Cisco Connect

Internet der Dinge könnte Deutschland an Weltspitze bringen

20.11.2014
Bei der Gestaltung des Internet hat Deutschland keine führende Rolle eingenommen. Das könne sich beim Internet der Dinge radikal ändern. Es müssten nur zügig die Weichen gestellt werden, meint ein Experte. Er sieht aber auch Bereiche, in denen Deutschland Nachholbedarf hat.

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) hält für Deutschland nach Einschätzung von Experten eine große Chance bereit, weltweit eine führende Rolle einzunehmen. Bei der Entwicklung des Internets seien bislang ausschließlich amerikanische Unternehmen maßgeblich beteiligt gewesen, sagte Oliver Tuszik, Chef von Cisco Deutschland am Donnerstag in Berlin. Bei der nächsten Welle der Industrialisierung habe Deutschland aber eine "Riesenchance", ein enormes Wirtschaftspotenzial herauszuholen.

Oliver Tuszik, Deutschlandchef des Netzausrüsters Cisco Systems
Foto: Cisco

Auch die Politik habe die Chancen erkannt, sagte Tuszik. Das Stichwort Industrie 4.0 stehe bei Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz oben auf der Agenda. Doch es gelte auch, keine Zeit zu verlieren. Die Entwicklung werde alle Industriezweige erfassen. "Es müssen sich alle Sorgen machen, keine Industrie wird bei der Entwicklung draußen bleiben", sagte Frank Riemensperger von der Unternehmensberatung Accenture. Ob die Automobil-, Energie- und Pharmaindustrie oder im Gesundheitswesen - neue Anwendungen, die teilweise über einfache Smartphone-Apps neue Möglichkeiten bieten, würden traditionelle Geschäftsmodelle radial aufbrechen.

Nach Angaben von Tuszik habe Deutschland bei der industriellen Entwicklung einen "Heimvorteil". Der Anteil der Industrie an der Wirtschaft liege hierzulande bei 22 Prozent und damit weit über dem Durchschnitt im europäischen Vergleich. "Die Analysten überschlagen sich derzeit zu den Chancen, die das Internet der Dinge bietet, und gehen von immensen Summen aus, die es weltweit zur Wertschöpfung beitragen wird." Optimistische Vorhersagen erwarteten, dass bis zum Jahr 2030 ein Wert von rund 15 Billionen US-Dollar entstehen werde.

Accenture über das Industrial Internet of Things (IIoT)
Industrial Internet of Things (IIoT)
In dem Papier "Driving unconventional growth through the industrial internet of things" schreibt Accenture über neue Umsätze durch das Erweitern klassischer Produkte mit digitalen Services. Die Analysten nennen das Produkt-Service-Hybrid.
Beispiel Claas
Ein Beispiel dafür liefert der Nutzmaschinen-Hersteller Claas. Dank neuer Sensortechnologie laufen Mähdrescher und Traktoren per Autopilot. Mit Partnerunternehmen hat Claas die Software 365FarmNet entwickelt, die den Landwirt bei Planung, Verwaltung, Analyse und Dokumentation seines Betriebs unterstützt.
Beispiel General Electric
General Electric und Accenture haben das Joint Venture Taleris gegründet. Von GE Aviation kommen Maschinen, Taleris spezialisiert sich auf Wartungen rund um die Flugzeuge. Neu sind Angebote im Flotten-Management.
Beispiel Virtual Radiologic
Das Unternehmen begann mit der Interpretation von Röntgenbildern. Heute bietet es IT-Services rund um Workflow-Verbesserung an.
Beispiel Michelin
Bekannt ist Michelin als Hersteller von Reifen. Über Michelin Solutions sollen Manager von Lastwagen-Flotten Energieverbrauch und Kosten senken können. Unter dem Motto Tires as a service überwachen Sensoren die Performance der Reifen.

