, sprich wir bedienen alle Branchen. Zum anderen verbirgt sich hinter SOA ja nicht ein einziges Produkt. Zu unserem Portfolio gehören auch Systeme für Business-Process-Management (BPM), Legacy-Modernisierung und B-to-B-Integration. Man könnte deshalb ohne weiteres von drei separaten Märkten sprechen, die wir unter einem gemeinsamen Dachkonzept angehen.

Ende des SOA-Hypes?

CW: Der Aufbau einer SOA scheint vielen Unternehmen schwerer zu fallen als bisher angenommen. Sehen Sie eine gewisse Ernüchterung im Markt?

Streibich: SOA bedeutet einen Paradigmenwandel, wie ihn beispielsweise auch das Client-Server-Konzept gebracht hat. Deshalb führt an SOA kein Weg vorbei. Zugegeben: Am Anfang wird jedes Thema gehypet. Wir sehen aber in der Praxis, dass einschlägige Vorhaben schnell auf einzelne Aspekte heruntergebrochen werden, beispielsweise SOA-Governance, Legacy-Integration oder BPM. Man könnte von einer Erdung des Themas sprechen. In den Unternehmen geht es heute um konkrete Projekte im Rahmen eines Gesamtkonzepts.

CW: Also keine Ernüchterung im SOA-Markt?

Streibich: Ich würde nicht von Ernüchterung sprechen. Vielmehr sehen die Unternehmen jetzt konkret, wie sie das Thema angehen müssen. Man beschäftigt sich nicht mehr philosophisch mit SOA, sondern steigt in Projekte ein.

CW: Abgesehen von einigen Pionieranwendern wie der Deutschen Post hört man wenig von großen SOA-Projekten im deutschen Markt. Woran liegt das?

Streibich: Wir Deutschen reden darüber, wenn wir fertig sind, nicht wenn wir damit anfangen wollen. Ich gehe davon aus, dass jedes Großunternehmen SOA-Projekte verfolgt, sei es mit Schwerpunkt Prozess-Management, Legacy-Integration oder anderen Absichten.

Konsolidierung im Softwaremarkt

CW: Die Konsolidierung im Markt für Infrastruktursoftware hält unvermindert an. Jüngstes Beispiel: Oracle kauft Bea Systems für 8,5 Milliarden Dollar. Wie reagieren Sie auf den härteren Wettbewerb?

Karl-Heinz Streibich, Software AG: Übernahmen sind ein Teil unserer Wachstumsstrategie.
Foto: Software AG

Streibich: Ich sehe die Konsolidierung grundsätzlich positiv, weil damit auch Konkurrenten vom Markt verschwinden. Außerdem bestätigt der Trend die Bedeutung des Marktsegments. Die Software AG hat sich als Datenbankhersteller schon vor mehr als zwei Jahren auf das Thema SOA konzentriert, lange bevor sich Oracle für Bea entschieden hat.

CW: Wird die Software AG angesichts solcher Mega-Deals nicht selbst zum Übernahmekandidaten?

Streibich: Die Frage liegt nahe. Wir sind aber durch die 30-prozentige Aktienbeteiligung unserer Sozialstiftung (des Firmengründers Peter Schnell, Anm. d. Red.) zumindest vor feindlichen Übernahmen weitgehend sicher.

CW: In den Vereinigten Staaten, einem sehr wichtigen Markt für die Software AG, droht eine Rezession. Welche Risiken sehen Sie für Ihr Unternehmen?

Streibich: 40 Prozent unseres Geschäfts entfallen auf die USA. Davon stammen zirka 60 Prozent aus dem ETS-Bereich mit Adabas und Natural, der relativ resistent gegen Konjunkturschwankungen ist. Also reden wir nur noch über zirka 15 Prozent. Von diesen 15 Prozent Geschäftsvolumen generieren wir mehr als die Hälfte mit der öffentlichen Hand, die oftmals antizyklisch agiert. Unterm Strich bleiben also sieben bis acht Prozent, die womöglich einer Schwankung von zehn bis 15 Prozent ausgesetzt sind. Das wären dann eins bis 1,5 Prozent unseres Umsatzes. Da wir weltweit in 70 Ländern vertreten sind, greifen zudem etliche regionale Ausgleichsmechanismen.

Integration von Webmethods

CW: Mit der Übernahme von Webmethods wollten Sie vor allem Ihr Standbein in Nordamerika stärken. Wie hat sich das Geschäft dort im vergangenen Jahr entwickelt?

Streibich: Wir haben mit der Akquisition von Webmethods unsere Position im US-amerikanischen Markt wesentlich verbessert. Unser Geschäftsvolumen in der Region inklusive Webmethods hat sich mehr als verdoppelt.

CW: Das Produktportfolio von Webmethods überschneidet sich mit dem der Software AG, beispielsweise im Bereich SOA Governance. Wie weit sind Sie mit der Integration?

Streibich: Die Integration verlief hervorragend. Wir hatten dafür eine gute Ausgangsposition: Zum einen überschnitten sich die Produkte nur geringfügig. Zum anderen konnten wir in Bereichen wie Business Process Management einfach ein Fremdprodukt in unserem Portfolio gegen ein geeignetes von Webmethods austauschen. Zusammen mit den Kollegen von Webmethods haben wir Roadmaps entwickelt und mit "Webmethods 7.1" bereits ein gemeinsames Produkt auf den Markt gebracht.

