Vier Manager erzählen

Internationale Karriere in der IT

20.03.2012 von Ingrid  Weidner
Internationales Arbeiten gehört in der IT-Branche dazu. Welche Chancen sich bieten, zeigen unterschiedliche Karrierewege.
In Österreich und Norditalien arbeitete Carlo Wolf, Geschäftsführer von Cisco Deutschland.
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Heute arbeiten immer mehr IT-Experten in internationalen Teams. Manche verlassen dafür nicht einmal ihren Schreibtisch, andere packen regelmäßig ihre Koffer, um mit Kollegen in Mailand, Madrid oder Moskau eng zu kooperieren, manchmal auch für länger. Wer neugierig, ehrgeizig und flexibel ist, dem eröffnen sich auf diese Weise interessante Perspektiven.

Als Sabine Bendiek 1988 bei Siemens- Nixdorf Informationssysteme ins Berufsleben startete, dachte sie noch nicht an eine internationale Karriere. Inzwischen lenkt sie als Geschäftsführerin die Geschicke von EMC Deutschland. "Ich habe immer Dinge gesehen, die mich begeistert haben, wollte Neues lernen und mit Menschen zusammenarbeiten, die ähnlich denken", beschreibt sie ihre Herangehensweise. Inter- essante Aufgaben und Teams waren ihr am wichtigsten, der berufliche Aufstieg kam von selbst.

Zum Master-Studium in die USA

Geplant hatte sie ihre Karriere bei EMC nicht, doch die studierte Betriebswirtin fühlt sich dort wohl. Während eines Master-Studiums in den Vereinigten Staaten lernte sie die amerikanische Art des Arbeitens kennen und schätzen. "Das unternehmerische Denken hat mir gut gefallen, kreativ und schnell zu agieren und Dinge umzusetzen", erzählt die 45-Jährige. Die Freiheit, Dinge auszuprobieren und Veränderungen anzuschieben, gehören auch dazu. Ihren Führungsstil beschreibt die Managerin als freundlich und verbindlich, sich selbst als kritikfähig: "Ich möchte von meinen Mitarbeitern hören, wenn ich Fehler mache."

Carlo Wolf leitet seit August 2010 als Geschäftsführer die Geschicke von Cisco Deutschland. Internationale Erfahrung sammelte der Manager allerdings nicht im Silicon Valley, sondern in Europa. Das erste Angebot kam von italienischen Kollegen beim Mittagessen. "Ich war ziemlich überrascht, bin nach Hause geflogen und habe zwei Tage später zugesagt", erinnert sich der Cisco-Manager an das Jahr 1999. Zwei Jahre lebte und arbeitete er mit seiner Familie in Norditalien, einige Jahre später schloss sich ein weiteres Auslandsengagement in Österreich an.

Systematisch geplant hat Wolf seine internationale Karriere nicht. "Mit den Jahren habe ich bei Cisco mehr Verantwortung übernommen, und deshalb war der Schritt ins Ausland auch eine logische Weiterentwicklung", erläutert Wolf, der lange Jahre den Vertrieb des Netzwerkausrüsters verantwortet hatte.

P.S. Schnelle Schneckenpost

Alle schwärmen von der schnellen und effizienten Arbeitsweise in US-amerikanischen Unternehmen. Allerdings scheint das für deren Presseabteilungen nicht ganz zuzutreffen. Die Fragen an den Manager eines großen IT-Unternehmens in den USA waren ähnlich denen, die mit anderen IT-Managern hierzulande diskutiert wurden. Statt Antworten kamen regelmäßige Mails und Anrufe mit der Bitte, den Abgabetermin doch zu verlängern, denn alle Antworten müssten zurück ins Amerikanische übersetzt und abgestimmt werden. Aber mit dem erneuten Aufschub sei alles machbar und überhaupt kein Problem. Nach einem fast dreiwöchigen Mail-Pingpong kam dann eine lapidare elektronische Nachricht: Man habe es leider nicht geschafft. Schade eigentlich.

Auch Kadir Dindar plante seine Karriere nicht generalstabsmäßig. "Mich faszinierte das Thema Marketing und wie sich die Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen mit dem Internet verändern werden. Mir war früh klar, dass die IT eine wichtige Rolle spielen wird", erinnert sich der 43-Jährige an seinen Berufseinstieg. Der studierte Betriebswirt wechselte nach mehreren Marketing-Positionen zu Chordiant Software, um sich intensiv mit CRM-Lösungen zu beschäftigen. Seit 2006 arbeitet er für SAS Institute, inzwischen als Head of Strategy für die Regionen Emea sowie Asien und Pazifik am SAS Center of Excellence in Heidelberg. Doch fast genauso gut wie die Stadt am Neckar kennt der Manager die Flughäfen der Welt.