Das Internet der Dinge gilt als einer der größten aktuellen Trends in der Industrie. Bis 2020 würden weltweit rund 50 Milliarden Geräte miteinander vernetzt sein, sagte der Manager des Netzwerkausrüsters. Autos, Parkuhren, Maschinen oder sogar große Produktionsstätten sollen künftig mit Hilfe von Software und Sensoren untereinander Daten austauschen. Das wird nach Einschätzung von Branchenbeobachtern ganze Industriezweige revolutionieren. "Bis 2020 werden 40 Prozent des Datenaufkommens vollautomatisch durch Sensoren generiert."

Deutsche Unternehmen seien in vielen Bereichen Weltspitze, sagte Tuszik. Doch bei kleinen und mittelständischen Betrieben gebe es noch immensen Nachholbedarf allein bei der Digitalisierung. Nach Angaben von Riemensperger liegt Deutschland in den Bereichen Automobil, Maschinenbau und Logistik im weltweiten Ranking ganz oder zumindest gut vorn. Im Handel sowie bei Medizintechnik sowie im Gesundheitswesen habe Deutschland Nachholbedarf.

IDC-Erhebung Industrie 4.0
Was Anlagenbauer und -betreiber unterscheidet
Die Betreiber von Industrie-4.0-Anlagen (Produktion) legen Wert auf Effizienz und Kosten. Die Hersteller der Maschinen, Geräte und Anlagen (Engineering) wollen vornehmlich die entstehende Komplexität im Griff behalten.
Industrie 4.0 - ein unbekanntes Konzept
Die meisten Fach- und Führungskräfte aus dem verarbeitenden Gewerbe kennen laut IDC-Erhebung nicht einmal den Begriff "Industrie 4.0". Die Analysten sind sich indes sicher, dass das Gros der leitenden Angestellten, die sich mit Fragen der Unternehmensstrategie beschäftigen, sich sehr wohl mit dem Konzept auseinandersetzt.
Wie bedeutend ist Industrie 4.0?
Diejenige, die sich bereits eine Meinung zum Thema gebildet haben, erwarten, dass Industrie 4.0 entweder Teilbereiche oder komplette Wertschöpfungsketten in der Fertigung verändern wird.
Stand der Installationen
Viele Installationen in den Fertigungsstraßen sind bereits mit dem Internet verknüpft. Eine Öffnung der Produktionssysteme hat laut IDC bereits begonnen. Aus der Erhebung geht jedoch nicht hervor, was genau vernetzt wird.
Sorge um Datenschutz und Sicherheit
Die Vernetzung macht die Industrieanlagen anfälliger für Diebstahl geistigen Eigentums und für Eingriffe in die Abläufe. Das gilt naturgemäß insbesondere für mit der Außenwelt vernetzte Anlagen.
Die Industrie 4.0 kommt bald
Die meisten rechnen binnen zwei bis zehn Jahren mit der vollumfänglichen Einführung von vernetzten und intelligenten Fertigungssystemen. Das ist, so meinen die Marktforscher von IDC, sehr optimistisch.
Was die Industrie 4.0 bremst
Der Optimismus der Anwender ist auch deshalb erstaunlich, weil sie zugleich viele ungelöste Fragen haben, die unter anderem die Sicherheit und die Finanzierung betreffen.
Geld für Industrie 4.0
Den meisten Befragten stehen Gelder für Investitionen zur Verfügung. Über die Höhe des Budgets macht die Erhebung keine Angaben.
Wo Anwender einkaufen
Die Betreiber von Anlagen beziehen Produkte und Dienste für intelligente Fertigungsinstallationen vor allem von Anlagen- und IT-Hersteller. Die Maschinenbauer wenden sich vor allem an Sensorikanbieter.

In Berlin veranstaltet der amerikanische Netzwerkausrüster Cisco noch bis Freitag die Cisco Connect. Flankiert von Diskussionsrunden und Vorträgen zeigen zahlreiche Industriepartner, darunter ComputaCenter (Tusziks früherer Arbeitgeber), Fraunhofer und die T-Systems Lösungen für die Vernetzung und Gestaltung des Internet der Dinge. (dpa/tc)