CW: Welche Komponenten der Software AG enthält Webmethods 7.1?

Streibich: Wir haben Webmethods Fabric 7.1 beispielsweise durch unsere Integrationsfunktionen für Legacy-Systeme ergänzt. Außerdem haben wir ein gemeinsames Konzept für SOA-Governance entwickelt, das Kunden ein viel breiteres Portfolio in diesem Segment bietet. Aus diesem Grund hat uns Gartner auch im Leaders-Quadranten positioniert, sowohl im Markt für SOA-Governance als auch für BPM.

CW: Wie haben Webmethods' Kunden auf die Übernahme reagiert? Wie viele sind abgesprungen?

Streibich: Webmethods war aus technischer Sicht für die Kunden immer ein sehr innovatives Unternehmen. Wegen der geringen Größe gab es aber Sorgen um die Zukunftssicherheit. Diese Bedenken sind nach dem Merger mit der Software AG ausgeräumt.

CW: Wie verläuft die Integration auf personeller und organisatorischer Ebene? Haben Sie Stellen gestrichen?

Streibich: Die Integration erstreckte sich über alle Unternehmensebenen. Der ehemalige Webmethods-Chef David Mitchell sitzt bei uns im Board. Wir haben darauf geachtet, dass wir überall gemischte Teams haben. Das heißt, es gibt keine Software-AG- oder Webmethods-Lager in der Organisation. Stellenstreichungen gab es nur in sehr geringem Umfang und im Wesentlichen durch Fluktuation.

CW: Planen Sie weitere Zukäufe in diesem Jahr?

Streibich: Wir wollen uns weiter durch Übernahmen verstärken. Das ist ein Teil unserer Wachstumsstrategie. Deshalb haben wir auch immer eine Pipeline mit potenziellen Kandidaten. Wir gehen dabei aber sehr selektiv vor. Ein Zukauf muss zu unserem Unternehmen passen.

CW: Ist eine weitere Übernahme in der Größenordnung von Webmethods denkbar?

Streibich: Denkbar wäre das. Im Moment gibt es aber keine konkreten Pläne.

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE.

Streibich persönlich

CW: Seit Ihrem Amtsantritt als Vorstandschef im Jahr 2003 haben Sie die Software AG wieder auf Kurs gebracht und den Unternehmenswert deutlich gesteigert. Was waren die wichtigsten Stellschrauben für den Turnaround?

Streibich: Zuerst galt es herauszufinden, wie wir von den Kunden ausgehend unsere Innovationen vorantreiben müssen, sprich wie wir eine kundenfokussierte Innovationsstrategie entwickeln können.

CW: War die Strategie vorher nicht auf Kunden ausgerichtet?

Karl-Heinz Streibich, Software AG: Ingenieure und Informatiker sind die Maschinisten des Wohlstands. Über IT kommen Produktivitätssteigerungen in die Unternehmen.
Foto: Streibich Karl-Heinz

Streibich: Ich möchte hier nicht die Arbeit meiner Vorgänger bewerten. Aus meiner Sicht gab es aber noch enorme Spielräume. Wir haben festgestellt, dass wir eine Brücke bauen können zwischen technischen Innovationen und Nutzen für unsere Bestandskunden. Dabei halfen uns Systeme für die Legacy-Modernisierung und die Integration. Wir sicherten damit unsere installierte Basis ab und schafften zugleich die Voraussetzungen für ein Neugeschäft. Zu Hilfe kam uns der Trend zu Service-orientierten Architekturen, der ja auch die Elemente Legacy-Modernisierung und Integration beinhaltet. Beim Entwurf der Strategie haben wir uns stark von unserer Erfahrung mit Kunden in den USA leiten lassen. Die Vereinigten Staaten sind im SOA-Segment gegenüber Europa ein Jahr voraus. Wir waren deshalb früher als andere auf dem Markt präsent. Ein weiterer entscheidender Punkt war, dass wir die Unternehmenskultur wieder kundenorientierter ausgerichtet haben, statt eine technische Nabelschau zu betreiben. Last, but not least haben wir Executor-Disziplin eingeführt. Das bedeutet absolute Transparenz und eine offene Kommunikation im Unternehmen.

CW: Haben Sie die vom Anthropologen und Firmengründer Peter Schnell geprägte Firmenkultur angetastet?

Streibich: Ich habe auf dieser Kultur aufgesetzt, die ja viele Vorzüge bietet, beispielsweise hinsichtlich Vertrauen und Identifikation mit dem Unternehmen. Was fehlte, war der absolute Wille, Kunden zu gewinnen und den Wettbewerb zu schlagen. Es ging darum, eine gewisse Mobilisierung in die Firma hineinzubringen.

CW: Würden Sie Ihren Kindern heute eine Karriere in der IT empfehlen?

Streibich: Die Frage ist hypothetisch, weil meine beiden Kinder schon erwachsen sind. Wenn ich aber zwei junge Sprösslinge hätte, würde ich ihnen eine Karriere in der IT uneingeschränkt empfehlen. Ingenieure und Informatiker sind die Maschinisten des Wohlstands. Über IT kommen Produktivitätssteigerungen in die Unternehmen.