Internationale Karriere
Wolf Carlo, Geschäftsführer von Cisco Deutschland,...
...arbeitete einige Jahre in Norditalien und Österreich.
Kadir Dindar, geboren in Istanbul, aufgewachsen in Deutschland...
...ist Head of Strategy (u.a. für Asien) bei SAS.
Sabine Bendiek, Geschäftsführerin von EMC Deutschland, ...
...absolvierte einen Master-Studiengang in den USA.
Reiner Prechtl, HR-Director bei Insight, ...
...besucht regelmäßig seine Personalerteams in Paris, Madrid oder Moskau.

25 Reisen im Jahr

Alle Flüge und Hotels von Reiner Prechtl für 2012 sind gebucht. Rund 25 Reisen unternimmt der HR-Direktor pro Jahr. Regelmäßig besucht er seine HR-Teams in Paris, Madrid oder Moskau. Als er vor 13 Jahren nach dem Studium als Personalreferent bei Insight in Garching anfing, beschäftigte das Unternehmen gerade einmal 35 Mitarbeiter. Inzwischen sind es in Europa rund 1400 und weltweit mehr als 5100 Angestellte. Recruiting zählt in allen Landesgesellschaften zu den wichtigen Aufgaben von Prechtl. "Ich halte die Fäden in der Hand und muss gut informiert sein, was in den jeweiligen Teams wichtig ist", sagt Prechtl, der das Personalwesen bei Insight in Zentral- und Nordeuropa verantwortet. Der 43-Jährige telefoniert und reist viel. In einem dreiwöchigen Rhythmus spricht er mit den HR-Mitarbeitern eine Stunde lang über ihre Arbeitsziele für das Quartal sowie Fortschritte in den Projekten. "Mit dieser Struktur überwinde ich die räumliche Distanz zu den Mitarbeitern, vertiefe den persönlichen Kontakt und bin gut über ihre Arbeit informiert", fasst Prechtl zusammen. Was zeitaufwendig klingt, ist für Prechtl erprobte Routine und sorgt für ein gutes Arbeitsklima: "Die Kollegen wissen, dass sie mich auch zwischen den Terminen anrufen können, wenn es Probleme gibt."

Fremdsprachen waren erst Hobby

In internationalen Teams zu arbeiten bedeutet meistens, sich an Englisch als Korrespondenz- und Umgangssprache zu gewöhnen. Wer mehrsprachig aufgewachsen ist, schafft den Wechsel zwischen den Sprachen und Kulturen leichter. SAS-Manager Kadir Dindar ist in Istanbul geboren und in Deutschland aufgewachsen. Studiert hat er in Heilbronn und Frankfurt am Main, Praktika in England und Frankreich ergänzten das Studium. "Ich habe mich beruflich auf das konzentriert, was mir Spaß macht, nämlich Marketing", sagt Dindar. Reisen, sich mit Sprache und Kultur anderer Länder auseinanderzusetzen war lange Zeit mehr Hobby als berufliches Kalkül. Doch dieses Wissen hilft ihm jetzt, sein internationales, 90-köpfiges Team in zehn Regionen Europas zu managen. "Mein multikultureller Hintergrund, Respekt und Toleranz anderen gegenüber erleichtern es mir, international zu arbeiten", erläutert Dindar. Der Manager reist viel und sieht auch kulturelle Unterschiede klarer. "Asiaten erkennen beispielsweise in Europa sehr schnell die Unterschiede und reagieren darauf. Die Europäer holen auf und nutzen ihre Chancen auf eine internationale Karriere."

Vielen Amerikanern wird nachgesagt, dass sie sich und ihr Land als eigenen Kosmos wahrnehmen. Doch inzwischen agieren viele europäische Tochtergesellschaften selbständiger als vor 20 Jahren. Allerdings üben nicht selten die Headquarters im Silicon Valley einen starken Einfluss auf die Unternehmensstrategie aus. Als Pflichtstation für karrierebewusste Manager gelten sie dagegen nicht mehr, denn internationale Berufserfahrung lässt sich auch anderswo sammeln.

"Ich empfehle meinen Mitarbeitern, internationale Rollen wahrzunehmen. Das kann auch eine Aufgabe innerhalb Deutschlands sein, da man bei Cisco durch die Internet-basierende, virtuelle Zusammenarbeit nicht unbedingt umziehen muss, um international zu arbeiten", sagt Cisco-Mann Wolf.

Interkulturelle Kompetenz
Virtuelle Teams: Beziehungspflege
Von Projekt Beginn an sollten intensive "Kennenlern-Komponenten" eingeplant werden. Teammitglieder müssen die Möglichkeit erhalten, emotionale Verbindungen zu den Kollegen herzustellen. Es ist wichtig, dass Mitglieder für das geschätzt werden, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Idealerweise geschieht das über ein Face-to-face Kick-off-Meeting. Falls das nicht möglich ist, wäre eine virtuelle Vorstellungsrunde etwa in Wikis oder per Videokonferenz angebracht. Dabei könnten Mitglieder beispielsweise ihre Interessen, Ziele und Visionen sowie persönliche Bilder untereinander austauschen.
Interkulturelle und virtuelle Teams führen
Fünf Tipps von der Expertin Carolin Schäfer, damit internationale Projektarbeit in virtuellen Teams zum Erfolg wird.
Virtuelle Teams: Klare Ziele
Es zahlt sich aus, zu Anfang genügend Zeit in die Klarstellung des Teamzwecks, der Rollenverteilung im Team und den Verantwortlichkeiten zu investieren. Aufgrund der Distanz bestehen schon ausreichend Unsicherheiten, die nicht noch zusätzlich mit Verwirrung und Ungewissheit angereichert werden sollten. Klare Ziele und Aufgaben, einschließlich der Festlegung von wem, bis wann und in welcher Art diese zu erfüllen sind, schaffen Fokus und Klarheit für alle Teammitglieder.
Virtuelle Teams: Berechenbarkeit
Unmodern, aber nicht wegzudenken: Ein klarer Ablauf und Berechenbarkeit der Teammitglieder sind kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Teams. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Angst und Rückzug. Das Resultat ist ein demotiviertes und unproduktives Team. Der Nutzen von einheitlichen Team Tools, Vorlagen, definierte Prozesse oder festgelegte Kommunikationszeiten tragen zu einem klaren Ablauf und somit zu Berechenbarkeit bei. Teamleiter sollten leicht erreichbar sein sowie den Dreh- und Angelpunkt im Team darstellen.
Virtuelle Teams: Ablaufvereinbarungen
Operationale Ablaufvereinbarungen legen Methodik und Prozesse der Teamarbeit fest und sollten zu Beginn des Projektes gemeinsam definiert werden. Ablaufvereinbarungen bedarf es in der Regel für Planungsprozesse, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Koordination. Während virtueller Team-Meetings sollte der Teamleiter sich immer wieder Zeit nehmen zu prüfen, ob und wie gut die Ablaufvereinbarungen gelebt werden.
Virtuelle Teams: Aufmerksamkeit
Was bei Face-to-face-Teams selbstverständlich ist und in Kaffeeecken oder auf dem Flur vor dem Meeting informell passiert, sollten Manager von virtuellen Teams explizit einplanen, nämlich dass sie einzelne Teammitglieder auch außerhalb des offiziellen Meetings treffen. Jedes Mitglied sollte die Möglichkeit bekommen, mit dem Leiter persönliche Erfolge, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche zu besprechen. Die Distanz und die Technologien wecken leicht den Eindruck, dass Teammitglieder abstrakt und "ohne Gesicht" sind. Persönliche Aufmerksamkeit schafft Vertrauen, kostet wenig und bietet einen enormen Vorteil für jeden einzelnen im Team und letztlich für die gesamte Teamleistung.

Seine eigenen Erfahrungen in Italien und Österreich bestätigen das. "Ich habe schnell gemerkt, was ich nicht weiß, und mir von den Mitarbeitern vor Ort die lokalen Märkte erklären lassen. Für mich war es wichtig, alle Sensoren auf Empfang zu stellen." Zuhören, nachfragen, offen für Neues sein und Lernen zählen zu den Eigenschaften, die den Manager auf dem internationalen Parkett und später zu Hause weitergebracht haben. Auch Demut im positiven Sinne zählt Wolf dazu.

Strategien und Ziele von erfolgreichen globalen Konzernen ähneln sich. Sabine Bendiek von EMC sieht keine großen Gegensätze zwischen der Arbeitsweise von deutschen und amerikanischen Unternehmen und betont andere Tugenden: "Es ist überlebenswichtig, dass Unternehmen das Potenzial ihrer Mitarbeiter wecken und nutzen." Bendiek beobachtet immer wieder, dass gerade auch die deutschen Kollegen aufblühen, wenn sie genügend Freiraum haben, eigene Ideen umzusetzen. Und das ganz unabhängig davon, auf welcher Seite des Atlantiks ihr Schreibtisch steht.